Zuwanderung: Die Vernunft bekommt eine Chance

2.10.2018, 10:39 Uhr
Wer integriert ist, nutzt diesem Land.

© Patrick Lux/dpa Wer integriert ist, nutzt diesem Land.

Die ersten Signale waren vom bayerischen Innenminister  Joachim Herrmann gekommen: Er hatte dafür plädiert, dass Asylbewerber auch arbeiten dürfen, wenn ihr Antrag gescheitert ist und sie im Land nur noch geduldet werden. Das war ein erster, zarter Hinweis auf einen Kurswechsel.

Denn auch die CSU, bisher rigider Bremser in dieser Angelegenheit, hat verstanden: Es ist gar nicht so einfach, jene Migranten abzuschieben, die nicht politisch verfolgt sind und nicht aus einem Krisengebiet stammen. Mal fehlen Papiere, mal wollen die Heimatstaaten die Einreise nicht erlauben, mal haben Gerichte noch nicht entschieden oder sehen die Dinge anders als die Verwaltung.

Diese Menschen bekommen bisher keine Arbeitserlaubnis - oder sie wird ihnen entzogen. Was aber heißt: Sie liegen dem Staat auf der Tasche, obwohl sich viele von ihnen selbst ernähren und zusätzlich Steuern und Sozialabgaben zahlen könnten. Schon das versteht kein Mensch, und dann kommt noch dazu, dass viele gebraucht werden. Völlig abstrus wird es, wenn beispielsweise ein gut eingearbeiteter Altenpfleger seine Stelle aufgeben  und dafür eine Ersatzkraft in, sagen wir, Korea angeworben werden muss.

Nur die Grundzüge beschlossen

Das haben wohl auch Vertreter der Wirtschaft den Christsozialen deutlich gemacht und damit den Kurswechsel in der Berliner Großen Koalition mit ermöglicht. Der besagt, etwas vereinfacht: Wer hier integriert ist und gebraucht wird, darf bleiben.

Die Große Koalition hat bisher allerdings nur die Grundzüge beschlossen - die Details müssen noch ausgearbeitet werden. Hier wird es wichtig sein, dass in den Ausländerbehörden vor Ort keine unerfüllbaren bürokratischen Hürden aufgestellt werden und dass die Beamten Entscheidungsspielräume bekommen. Dann können sie auch mit Augenmaß jenen Unternehmen helfen, die dringend Fachkräfte brauchen und sie unter den Migranten gefunden haben. Davon profitieren dann alle.

Damit setzt sich die Koalition wohltuend von der AfD ab, die am liebsten jeden außer Landes bringen würde, der nur ein bisschen fremdländisch aussieht. Es kommt aber darauf an, die richtigen abzuschieben - und das lief bisher häufig  falsch. Denn die Polizei konnte bevorzugt derer habhaft werden, die in Ausbildung waren oder eine Stelle hatten; denn da war klar, wo sie zu finden waren. Die wenigen aber, die in Kriminalität abgerutscht und deshalb abgetaucht waren, rutschten bei diesem System durch. Dabei muss eine vernunftgeleitete  Abschiebepolitik konsequent  bei denen ansetzen, die sich nicht in diesen Staat und seine Rechtsordnung einfügen wollen.

Immer vorausgesetzt, die Vorgaben der Koalition werden sinnvoll in Rechtsnormen gegossen: Dann wird dieser Berliner Kompromiss dazu beitragen, den gesellschaftlichen Streit um die Migrationspolitik ein Stück weit zu befrieden.

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