Familienbildungstag

Experten beraten in Nürnberg: Das macht Jugendliche stark

Sabine Ebinger

Lokales Nürnberg

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22.3.2022, 17:00 Uhr
Spaß haben mit Freunden: Wegen Corona mussten Heranwachsende oft darauf verzichten. Die Pandemie hat vor allem auch junge Menschen schwer getroffen.

© imago images/Westend61, NNZ Spaß haben mit Freunden: Wegen Corona mussten Heranwachsende oft darauf verzichten. Die Pandemie hat vor allem auch junge Menschen schwer getroffen.


Die Pandemie hat alle getroffen - auf unterschiedliche Art und Weise. Wie war die Situation für junge Menschen?
Bei Jugendlichen geht es darum, dass man sich weg von den Eltern hin zu den Freunden orientiert. Es geht um die Fragen: Wer bin ich, wer möchte ich sein? Wo ist mein Weg - und wie unterscheidet der sich vom Weg meiner Eltern? Und genau in dieser Zeit, wo es also raus gehen sollte, wurden die Jugendlichen zurück geschleudert in die Familie: Man blieb daheim, die Schule fiel aus, man konnte sich kaum oder nicht mit Freunden treffen. Das war natürlich schwer, manche haben entsprechend reagiert. Die Heranwachsenden hatten Sorgen, mitunter auch um ihre Eltern. Sie haben etwa gemerkt, dass die Eltern um ihre Existenz bangen. Das war ein Brett für sie. Es wurde in der Pandemie nicht so viel auf junge Menschen geschaut - man hatte eher die Gesellschaft, die Wirtschaft, die Senioren im Blick.

Die Zeichen stehen derzeit auf Lockerungen - sind damit die geschilderten Probleme Vergangenheit?

Für die Jugendlichen geht es weiter. Da geht es um die Frage: Habe ich in der Schule viel verpasst, komme ich mit? Sind meine Freunde, die ich vor der Pandemie hatte, immer noch meine Freunde - oder haben sich im Lockdown andere Cliquen entwickelt? Das beschäftigt sie.


Familienbildungstag: So bleiben Eltern und Kinder stark



Wie können Eltern Jugendliche jetzt stärken?
Sie können ihnen sagen: Du hast unglaublich viel geleistet. Du hast dich an die Corona-Regeln gehalten und Rücksicht genommen. Die jungen Menschen haben eine Krise gemeistert: Das sollte man anerkennen. Und dann kann man individuell schauen, was das Kind gerade braucht. Und es ist wichtig, Hoffnung zu geben, eine Perspektive zu schaffen und etwa Pläne für die Zukunft zu machen.

In Sachen Corona wird gelockert - doch nun bestimmt der Ukraine-Krieg die Schlagzeilen. Was bedeutet das für junge Menschen?
Für manche ist es sehr schwer. Bei Corona hatte man anfangs ein Gefühl von Ohnmacht, mittlerweile ist man hier schon geübter. Der Krieg bedeutet auch für Jugendliche Schockstarre und große Angst. Viele sind empathisch und fragen sich: Wie geht es den Kindern und Jugendlichen in der Ukraine? Und kommt der Krieg zu uns?

Referentin Elisabeth Raffauf

Referentin Elisabeth Raffauf © Tina Niedecken


Wie können Eltern hier die Angst nehmen?
Das ist nun mal eine Situation, die Angst macht. Man kann offen sagen: Dein Gefühl, dass du dir Sorgen machst, ist richtig. Das gibt dem Kind die Sicherheit: Ich kann mich auf mein Gefühl verlassen, meine Antennen spüren hier richtig. Wenn Eltern die Situation verharmlosen, dann kommen Kinder meistens dazu, an ihren Gefühlen zu zweifeln. Und das wiederum verunsichert. Zunächst sollte man sagen: Das ist eine Situation, die Angst macht. Und dann sollte man schauen, wie man damit umgehen kann.

Was hilft denn?
Es gibt zwei Ebenen. Zum einen geht es um Informationen: Was haben die Kinder vom Krieg gehört, können sie das richtig einordnen? Man sollte die Kinder fragen, ob sie darüber reden möchten. Und man sollte nicht den ganzen Tag am Handy oder per Nachrichten das Geschehen verfolgen: Das zieht runter. Es ist gut, die Nachrichten zu reduzieren. Schulkinder können Kindernachrichten schauen, während Eltern dabei sind - und dann kann man altersgerecht darüber sprechen. Die zweite Ebene ist: Wie komme ich aus der Ohnmacht raus? Können wir etwas tun? Man kann ein Plakat gestalten und auf eine Friedens-Demo gehen, man kann Spielsachen oder Kleidung spenden. Wir können den Krieg natürlich nicht beenden, doch wir können in unserem kleinen Rahmen etwas aus der Hilflosigkeit raus kommen.

Eltern haben in Corona oder jetzt im Krieg ihre Unsicherheit oder gar Verzweiflung gezeigt. Welche Auswirkungen hat das auf die Kinder?
In Krisen wollen Kinder helfen und nehmen vielleicht eine Verantwortung auf sich, die sie überfordert. Die meisten Kinder reagieren so. Als Erwachsener sollte man in solchen Situationen sagen: Du hast gerade gemerkt, dass ich überfordert bin - ich werde mir Unterstützung bei meinen Freunden oder woanders holen. Man signalisiert damit dem Kind: Dein Gefühl trügt nicht - aber ich kümmere mich um das Problem.


Resilienz ist das große Schlagwort beim Familienbildungstag. Was gibt Familien in diesen Zeiten Kraft?
Man muss hin schauen auf die Krisen, auf die Pandemie - und gleichzeitig dürfen wir schöne Sachen erleben. Man darf Musik machen und hören, man darf Sport machen und man darf Spaß haben. Das sollten wir uns erlauben. Und das gilt auch für die Jugendlichen: Es ist okay, wenn sie in den Club gehen und tanzen. Es ist wichtig, dass es ihnen gut geht - nur dann kann man anderen Menschen helfen.


Zur Person: Elisabeth Raffauf ist Diplom-Psychologin. Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern arbeitet in freier Praxis in Köln. Sie leitet Gruppen für Eltern Jugendlicher an einer Erziehungsberatungsstelle. Als Autorin und Expertin ist sie unter anderem für die Kindernachrichtensendung „logo“ tätig. Zudem hat sie Erziehungsratgeber geschrieben.


"Resilienz: Gestärkt durch Herausforderungen gehen!“, so lautet das Thema des 19. Familienbildungstags. Wegen Corona wird die beliebte Veranstaltung ausschließlich digital organisiert - und zwar am Samstag, 26. März, von 8 bis 17 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Der Stab Familienbildung des städtischen Jugendamts und neun Nürnberger Familienbildungsstellen laden Eltern und alle, die Kinder erziehen, herzlich dazu ein.
Unter www.familienbildungstag.nuernberg.de gibt es weitere Informationen.

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