Umstrittene Maßnahmen

Alles zur Rente: Das wird 2022 wichtig

18.1.2022, 16:09 Uhr
Für Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ist die aktuelle Rentnergeneration die bestversorgte, die es je gab. Hier ein Paar am "Liebesbankweg" im Oberharz.

© Archivfoto: Julian Stratenschulte/dpa Für Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger ist die aktuelle Rentnergeneration die bestversorgte, die es je gab. Hier ein Paar am "Liebesbankweg" im Oberharz.

Den rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern bringt die Ampel-Koalition heuer zunächst wohl vor allem eine Dämpfung ihrer Rentenerhöhung. Das für Sommer 2022 bereits als besonders stark vorhergesagte Rentenplus soll schmaler ausfallen als gedacht. Und bereits diese erste Maßnahme der rot-grün-gelben Koalition zur Entlastung der Rentenkasse ist umstritten.

Mit der nahenden Verrentung geburtenstarker Babyboomer-Jahrgänge rücken weitere Rentenpläne der neuen Regierung in den Fokus, wie folgender Überblick über Änderungen und Baustellen bei der Rente zum Jahreswechsel zeigt:

Eine deutliche, aber verkleinerte Rentenerhöhung: Eigentlich steigen die Renten im Tempo der Löhne. 2021 hätte es nach diesem Prinzip wegen geschrumpfter Löhne infolge der Corona-Krise eine Rentensenkung geben müssen. Doch greift in solch einem Fall eine Rentengarantie – im Westen gab es so im Juli eine Nullrunde, im Osten ein leichtes Plus wegen der Angleichung der Ostrenten. Für Juli 2022 wurde im November aber bereits eine satte Rentenerhöhung um 5,2 Prozent im Westen und 5,9 im Osten prognostiziert. Doch dann kündigte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP an, den von der Vorgängerregierung ausgesetzten Nachholfaktor wieder einzuführen. Dieser bewirkt, dass die Renten nach einer ausgebliebenen Kürzung langsamer steigen als die Löhne. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erwartet einen Anstieg um noch 4,4 Prozent.

"Bestversorgte Generation"

Und so wird die Dämpfung der Rentenerhöhung unter anderem bewertet: Deutschlands Arbeitgeber begrüßten selbstredend die Aktivierung des Nachholfaktors. Es gebe zwar schmale Renten, erklärte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. "Aber die Wahrheit ist auch, dass es die bestversorgte Rentnergeneration ist, die dieses Land jemals hatte."

Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), hingegen kritisierte: "Wenn die Ampel-Koalition den Nachholfaktor reaktiviert, käme das einer Rentenkürzung durch die Hintertür gleich." Piel warnte vor einer weiteren Abkopplung der Renten von den Löhnen. Laut DGB dürften die Renten nach bisherigen Schätzungen ohnehin von 2020 bis 2025 langsamer steigen als die Löhne. Mit dem Nachholfaktor würden die Renten nach DGB-Berechnungen bis 2025 mit rund 12,4 Prozent sogar um fast vier Prozentpunkte langsamer anwachsen.

Die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, schlug vor, große Sprünge bei der Rentenanpassung wie in der Pandemie künftig zu vermeiden: "Hier wäre zu überlegen, ob man die Formel anpasst, so dass sie besser verständlich und transparenter wird und ein über die Jahre glatterer Verlauf der Rentenanpassungen ermöglicht wird."

Insgesamt zog Roßbach ein positives Renten-Fazit in der Krise. "Die Rentenversicherung ist bisher gut durch die Pandemie gekommen und hält fürs neue Jahr positive Botschaften für die Menschen in Deutschland bereit", so die DRV-Präsidentin.

Wichtig sei, dass auf Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld Beiträge gezahlt würden. "In Krisenzeiten entstehen den Versicherten so keine Lücken in ihrer Versicherungsbiografie", resümierte Roßbach. Die Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit liegen laut Roßbach 2021 voraussichtlich um 3,5 Prozent über Vorjahresniveau, die Rücklage der Rentenkasse liegt zum Jahresende voraussichtlich mit 1,55 Monatsausgaben deutlich im grünen Bereich.

Doch der Blick auf die demografischen Prognosen sorgt für Unruhe – zahlreichere Ältere dürften in den kommenden Jahren auf weniger Einzahler in die Rentenkasse kommen. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sieht Deutschland bei der Rente gar "in einem kompletten Blindflug" und forderte "ein Preisschild für unterlassene Reformen".

Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte: "Wir brauchen eine strukturelle Rentenreform und nicht das, was im Koalitionsvertrag beschrieben ist." Er erinnerte an das Versprechen der Ampel, das Rentenniveau auf Dauer bei 48 Prozent zu sichern und das Eintrittsalter nicht weiter anzuheben. "Dann bleibt eigentlich nur übrig, die jüngeren Generationen mit höheren Beiträgen mehr zu belasten oder über den Bundeshaushalt noch mehr zu subventionieren", so Wollseifer.

Mehr auf Aktien setzen

Die Ampel will zur Stabilisierung in eine Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente einsteigen mit einem Kapitalstock von zunächst zehn Milliarden Euro im neuen Jahr. Die private Vorsorge soll reformiert, die betriebliche gestärkt werden. Arbeitgeberpräsident Dulger fordert: "Wir müssen wegkommen von den heutigen Garantiezusagen und mehr aktienbasierte Vorsorge ermöglichen." Vieles an den Ampelplänen sei hier aber noch offen.

Haushalt von 340 Milliarden

Rentenpräsidentin Roßbach weist auf den zunächst begrenzten Umfang des geplanten Kapitalstocks hin. "Klar ist, dass zehn Milliarden Euro ein Beitrag sind, der die Finanzierung der Rentenversicherung nur in einer kleinen Weise flankieren kann. Wir haben einen jährlichen Haushalt von 340 Milliarden Euro."

Die Rentenpräsidentin zeigte auch auf das Beispiel Schweden. Roßbach sagte, offen sei unter anderem, wer wann in welchem Umfang von diesem Kapitalstock profitieren solle, wie lange er zu welchen Risiken angelegt werden solle und ob das Kapital dem Einzelnen oder der Gesamtheit in der Rentenversicherung nutzen solle. Sie lenkte den Blick nach Norden: "Wenn wir nach Schweden blicken, sehen wir ein Beispiel für einen anlagenbasierten Anteil der Alterssicherung."

Dort würden für den Einzelnen Anwartschaften aufgebaut, die außerhalb der eigentlichen Rentenversicherung gebildet werden. Beiträge für die Fondsanlage erhalte man vom Finanzamt zurück.

Armutsrisiko Selbständigkeit

Optimistisch ist Roßbach nach eigenen Angaben, dass die neue Regierung die angekündigte Absicherung der Selbständigen durch Einbeziehung in die gesetzliche Rente realisiert. Doch auch hier dürfte es noch Diskussionen geben. "Offen ist etwa noch, welche Selbständigen einbezogen werden sollen, ab welchem Alter und wie das geplante Opt-Out aussehen soll", skizzierte Roßbach. Denn Selbständige sollen alternativ private Vorsorge wählen können.

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