Offroader der alten Schule

Souverän durchs Gelände: So fährt sich der Ineos Grenadier

24.5.2022, 15:28 Uhr
Die Ähnlichkeit zum alten Land Rover Defender ist nicht zu übersehen. Auch der Ineos Grenadier wurde vor allem als Fahrzeug fürs Grobe entwickelt.

© Ineos Automotive/dpa-mag Die Ähnlichkeit zum alten Land Rover Defender ist nicht zu übersehen. Auch der Ineos Grenadier wurde vor allem als Fahrzeug fürs Grobe entwickelt.

Es hat ein bisschen was von Jurrasic Park: Während die Dinosaurier unter den Autos spätestens mit dem Generationswechsel des Land Rover Defender vor zwei Jahren eigentlich ausgestorben waren, beginnt die Evolution jetzt mit dem Ineos Grenadier noch einmal von vorn.

Von einem neuen Hersteller am Zeichenbrett entwickelt und ab dem Herbst für zunächst 59.990 Euro aufwärts im Handel, will er als Geländewagen der alten Schule nicht nur gegen den SUV-Trend schwimmen. Sondern er stemmt sich auch gegen das Diktat der Elektronik und, zumindest vorerst, sogar gegen den Elektroantrieb.

Herzensprojekt eines Milliardärs

Von außen erinnert der Grenadier mit seinem kantigen Playmobil-Design und den kreisrunden Scheinwerfern stark an den alten Land Rover Defender. Aus gutem Grund. Denn Jim Ratcliffe, der Kopf hinter dem Projekt, war als Land-Rover-Fan der ersten Stunde vom Modellwechsel so enttäuscht, dass er sich seinen eigenen Nachfolger gebaut hat.

Und es bleibt nicht beim Einzelstück. Der Chef des Chemie-Giganten Ineos will bis zu 30.000 Autos im Jahr bauen und damit all jene Kunden bedienen, denen der neue Defender zu sehr mit dem heutigen Lifestyle und vor allem mit moderner Elektronik flirtet und eine Mercedes G-Klasse zu abgehoben ist.

So robust wie ein Defender

Ineos hat sich vielmehr auf die Grundprinzipien des Geländewagenbaus konzentriert. Von wegen Einzelradaufhängung oder selbsttragende Karosserie - so mögen urbane SUV konstruiert sein. Aber wer wirklich durch die Wildnis fahren will, der baut seine rostfreie Karosserie aus Aluminium auf einen Leiterrahmen und montiert darunter Starrachsen.

Während die Technik genau wie das Karosseriedesign an den Defender erinnern, haben die Briten beim Innenraum des knapp fünf Meter langen Grenadier ihr ganz eigenes Konzept. Sie kombinieren die mittlerweile unverzichtbaren Touchscreens mit einem Heer an Schaltern in der Mittelkonsole und im Dach. Die Schutzleisten drumherum lassen es wie im Flugzeug-Cockpit aussehen.

Stark im Gelände

Bei einer ersten Ausfahrt mit einem nahezu serienreifen Prototypen ähnelt er dem Original allerdings kaum noch. Denn verglichen mit dem alten Defender fährt der Grenadier fast wie von selbst. Etwa lässt er sich viel leichter auf Kurs halten. Seine Motoren klingen kultivierter, und bei Fahrten abseits des Asphalts geht es längst nicht so ruppig zu. Eine Eigenschaft haben Original und Neuinterpretation jedoch gemeinsam: die außergewöhnliche Stärke im Gelände. Denn weder Schlamm noch Schnee und auch nicht Geröll oder Sand können den Briten etwas anhaben.

Misst man den Grenadier dagegen am neuen Land Rover, fühlt er sich fast wie ein Oldtimer an. Dann wirkt er eher schwergängig und zwingt den Fahrer zu spürbar mehr Eigenleistung. Denn Ineos baut nur die allernötigsten Assistenzsysteme ein und spart sich unterschiedliche Fahrprofile.

BMW-Motoren für den Briten

Beim Antrieb setzt Ineos auf die solide Technik von BMW. Entschieden hat man sich für zwei drei Liter große Sechszylinder: Fürs erste gibt es den Grenadier als Diesel mit 183 kW/249 PS und 550 Nm oder als Benziner mit 210 W/285 PS und 450 Nm. Beide Motoren sind gekoppelt mit einer Achtgang-Automatik und verteilen ihre Kraft standesgemäß an alle vier Räder. Dabei ist die Untersetzung ebenso Serie wie die zentrale Differentialsperre. Je eine weitere Sperre pro Achse gibt es gegen Aufpreis.

Zwar laufen die Motoren etwas runder als in einem alten Defender und haben auch mehr Kraft, die Fahrleistungen lassen dennoch etwas Luft nach oben. Die Beschleunigung geht mit bestenfalls 8,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h noch in Ordnung. Doch 160 km/h Höchstgeschwindigkeit reichen nicht, um die Masse der SUV abzuhängen. Und auch mit Verbrauchswerten von zum Teil deutlich über zehn Litern sammelt er keine Pluspunkte. Das wissen sie auch bei Ineos, wo bereits mit der Brennstoffzelle aus dem Hyundai Nexo geliebäugelt wird.

Fazit: Charakter kennt kein Alter

Klar, der Grenadier ist fast so etwas wie ein fabrikneuer Oldtimer und fährt den vielen SUV bei Komfort und Effizienz weit hinterher. Doch wer seinen Geländewagen wirklich fürs Gelände braucht, der ist mit dem rustikalen Arbeitstier bestens bedient. Und selbst auf der Straße hat Ineos etwas zu bieten, was vielen der modernen Semi-Offroadern fehlt: einen starken Charakter.

Datenblatt: Ineos Grenadier

Motor und Antrieb: Reihensechszylinder-Diesel
Hubraum: 2993 ccm
Max. Leistung: 183 kW/249 PS
Max. Drehmoment: 550 Nm
Antrieb: Allradantrieb
Getriebe: Achtgang-Automatik
Maße und Gewichte
Länge: 4896 mm
Breite: 1930 mm
Höhe: 2036 mm
Radstand: 2922 mm
Leergewicht: 2744 kg
Zuladung: 756 kg
Kofferraumvolumen: 1152-2035 Liter
Fahrdaten:
Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
Beschleunigung 0-100 km/h: 9,9 s
Durchschnittsverbrauch: 10,1 Liter/100 km
Reichweite: 890 km
CO2-Emission: 263 g/km
Kraftstoff: Diesel
Schadstoffklasse: Eu6
Energieeffizienzklasse: k.A.
Kosten:
Basispreis des Ineos Grenadier: 59.990 Euro
Grundpreis des Station Wagon Diesel: 68.990
Typklassen: k.A.
Kfz-Steuer: k.A.
Wichtige Serienausstattung:
Sicherheit: Sechs Airbags, Tempomat, Bergabfahrhilfe
Komfort: Klimaanlage, Sitzheizung, Offroad-Navigation

Alle Daten laut Hersteller, GDV, Schwacke