Plötzlich Heimat: Fürther Stadtplaner geht nach 30 Jahren

22.5.2020, 16:00 Uhr
Plötzlich Heimat: Fürther Stadtplaner geht nach 30 Jahren

Irgendwann in den 80er Jahren, im tiefsten Winter, kam Dietmar Most zum ersten Mal nach Fürth. Zufällig. Mit Frau und Kind war der Hesse auf dem Weg in den Ski-Urlaub, als der Motor seines VW-Busses einen Totalschaden erlitt. An der Raststätte Feucht empfahl man ihm eine Kfz-Werkstatt in Fürth. Der Bus wurde abgeschleppt, Familie Most verbrachte zwei Tage in einem kleinen Hotel – und viel Zeit mit dem Schlitten im Wiesengrund. Seine Erinnerung an die Stadt: sehr kalt, sehr dunkel.

Trotzdem bewarb er sich ein paar Jahre später, 1990, bei einer bundesweiten Ausschreibung auf den Posten des stellvertretenden Leiters des Stadtplanungsamts. Kassel, die Gegend, in der er aufgewachsen war, ließ er hinter sich für ein paar Jahre in Franken, wie er anfangs dachte. Es sollten drei Jahrzehnte werden, und ein Ende ist nicht abzusehen. "Fürth ist Heimat, und das wird so bleiben", sagt Dietmar Most. Das Haus im früheren Offiziersviertel in Dambach, umgeben von viel Grün, ist dem Ehepaar ans Herz gewachsen. Der Sohn lebt in Cadolzburg.

Fürth, dieses Stückchen Heimat, hat Most drei Jahrzehnte mitgestaltet. Nie laut oder auf Krawall gebürstet, stattdessen zurückhaltend, lösungsorientiert, auf Ausgleich bedacht – und immer mit profunder Fachkenntnis. Im FN-Archiv gibt es kaum Fotos von ihm, und wenn doch, dann steht er in der zweiten Reihe – hinter dem damaligen Stadtbaurat Joachim Krauße oder dem Oberbürgermeister.

Plötzlich Heimat: Fürther Stadtplaner geht nach 30 Jahren

© Foto: Johannes Alles

Dietmar Most hat Fürths Qualitäten schnell erkannt. Die unzerstörte Bausubstanz der Innenstadt, die prächtigen Gründerzeitbauten mit ihren Sandsteinfassaden, sie haben ihn von Anfang an beeindruckt, erzählt er, räumt aber auch ein, dass die Stadt um das Jahr 1990 noch etwas schäbig wirkte. Der heute 65-Jährige erinnert sich an "graue Häuserfronten, die irgendwie aus der Zeit gefallen schienen".

Doch zunächst rücken ganz andere Areale in den Fokus: Die US-Truppen ziehen Mitte der 90er aus Fürth ab, sie räumen drei große Kasernen, dazu Wohngebiete wie die Kalb- und die Offizierssiedlung. "Das war gigantisch, als hätten wir auf einen Schlag eine weitere Stadt eingemeindet", sagt Most. Während bald klar ist, dass die Wohnhäuser so schnell wie möglich wieder belegt werden sollen, bereiten die Kasernen den Stadtplanern Kopfzerbrechen. Die Konversion, also die Umwandlung der Flächen, wird zur Jahrhundertaufgabe. Als "Konversionsbeauftragter" sitzt Most an den Schalthebeln. Er habe damals eine "gewisse Beklemmung" verspürt, verbunden mit der Frage: "Meine Güte, wie bewältigen wir das nur?" Es sind andere Zeiten, Fürth ist noch kein Zuzugsgebiet. "Wir mussten Bauträgern regelrecht hinterherlaufen, ihnen die Projekte schmackhaft machen."

Es funktioniert. Die Darby-Kaserne wird zum Südstadtpark, ein Vorzeigewohngebiet mit riesiger Grünfläche. Die Johnson-Barracks an der Schwabacher Straße verwandeln sich in ein florierendes Gewerbegebiet, und in Atzenhof entsteht ein Mix aus Wohnen und Gewerbe. Den Südstadtpark sieht Most heute als einen Wendepunkt in der Stadtentwicklung an. "Er hat viel fürs Image Fürths getan, auch fürs Selbstvertrauen. Von da an ging es aufwärts."

Doch dank der guten Tat steht die westliche Innenstadt noch schlechter da. Marode Häuser, verwaiste Läden, eine völlig einseitige Bevölkerungsstruktur. Eigentümer beklagen im Rathaus, dass ihre Mieter, zumindest die, die es sich leisten können, in die herausgeputzten Häuser der Amerikaner ziehen. Kurz: Die nächste Mammutaufgabe kündigt sich an.

Als Glücksfall erweist sich das neue Förderprogramm Soziale Stadt. "Das war wie für Fürth gemacht", schwärmt Dietmar Most, "wir hatten all die Probleme, die dieses Programm beheben wollte." Als eine der ersten Kommunen in der Region stellt Fürth den Antrag, Most hilft, ihn zu formulieren. In den folgenden Jahren lassen Bund und Land nach und nach rund 50 Millionen Euro in die westliche Innenstadt fließen.

Dank dieser Unterstützung kann die Stadt beispielsweise Straßen herrichten und mit Bäumen aufwerten. Das wiederum spornt viele Eigentümer an, ihre maroden Altbauten zu sanieren. "Stadtplanung", sagt Most dazu, "gibt ja immer nur den Rahmen vor." Füllen müssen ihn mitunter andere. Er habe immer etwas Attraktives schaffen wollen, mit hoher Aufenthaltsqualität. "Wenn sich etwas Neues nach kurzer Zeit so anfühlt, als sei es schon immer da gewesen, dann ist es wohl gelungen."

Die "Soziale Stadt" ist keine Flächensanierung, kein Kahlschlag wie vor Jahrzehnten auf dem Gänsberg. Most nennt es eine "behutsame Reparatur in der Struktur". In jedem Fall ein Erfolgsmodell. Dass in der Gegend noch immer viele Häuser unsaniert sind, ist in Mosts Augen kein Schaden. "Es ist doch gut, wenn es noch preiswerten Wohnraum gibt." Die Mischung macht’s.

Auf die Frage, ob er bestimmte Entwicklungen bedauert, überlegt er lange. Alte Wunden aufzureißen, das ist nicht sein Ding. "Der Neubau vom Ludwig-Erhard-Zentrum könnte etwas kleiner sein", sagt er dann doch noch. Und den historischen Festsaal des Park-Hotels, den hätte er gerne in die Neue Mitte integriert. "Das wäre schön gewesen, aber wirtschaftlich nicht machbar."

Als Stadtplaner, so Most, könne man Wünsche haben. Entscheidend seien aber häufig die Finanzen – und natürlich auch der Stadtrat. "Wir sind eben nur Berater, da braucht es eine gewisse Demut, Beschlüsse zu akzeptieren."

Die Neue Mitte mit ihrer kleinteiligen Struktur sei ein Gewinn und die deutlich bessere Lösung im Vergleich zum riesigen Einkaufszentrum, das der Investor Sonae Sierra dort zunächst geplant hatte. Die Breitscheidstraße wäre in diesem Bereich überbaut worden und in dem Konsumtempel aufgegangen. Ein "Monstrum", ein Ufo, das von außen in der City landet, das habe er nie gewollt. Anders als der OB und weite Teile des Stadtrats. "Wir waren da kritisch", beteuert Most, "aber nur intern, wie das so ist bei einer Stadtverwaltung." Die Wiederbelebung des Einzelhandels, das ist die dritte große Baustelle für das Stadtplanungsamt, dessen Leitung Most 2011 übernimmt. Die Sanierung der Fußgängerzone sollte nur der Anfang sein. Die lange Zeit darbende City ist auf einem guten Weg, als das Coronavirus dazwischenfunkt.

 

"Die Stadt kann sich das leisten"

 

Die Zukunft von Fürth müssen nun andere planen. In der Verwaltung findet gerade ein Generationenwechsel statt. Dietmar Most will sich jetzt um seine Enkel kümmern und öfter mal verreisen – mit dem Campingwagen und dem VW-Bus, seine Leidenschaft für die Bullis ist über die Jahrzehnte nicht verglüht.

Als ihn der Stadtrat Ende April verabschiedet, sagt Fürths Rathauschef Thomas Jung: "Dass Fürth eine so schöne Entwicklung genommen hat, ist auch Ihrer Arbeit zu verdanken. Sie können stolz auf Ihre Lebensleistung sein." Seiner Wahlheimat wünscht Most, dass sie sich "behutsam weiterentwickelt". Fürth habe inzwischen so viel Selbstbewusstsein, ein so solches Standing, dass es nicht jedem Investor hinterherlaufen müssen. Besser in Ruhe überlegen, rät Most, und sich die passenden Partner für Projekte aussuchen. "Fürth kann sich das leisten." Den Klimawandel und die Mobilitätswende nennt er Herausforderungen der Zukunft. Er selbst wird das von Dambach aus aufmerksam verfolgen – mit der ihm eigenen Zurückhaltung.

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