"Für den Sport geben wir fast alles auf"

17.5.2019, 17:00 Uhr

© Jürgen Rauh/Zink

"Scheiße!", ruft sie und zerrt ihr Boot aus dem Wasser. Einen Sekundenbruchteil lang hat ihr die Strömung die Kontrolle über ihr Kanu entrissen. Und es ist das passiert, wovor sie am meisten Angst hatte: Ihr Boot berührt eine der Torstangen. Zwei Strafsekunden. Zweiter Platz für sie und ihre beiden Schwestern Annkatrin und Antonia im Mannschaftsrennen um die Süddeutsche Meisterschaft.

Sie könnte sich jetzt sagen, dass ein zweiter Platz immer noch herausragend gut ist und sie und ihre Schwestern an diesem Wochenende bereits wichtige Siege errungen haben, oder sich damit trösten, dass sie trotz überstandener Schulter-OP vor wenigen Wochen ein sehr respektables Qualifikationsrennen um die Nationalmannschaft gefahren ist. Doch das tut sie nicht. Denn für die Schwestern ist jeder Wettkampf ein Neustart. Ein Neustart im Rennen gegen sich selbst. "Wir fahren für uns, nicht um andere zu besiegen ", erklärt Annkatrin.

Seit sie schwimmen können, sitzen die 17-jährige Annkatrin und ihre eineinhalb Jahre jüngeren Zwillingsschwestern Amelie und Antonia im Kanu. Für viele junge Sportler unter den 300 Teilnehmern beim Fürther Kanuslalom sind sie Vorbilder. Den Namen Plochmann kennt hier an der Wildwasserstrecke neben der Fernabrücke jeder.

Vor allem Annkatrin hat bereits erstaunliche Erfolge erzielt: Bei den nationalen Qualifikationsrennen in Augsburg und Markkleeberg verteidigte sie als Gesamtsiegerin ihren Platz in der Nationalmannschaft und darf im Juli zur Junioren-EM im slowakischen Liptovsky Mikulaš und zur Junioren-WM in Krakau fahren. Amelie und Antonia versuchen, ihrer Schwester in nichts nachzustehen.

Dem persönlichen Vorankommen opfern sie viel. Zeit für Freunde oder Schule bleibt kaum. Sie trainieren täglich auf der Laufstrecke, im Kraftraum oder auf dem Wasser.

Wettkämpfe in halb Europa

Wie funktioniert das? Annkatrin lacht gequält. "Jetzt, in der elften Klasse, ist das richtig eng. Wenn ich aus der Schule komme, ruhe ich mich nur kurz aus, dann beginnt das Training. Lernen kann ich dann oft erst ab 22 Uhr – und sitze dann bis in die Nacht." Amelie und Antonia nicken: "Wir geben fast alles auf. Wir treffen kaum Freunde, gehen nicht auf Feiern. Aber das alles ist es uns wert."

Denn einen Abend im Kino tauschen sie gegen etwas ganz anderes ein, auch wenn das nicht immer einfach zu erklären ist: "Wir sind junge Mädels – klar gibt es da mal Phasen, wo wir anzweifeln, warum wir das eigentlich machen. Aber wir kommen immer wieder zu dem Entschluss, dass wir in unserem Sport so viel erleben wollen wie nur möglich und jetzt schon so viele Dinge gesehen haben, die wir später mal erzählen können", erklärt Antonia.

"Ich gehe jetzt Kuchen essen"

Der Fürther Kanuslalom ist ihr vierzehntes Wochenende in diesem Jahr, an dem sie für Wettkämpfe oder Trainingslager teils durch halb Europa touren. Immer am Ufer mit dabei: Papa Udo Plochmann. Er rennt an der Seite mit (als ehemaliger Ironman-Finisher kein Problem), schreibt Ernährungspläne, organisiert die Fahrten – und ist immer für seine Töchter da, auch um zwei Uhr nachts.

"Manche Erlebnisse sind so aufwühlend, die verarbeitest du nicht so schnell. Und dann sitzen wir stundenlang zusammen und reden und reden und reden", sagt er. Und aufwühlende Erlebnisse wollen alle drei noch einige sammeln. Annkatrin hat sich daher entschieden, in die Sportförderung zu gehen, um eine professionelle Kanu-Fahrerin zu werden.

Doch manchmal muss alle Professionalität, alle Disziplin und vor allem jeder Ernährungsplan auch mal völlig egal sein. Amelie schüttelt sich einmal kurz nach dem gefühlt verlorenen Mannschaftsrennen. "Ich gehe jetzt Kuchen essen – und zwar nicht nur einen! Wer kommt mit?"

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