Fachwerk-Schmuckstück stammt aus Fürstenforst

Echte Rarität aus historischer Judenschule im Fränkischen Freilandmuseum

Anna Franck

E-Mail zur Autorenseite

25.2.2022, 05:55 Uhr
Auf dem Gefach ist eine hebräische Inschrift zu lesen. „Schön ist das Schweigen während der Gebete“ heißt sie übersetzt.

© Markus Rodenberg/Freilandmuseum, NN Auf dem Gefach ist eine hebräische Inschrift zu lesen. „Schön ist das Schweigen während der Gebete“ heißt sie übersetzt.

Es ist der erste historische Gegenstand im Bestand des Fränkischen Freilandmuseums aus der Geschichte des fränkischen Landjudentums: ein ganzes Gefach, das als Schenkung in die Hände des Museums gelangte, wie Saskia Müller, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin im Museum, auf dessen Internetseite erläutert.

Das gewichtige Bauteil stammt aus Fürstenforst (Gemeinde Burghaslach im Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim), wo im 18./19. Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde existierte. Dort habe man das Gefach - die Fläche zwischen tragenden Balken eines Fachwerkhauses - aus dem Dachgeschoss der ehemaligen Judenschule entnommen, die jüngst saniert wurde.

Das Objekt des Monats Februar des Fränkischen Freilandmuseums.

Das Objekt des Monats Februar des Fränkischen Freilandmuseums. © Freilandmuseum, NN

Das Bauteil ist, wie Müller schreibt, ausgefacht mit Stickscheiten, Lehm und Stroh und wurde mit Kalk verputzt. Eine hebräische Inschrift ist zu lesen, um sie hervorzuheben, sei sie mit „farbig schablonierten Ornamenten“ umrahmt worden. „Sie bedeutet übersetzt: ,Schön ist das Schweigen während der Gebete‘“. Über die Bedeutung sei wenig bekannt, „weswegen wir gegenwärtig nur spekulieren können“, informiert Saskia Müller weiter.

Disziplinierender Charakter

Ein Hinweis auf einen ehemaligen Betraum könnte sie sein, woraus sich wiederum die Option ergäbe, dass die Judenschule einst die Synagoge mit Betsaal, Schule und Wohnung eines Lehrers oder Vorbeters war. Auffällig sei „disziplinierender Charakter“, so Saskia Müller. „In Franken waren seit Beginn des 19. Jahrhunderts jüdische Reformer, mehrheitlich liberal gesinnte Rabbiner, unterwegs mit dem Ziel, traditionelle oder lokal geprägte Religionspraktiken zu reformieren.“

Zentrales Anliegen sei die „einheitliche Reformierung des jüdischen Gottesdienstes“ gewesen. Ihn empfanden sie als „würdelos“.

Stattdessen wollten sie einen, der in ihren Augen „die Spiritualität der Gemeinschaft“ fördere. „Die Synagoge bestimmten sie zum einzigen angemessenen liturgischen Raum, in dem man sich entsprechen zu benehmen hatte“, so Saskia Müller auf der Internetseite weiter.

Neue Regeln bei der Kleidung

Sie wollten neue Verhaltensregeln einführen, aber auch örtliche Riten und Bräuche verändern, beispielsweise Kleiderordnungen, eine veränderte Abfolge der Gebete oder die Regulierung der Lautstärke auf ein Minimum. Denn: „In manchen Synagogen wurde zu dieser Zeit ein reger Austausch gepflegt, der aus Sicht der Reformer einer Versenkung in die Gebete abträglich war“, erläutert Saskia Müller.

Je nach Selbstverständnis oder Selbstbewusstsein der Gemeinde oder des Rabbiners arteten Streitigkeiten um geliebte Traditionen in Handgreiflichkeiten aus oder aber es wurden Strafen verhängt.

„Ob und wer unter Umständen dem Gottesdienst in Fürstenforst zu mehr ,Würde‘ verhelfen wollte, bleibt zu untersuchen“, so Saskia Müller. Die Inschrift lasse vermuten, dass die Auffassungen der Gottesdienst-Gestaltung aber auseinandergingen. „Jetzt wird erstmal geschwiegen, bis wir mehr wissen.“

Keine Kommentare