Mit Kälbern auf der Weide

Natürlich aufwachsen: So lebt Gelbvieh in Mutterkuhhaltung

6.10.2021, 09:49 Uhr
Hermann Neuser bei seinen Gelbvieh-Kühen und Kälbern auf der Weide.

© Anna Franck, NN Hermann Neuser bei seinen Gelbvieh-Kühen und Kälbern auf der Weide.

28 Tiere sind derzeit in Hermann Neusers Besitz, auf drei Weiden stehen sie verteilt. Ingo steht mit Kühen und Kälbern auf der Hauptweide, eine zweite – eine Ausgleichsfläche der Firma Knauf in Iphofen – begrasen Bullen und auf der dritten leben zwei weibliche Tiere und eine ältere Kuh – diese wird wohl in einigen Monaten geschlachtet. Seit 1958 steht die Familie im Herdbuch, die Abstammung wird hier durch den Fleischrinderzuchtverband Bayern, bei dem die Familie Mitglied ist, mit Sitz in Ansbach dokumentiert.

Hielt sie bis 1990 auch Milchkühe, hat sie danach auf Mutterkuhhaltung umgestellt. Generell sei Mutterkuh- und Milchkuhhaltung schwer vereinbar. Werden bei letzterer Milch und Fleisch vermarktet, kriege bei ersterer das Kalb die Milch. Der Schwerpunkt liege da beim Fleisch, erklärt Neuser, der beim Amt für Ernährung Landwirtschaft und Forsten Uffenheim-Fürth arbeitet und als Beirat im Vorstand der im Jahr 2015 gegründeten Interessensgemeinschaft deutscher Gelbviehzüchter agiert.

Die Kühe bleiben bei der Mutterkuhhaltung den Sommer über mit ihren Kälbern auf der Weide, erst im Herbst werden sie getrennt. Normal bleibe das Kalb nur zwei bis drei Tage bei seiner Mutter, erklärt Neuser, bekommt danach Biestmilch. Das sei billiger für die Betriebe. Natürlicher sei für die Kälber aber die Mutterkuhhaltung. Die Entscheidung dafür sei zum einen „innere Überzeugung“, sagt Neuser, zum anderen könne so das Grünland verwertet und veredelt werden. Im Sommer falle weniger Arbeit an, kontrolliert werden, ob alles in Ordnung ist, müsse aber dennoch. Wichtig sei, eine Beziehung zu den Tieren auf der Weide aufzubauen, sie langsam an den Menschen zu gewöhnen.

Geburt im Stall

Mitte März werden Neusers Tiere nach draußen auf die Weide gebracht, im vergangenen Jahr sei das letzte am vierten Advent zurück in den Stall gekommen. Geboren werden die Kälber im März und April – allerdings im Stall. Eine bessere Kontrolle sei so möglich, „auf der Weide findet man sie manchmal nicht mehr“, sagt Neuser. Einmal habe eine Kuh beispielsweise in der Nähe eines Baches geboren, das Jungtier stürzte hinein und ertrank.

Der Nachwuchs werde auf natürlichen Weg gezeugt, auf künstliche Befruchtung verzichten die Neusers. Alle zwei Jahre wird der Bulle auf der Weide gewechselt, um Inzucht zu verhindern. Die weiblichen Kälber werden als Zuchttiere verkauft, männliche gehen ebenfalls an andere Betriebe oder werden geschlachtet. Neusers Tiere sind genetisch hornlos, was praktisch sei, da genau das bei größeren Betrieben gefragt sei. Die Unfallgefahr sei geringer – bei Rangkämpfen im Stall, aber auch im Umgang mit Menschen.

Fränkische Rasse

Gelbvieh sei eine fränkische Rasse, die beispielsweise für hohe Zugleistung stehe, weshalb sie auch im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim zum Einsatz komme. Laut Rinderzuchtverband Franken gibt es 1119 Gelbvieh-Kühe im Herdbuch mit sogenannter Doppelnutzung. Nicht im Herdbuch geführte Gelbviehkühe gebe es kaum, sagt Neuser. Zwischen 400 und 500 Gelbviehkühe würden in Franken als Mutterkühe gehalten werden.

In Bayern existieren rund 8000 Betriebe mit Mutterkuhhaltung und rund 70.000 Mutterkühe. „Das ist nicht verbreitet“, sagt Neuser, sei erst in den 1950er-Jahren aufgekommen. Einen Aufschwung habe sie 1984 durch die Milchkontingentierung bekommen. Im Landkreis gebe es wenige Betriebe, die Mutterkuhhaltung betreiben. Viele Landwirte hätten ihre Flächen am Hof. „Als wir begonnen haben, waren wir der Exot“, sagt Hermann Neuser. Weidehaltung sei nicht üblich. „Geht das überhaupt?“, habe man ihn gefragt. Es geht, wie Hermann Neusers Beispiel zeigt.

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