Obernzenn und Egenhausen versinken im Hochwasser

30.5.2016, 18:57 Uhr
Land unter! Wohl dem, der den Humor nicht verliert. Angesichts dieser Naturgewalt waren die Bürger ohnehin machtlos.

© Vera Gröschl (dpa) Land unter! Wohl dem, der den Humor nicht verliert. Angesichts dieser Naturgewalt waren die Bürger ohnehin machtlos.

Kaputte Möbel stapeln sich auf den schlammbedeckten Straßen. Der Lärm von Hochdruckreinigern und Notstrom-Aggregaten hallt durch Straßenzüge, Höfe und die geöffneten Haustüren. Die Menschen sind geschafft – aber überraschend cool. Das verwundert angesichts der Nacht, die die Bürger von Obernzenn und Egenhausen hinter sich haben. Ein schlimmes Hochwasser hat hauptsächlich die beiden Orte am Sonntagabend heimgesucht. Die Folgen werden sie noch länger beschäftigen.

Handyvideos, die schon am Sonntagabend im Internet aufgetaucht waren, dokumentieren ein Naturereignis mit einem Ausmaß, wie es in den vergangenen Jahrzehnten kein Vergleichbares gab. Hüfthoch schoss eine braune Soße durch die Straßen von Obernzenn. "Es war unglaublich, die Straßen waren zwei Stunden lang mit nichts mehr passierbar", erzählt Rainer Weiskirchen, Pressesprecher der Landkreis-Feuerwehr, der vor Ort geholfen hat.

Über 200 Einsatzkräfte von Feuerwehr über Technisches Hilfswerk, Arbeiter-Samariter-Bund und Rotes Kreuz halfen mit, die Situation unter Kontrolle zu bringen – soweit das überhaupt möglich war. "Über den Eisenbach kam das meiste Wasser in den Ort", erklärt Bürgermeister Michael Heindel. Wann der erste Alarm losging, er weiß es nicht, er stand zu der Zeit bereits in seinem eigenen Keller und hat Wasser geschöpft. In den folgenden Stunden war er als aktives Mitglied der Feuerwehr Urphertshofen im Einsatz. Angesichts der Wassermassen musste selbst der Obernzenner See kapitulieren, "der See hat uns gut gehalten bis um 1, 2 Uhr nachts", sagt Heindel, dann aber sei dieser übergelaufen.

Gebrochen ist der Damm entgegen erster Meldungen nicht, betont Jan Ulrich Job vom Wasserwirtschaftsamt Ansbach. Durch den örtlich sehr begrenzten, aber sehr starken Regen konnte bis zu einem gewissen Punkt das Wasser abgepuffert werden, dann aber war das maximale Volumen des Sees erreicht, "das Wasser suchte sich den Weg". Da sich die Niederschläge auf "ein kleinräumiges Einzugsgebiet" beschränkten, hat sich der Hochwasser-Peak, wie Job ihn nennt, im weiteren Verlauf sukzessive abgeschwächt, die folgenden Zenngrundgemeinden wie Trautskirchen und Neuhof blieben weitgehend unberührt.

Auch das Gemeindegebiet von Obernzenn war nicht überall gleich betroffen, mit Ausnahme von Egenhausen wurden fast alle anderen Ortsteile verschont. Nur in Unteraltenbernheim liefen zenn-nahe Keller ebenfalls voll, erzählt Heindel. Vom See runter ins Dorf Übergelaufene Kanäle waren laut Weiskirchen kein Problem, auch er hat allein den vielen Regen in Verdacht. "In Egenhausen haben die Leute in einer Stunde drei Mal ihre Regenmessbecher geleert", versucht der Bürgermeister die Mengen zu beschreiben.

Von Egenhausen lief das Wasser weiter nach Obernzenn. Vom See schoss das Wasser bergab in den Ort, der angrenzende Fußballplatz des TSV Obernzenn stand komplett unter Wasser. Ein Indiz dafür, wie hoch der Pegel des Sees an seinem Höhepunkt gelegen haben muss. Selbst am Montagmittag war der See noch weit über seine Ufer getreten. Wie hoch das Wasser wirklich in Obernzenn stand, wird kaum je zu ergründen sein. Die nächste Messstelle der Zenn sei in Stöckach, erzählt Heindel.

Auch Job vom Wasserwirtschaftsamt kann hinsichtlich der Regenmengen keine konkreten Angaben machen. Die Wucht und Gewalt des Wassers lässt sich aber an den Schäden abschätzen. Zahlreiche Keller liefen voll und zerstörten alles, was dort gelagert war. Vor allem in Egenhausen wurden große Löcher in Straßen und Gehsteige gerissen. "Uns hat es voll getroffen. Das ganze Wasser ist praktisch mitten durch unseren Hof geschossen. Unser Keller und Erdgeschoss sind vollgelaufen", erzählt eine Anwohnerin kurz nachdem ein Mann ein offenbar ganz schlecht, direkt auf dem Gehsteig geparktes Auto vor ihrem Haus gestartet hatte.

Die Erklärung folgt sogleich: "Das Auto stand oben am Hang und wurde bis hier runter in die Ortsmitte gespült. Ein Wahnsinn." Schlimm erwischt hat es in Obernzenn Brigitte Moll. Auf den See als Hochwasserschutz hat sie vertraut, nun zeichnet sich im Inneren ihres Hauses an der Hauptstraße auf einer Höhe von gut einem Meter eine deutlich sichtbare Schmutzlinie ab. Ihr sechsjähriger Urenkel war dabei, sich für die Nacht fertigzumachen, als er sie auf das braune Wasser aufmerksam machte, erzählt sie. Plötzlich war das Wasser überall, im nächsten Moment habe es laut geknallt.

Die durch den Druck des Wassers aufgedrückte Hintertüre erwies sich für die beiden als Rettung: "Ich habe nur noch den Kleinen gepackt." Denn an einem kleinen Gartenmäuerchen im Eingangsbereich des Hauses konnte das Wasser nicht abfließen und staute sich auf. Vor dem außerdem angeschwemmten Morast musste am Sonntagabend selbst die Feuerwehr kapitulieren. Erst am Montagmorgen konnte das Gros des Wassers abgepumpt werden. Erst nach und nach wurde der komplette Schaden sichtbar, in der Küche liegen Schränke kreuz und quer, das blaue Sofa im Wohnzimmer ist wie der Rest des Mobiliars nicht mehr zu retten.

Lediglich die Schlafzimmer im Obergeschoss blieben verschont, die Nacht verbrachte Brigitte Moll dennoch bei Nachbarn, die ihr am Abend Unterschlupf gewährten. An Schlaf war freilich nicht zu denken: „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugekriegt.“ Von einem blauen Auge, mit dem die Filiale in Obernzenn davonkam, spricht Heinricht Reisenleiter, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Bad Windsheim. Ein Hagelkorn habe verhindert, dass sich die elektrischen Schiebetüren wieder schlossen.

Ungehindert konnte sich das Wasser darauf seinen Weg in das Innere der Bank bahnen. Den Dreck wegzuschaffen sei das eine gewesen, die Überprüfung das andere. Ob die Filiale am heutigen Dienstag wieder ihre Türen öffnen würde, war Montagnachmittag noch offen. Spätestens ab Mittwoch aber sollen wieder die regulären Öffnungszeiten gelten. Feuerwehr im Dauereinsatz Im Dauereinsatz waren die Feuerwehren. "Da war so viel Wasser, wir haben nur drei Keller geschafft", erzählt Uli Kiesewetter von der Obernzenner Wehr über seine Erlebnisse. Schon Sonntagabend habe er seinen Chef angerufen, dass er am Montag nicht zur Arbeit erscheinen werde. Helfen geht vor: "Der hat mir das gar nicht geglaubt, was ich ihm da erzählt habe, aber anders ging es nicht."

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