3000 historische Schallplatten digitalisiert

Schätze der fränkischen Volksmusik kommen ans Licht

Günter Blank

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11.2.2022, 06:02 Uhr
Forschungsstellenleiterin Dr. Heidi Christ (rechts) und Lena Grastat betrachten eine alte Notenhandschrift. Foto: Günter Blank (Foto: gb)

© Günter Blank, NN Forschungsstellenleiterin Dr. Heidi Christ (rechts) und Lena Grastat betrachten eine alte Notenhandschrift. Foto: Günter Blank (Foto: gb)

Wer hat wann wo mit wem warum welche Musik gespielt, gesungen oder getanzt? Antworten auf derlei Fragen liefern die Ergebnisse des Projekts „Traditionelle Volksmusik aus Franken“.Dreieinhalb Jahre lang wurde in der vor 41 Jahren gemeinsam von den drei fränkischen Bezirken gegründeten Forschungsstelle für fränkische Volksmusik (FFV) mit Sitz in Uffenheim daran gearbeitet.

Für jedermann online zugänglich sind die Resultate nun auf der Homepage des Projektpartners bavarikon, der Plattform für Kultur und Wissensschätze Bayerns der Bayerischen Staatsbibliothek unter www.bavarikon.de und in legamus – die Volksmusikdatenbank auf der Homepage der FFV (www.volksmusik-forschung.de).

Internationale Vorreiterrolle

Damit, so FFV-Leiterin Dr. Heidi Christ, nehme ihr Haus eine Vorreiterrolle bei der Online-Präsentation von Volksmusiksammlungen und -archiven ein – „in ganz Bayern, im Bundesgebiet und darüber hinaus“.

3000 historische Schallplattenaufnahmen und 200 „Kulturobjekte Notenhandschriften“, also Melodiebücher, Besetzungen, Stimmsätze und Partituren, wurden von den am Projekt mitarbeitenden Lukas Wittstatt und Lena Grastat aus dem weitaus größeren Bestand der Forschungsstelle aufbereitet und digitalisiert. Der Ethnologe und Musiker Wittstatt hat von Mai 2018 bis Ende Dezember 2019 Schellackplatten und deren Etiketten digitalisiert, Lena Grastat seit Mai 2020 bis vor Kurzem Notenhandschriften. Beide haben zudem zugehörige Metadaten eingegeben und vorhandene Daten aufbereitet.

Musikalische Volkskultur auf den PC

Das „feste Team“ der Forschungsstelle habe in allen Bereichen zugearbeitet, vor allem Recherchen zu Interpreten, Plattenlabels, Notenschreibern und Kapellen angestellt, die Schnittstelle zur Übergabe der Metadaten vorbereitet und Korrektur gelesen, erklärt Heidi Christ die Abläufe.

Ein historisches Notenblatt aus der Sammlung der Fränkischen Forschungsstelle für Volksmusik.

Ein historisches Notenblatt aus der Sammlung der Fränkischen Forschungsstelle für Volksmusik. © Günter Blank, NN

Wozu die ganze mühevolle Kleinarbeit? Heidi Christ gibt die Antwort: „Bisher gibt es keine Möglichkeiten, die Schätze regionaler musikalischer Volkskultur – kompakt und mit hohen wissenschaftlichen Standards präsentiert – auf den heimischen PC zu holen und zu nutzen.“

Mit dem Projekt soll sich das ändern und „die stetig wachsenden Sammlungen in den Bereichen historische Tonaufnahmen und Notenhandschriften/-drucke der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“, wie im Projektantrag zu lesen war. Bedeutsame Dokumente zur traditionellen Volksmusik einzelner Orte und Regionen Frankens könnten damit „von Laien und Experten recherchiert und zur Wahrung und Weitergabe des materiellen und immateriellen kulturellen Erbes an nachfolgende Generationen wahrgenommen werden“.

Eines der größten Notenarchive Bayerns

Dass sich ausgerechnet die Uffenheimer Forschungsstelle dieser Aufgabe angenommen hat, kommt nicht von ungefähr, besitzt sie doch eines der größten Notenarchive für historische Gebrauchsmusik in Bayern, eine repräsentative Sammlung an historischem Bild- und Tonmaterial, eine Instrumentensammlung und eine öffentlich zugängliche Fachbibliothek. Bereits seit November 2016 steht die Lieddatenbank der FFV zur Textsuche und professionellen Liedrecherche online zur Verfügung.

Mit der Beschreibung besagten Projekts macht Heidi Christ zugleich eine wesentliche Zielsetzung der Forschungsstelle deutlich. Es gehe weniger um das „Besitzen“ musikalischer Dokumente, sondern um „möglichst tiefe Erschließung und Kontextualisierung“. Die Nutzer sollten „möglichst viele Informationen zu den gesuchten Dokumenten erhalten“.

Tintenblei auf handgeschöpftem Papier

Dass es bei der Recherche eben jener Informationen immer wieder harte Nüsse zu knacken gilt, erfuhr Lena Grastat am Beispiel einer alten Notenhandschrift, deren Herkunft und Geschichte es zu klären galt und noch immer gilt. Mit Tintenblei auf handgeschöpftes Papier geschriebene Noten für Erste Violine als Bestandteil eines Streichquartetts sind es wohl, die Noten für die anderen Instrumente waren im Nachlass nicht enthalten.

Im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim findet jährlich ein Tag der Volksmusik statt.

Im Fränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim findet jährlich ein Tag der Volksmusik statt. © Gerhard Meierhöfer, NN

Doch Lena Grastat lässt nicht locker, verfolgt die Herkunft des verwendeten Papiers zurück auf die Zeit um 1814, agiert als Wasserzeichen-Detektivin („Ich bin der Freak hier, was Wasserzeichen betrifft“) und kann eine Papiermühle in Georgensgmünd als dessen Entstehungsort ausmachen.

Umfeld des Bischofs und des Markgrafen

Was die Suche nach früheren Besitzern anbelangt, führen Spuren in das Umfeld des letzten Ansbacher Markgrafen ebenso wie zum Würzburger Bischofssitz. Für Grastat existiert nicht nur das „offensichtlich Erfassbare“ von Noten, sie kann auch „zwischen den Seiten lesen“ und so etwa Rückschlüsse auf Alter und Übungsgrad des Notenschreibers ziehen.

Besagte Handschrift, hat es zwar nicht mehr rechtzeitig in das bavarikon-Projekt geschafft. Für Heidi Christ ist sie aber Beispiel dafür, „dass in Uffenheim noch sehr viel mehr Dokumente vorhanden sind, dass noch viel spannende Arbeit auf uns wartet und sich das Kaleidoskop ständig um neue Elemente erweitern und zu immer interessanten Bildern und Blickwinkeln erweitern wird“.

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