Brandanschlag in Vorra: "Wir werden das rausbekommen"

24.1.2015, 06:00 Uhr
Brandanschlag in Vorra:

© Sebastian Linstädt

Vor sechs Wochen herrschte im beschaulichen Pegnitztal auf einmal der Ausnahmezustand: Hundertschaften der Polizei und zahllose Einsatzfahrzeuge machten ein Durchkommen in Vorra (Kreis Nürnberger Land) fast unmöglich. Am Tag nach dem nächtlichen Brandanschlag auf drei geplante Asylunterkünfte, bei denen wegen Schmierereien von einem rechtsextremen Hintergrund ausgegangen wird, glich die 1700-Seelen-Gemeinde einem Ameisenhaufen. Innenminister Joachim Herrmann flog gar mit dem Helikopter ein.

Anderthalb Monate später ist nur noch wenig von der Anspannung Mitte Dezember zu spüren, als Vorra auf einmal in den Blickpunkt des überregionalen Medienkarussells rückte. Der ehemalige Gasthof ist zum Teil eingerüstet und wird wiederhergerichtet, nur ein paar Schmauchspuren an der Rückfassade und einige schlaff herabhängende Absperrbänder der Polizei wirken fehl am Platz. Fenster und Türen wurden mit Spanplatten verschlossen, die Hakenkreuz-Schmierereien übertüncht.

Ein paar Schritte weiter hängt an einem Bäumchen direkt vor dem Rathaus gut sichtbar ein Briefkasten mit der Aufschrift „Soko Vorra“. Er ist zusammen mit den zahlreichen Fahndungsplakaten das einzige Anzeichen dafür, dass die Stille trügerisch ist: Nicht weniger als 30 Mitarbeiter zählt die unter Hochdruck arbeitende Sonderkommission (Soko), die in den Tagen nach dem Anschlag zusammengetrommelt wurde – ungewöhnlich viel für ein Brandstiftungsdelikt.

Das Gesicht der Soko Vorra

„Ich bin seit dem 18. Dezember hier vor Ort“, erklärt Hauptkommissar Bruno Meixner. Er sitzt an einem alten Schreibtisch im Archivraum im ersten Stock des Rathauses. Hinter ihm Aktenschränke, auf denen ein paar Diaprojektoren vor sich hinstauben, vor ihm ein Laptop. Meixner ist das Gesicht der Soko in Vorra. Er ist Ansprechpartner, sichtet Fotoaufnahmen und nimmt Hinweise auf – auch anonym, dafür gibt es den Briefkasten. Rund 25 Leute waren schon bei ihm und haben etwas zu berichten gehabt. Die ersehnte heiße Spur sei bislang nicht dabei gewesen.

Dennoch hält Meixner seine „Stallwache“ für eine sinnvolle Einrichtung, weil er so „viel leichter mit den Menschen in Kontakt komme“. Etwas Vergleichbares habe es seines Wissens noch nie bei einer Soko gegeben, meint Meixner, der normalerweise im Kommissariat 2 bei der Kripo Schwabach seinen Dienst verrichtet. Nun ist er tagtäglich in Vorra, auch an Samstagen – wohl noch bis Ende nächster Woche.

„Am Anfang war der Andrang natürlich schon größer, viele Anwohner wollten wohl einfach auch mal sehen, was ich hier so mache“, sagt Meixner fröhlich. Ihm gefällt der Außeneinsatz gut. „Ich bin hier sehr nett aufgenommen worden und werde mittlerweile ganz oft mit Namen gegrüßt wenn ich eine kleine Runde durch den Ort drehe“, erzählt der 53-Jährige, der seit 1977 als Polizist arbeitet und seit 1989 bei Kripo ist.

Manchmal werde er schon darauf angesprochen, warum die Ermittlungen noch kein Ergebnis gebracht hätten. „Aber das ist so mit Ermittlungen – die brauchen eben ihre Zeit“, meint Meixner. Zumal im Fall dieser Brandstiftung in wirklich jede Richtung ermittelt werde – nicht nur in die offensichtliche. Dass es sich bei den Hakenkreuzen nur um ein Ablenkungsmanöver gehandelt habe, sei ebenso wenig auszuschließen wie ein knallharter fremdenfeindlicher Hintergrund.

Entschlossenheit bei den Ermittlern

„Wir werden das rausbekommen“, ist Meixner überzeugt. Was macht ihn so zuversichtlich? „Das hochmotivierte Team“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. Teil der Soko Vorra zu sein, macht Meixner ganz offensichtlich stolz. Vorerfahrung mit Sonderermittlungen hat er durchaus: So leitete er 2013 die Ermittlungskommission (Eko) „Brot“ der Kripo Schwabach, die eine Überfallserie auf Bäckereifilialen in Mittelfranken aufklären konnte. „Wenn wir die Täter von Vorra geschnappt haben, wird die ganze Soko in einem nahegelegenen Gasthaus eine Abschlussbesprechung machen“, sagt Meixner siegessicher.

Diese Entschlossenheit kommt zwei Türen weiter gut an: Volker Herzog ist seit 19 Jahren Bürgermeister von Vorra – doch etwas Vergleichbares wie die Nacht auf den 12. Dezember hat er in seiner Gemeinde noch nicht erlebt. „So ein Medienaufgebot sind die Leute im Dorf nicht gewöhnt“, meint der SPD-Mann und fügt schief grinsend hinzu: „Es wäre uns allen wohler gewesen, wenn die Gemeinde in anderer Form bundesweit vorstellig geworden wäre.“ Doch sei er stolz auf die Bürger, die vom ersten Tag an mit einer „Jetzt-erst-recht-Mentalität“ deutlich Farbe für die Flüchtlinge und für ein buntes Vorra bekannt hätten – allen voran der vom Pfarrersehepaar Björn und Julia Schukat initiierte Helferkreis.

Besagter Helferkreis sei auch eine tragende Säule dafür, dass das Zusammenleben mit den Flüchtlingen, die bereits im Ortsteil Alfalter untergebracht seien, gut funktioniert. „Mir sind noch nie Klagen zu Ohren gekommen“, sagt Herzog. Nun will das Gemeindeoberhaupt nach vorne blicken: Bis Mitte des Jahres sollen die beschädigten Unterkünfte fertiggestellt sein und die Flüchtlinge endlich doch noch einziehen. „Hoffen wir, dass der Fall bis dahin geklärt ist.“

Hauptkommissar Bruno Meixner hält für die Soko in Vorra die Stellung und fühlt sich gut aufgenommen.

Hauptkommissar Bruno Meixner hält für die Soko in Vorra die Stellung und fühlt sich gut aufgenommen. © Sebastian Linstädt

Stundenlanger Einsatz an der Brandstelle

Margit Leimberger mag sich dem Optimismus nicht uneingeschränkt anschließen: „Ich glaube eher nicht, dass das noch aufgeklärt wird“, glaubt die Betreiberin des Heuhotels Fischbeck, das an der Hauptstraße unmittelbar gegenüber den Tatorten liegt. „Wir dachten schon, die Feuerwehr steht bei uns im Hof“, erinnert sich Leimberger an jene unvergessliche Dezembernacht. Ehemann Erwin und die Söhne Felix und Nikolai sind bei der Freiwilligen Feuerwehr engagiert – und waren stundenlang im Einsatz. „Dass es Brandstiftung war, war uns spätestens klar, als das dritte Gebäude auch noch brannte“, meint Leimberger. Dennoch konnte sie die Tragweite des Geschehnisses noch „bestimmt eine Woche“ nicht richtig begreifen.

Sie ist davon überzeugt, dass die Täter die Objekte sehr bewusst wählten und sich auskannten. „Ich komme mit geführten Nachtwanderungen für Kinder ab und zu da hinten vorbei“, schildert sie: „Zwischen dem alten Gasthof und dem Friedhof ist es stockdunkel, richtig gruselig.“ Deswegen hält sie es für wahrscheinlich, dass die Täter einfach nicht beobachtet werden konnten und demzufolge die Tat nie aufgeklärt wird. „Sonst wäre doch in der ersten Woche gleich was passiert“, meint Leimberger.

Die auf den Anschlag folgende Ausnahmesituation sei für den Ort belastend gewesen. Umso wichtiger sei das klare Signal gewesen, das von den Bürgern mit der Lichterkette gesetzt worden sei, lobt Leimberger, die selbst auch Teil des Helferkreises ist. „Unsere Pfarrersleut’ sind echt über sich selbst hinausgewachsen!“

2 Kommentare