Prozess um Bluttat in Lauf: "Ein Pakt mit dem Teufel"

9.9.2020, 06:00 Uhr
Prozess um Bluttat in Lauf:

© Foto: Nicolas Armer/dpa

Sarah D. flehte (33) um Hilfe: Sie fühle sich von ihrem Geliebten Christian und ihrem Ehemann Horst bedrängt, so schrieb sie ihrem zweiten Liebhaber Michael am 26. Juni 2019, sie hoffe, "beide sind bald weg". Drei Wochen später, am 14. Juli, fand ein Pilzsammler morgens um 7.20 Uhr im Wald zwischen Lauf und Schönberg im Nürnberger Land den Leichnam von Christian B. (27); der Körper wies 27 Stiche und massive Kopfverletzungen auf, in Büschen und auf einem Weg klebte in einem Radius von eineinhalb Metern Blut.

Ein Verbrechen, das mutmaßlich das Ende einer aus dem Ruder gelaufenen Dreiecksbeziehung markiert: Ein Jahr später sitzen Sarah D. und Michael M. (32) vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth – die Frau soll Michael M. angestiftet haben, erst Christian B. und anschließend ihren Ehemann Horst D. (48) zu töten.

Michael M. verweigert die Aussage

Hat der aufmerksame Pilzsammler gar einen zweiten Mord verhindert? Die Polizei nahm Michael M. noch am Abend des Tattages fest, möglicherweise, bevor er erneut zuschlagen konnte.

Christian B. wurde in jener Nacht zwischen 1 Uhr und 1. 49 Uhr ermordet. Um 7.20 Uhr stieß der Pilzsammler auf den Leichnam, um 20.25 Uhr wurde M. abgeführt – das Handy des Opfers lag am Tatort, die Polizei wertete die letzten Anrufe aus und die Spur führte zu Michael M..

Nun sitzt er vor der Schwurgerichtskammer und verschanzt sich hinter Schweigen. "Mein Mandant nutzt sein Recht, die Aussage zu verweigern", erklärt Verteidiger Jürgen Pernet, und Michael M., ein Mann mit Glatze und fülliger Figur, sitzt mit gekrümmten Rücken im Saal und lässt die Schultern hängen.

Die Indizien lasten schwer auf ihm: In ersten Befragungen durch die Polizei verstrickte er sich in Widersprüche, in seinem Auto fanden sich Blutspuren des Opfers und die Mordpläne konnten die Ermittler Wort für Wort nachlesen, Sarah D. und Michael M. schmiedeten sie per SMS.

Hörig bis zur "Selbstaufgabe"

Wie konnte es nur soweit kommen? Michael M. und Sarah D. hatten bereits früher eine Affäre, doch im Frühjahr 2019 lebte M. in der Hansestadt Stendal in Sachsen-Anhalt, er war frisch verheiratet. Und doch, davon ist Staatsanwalt Simon Kroier überzeugt, war M. seiner früheren Freundin Sarah D. hörig bis zur "völligen Selbstaufgabe".

Im Mai 2019 beteuerte M. über Facebook und Whatsapp, sie so sehr zu lieben, dass er eine "Garantie" aussprach, ihr "alles, was sie verlange", zu geben – und so zog er im Juni 2019 nach Lauf a.d. Pegnitz, bezahlte Sarah D. ein Handy im Wert von 300 Euro und versprach ihr 3000 Euro. Dabei gab Sarah D. seinem Werben zunächst nicht nach. Zwar bestand ihre Ehe mit Horst D. nur noch auf dem Papier, doch ihr Leben in dessen Haus gab sie nicht auf. Gleichzeitig war sie mit Christian B. liiert, und im Raum stand die Idee, mit ihm nach Kroatien auszuwandern.

Michael M. wohnte einen Monat in Lauf, als sich die Stimmung seiner Herzdame wandelte: Ab Juni schickte sie ihm Herzchen, warf ihm virtuell Kussmund um Kussmund zu und heizte die Stimmung an: Ihr Ehemann solle "verschwinden", damit sie "Ruhe" habe, ihr Geliebter Christian B. solle "mit dem Auto gegen den Baum fahren und verrecken".

"Ein Pakt mit dem Teufel"

Am 18. Juni schrieb sie, die beiden sollen "verschwinden, weißt, wie ich meine". Ankläger Kroier ist sicher: M. wusste, wie es Sarah D. meinte. Wären die Nebenbuhler erst weg, könnte sie mit Michael M. im Haus ihres (getöteten) Ehemanns bleiben.

Warum sie ihre Männer nicht einfach verließ? Auch dies erklärte Sarah D.: Sie sei im Sternzeichen Krebs geboren, daher "einfühlsam" und könne "niemanden im Stich lassen".

Sie sei die treibende Kraft des Mordkomplotts, behauptet die Anklage – 50 Nachrichten schickte Sarah D. an Michael M., bis für ihn ein Mord auch moralisch möglich wurde: Denn Christian B. sei, wie ihm die Frau erklärte, ein Raser. "Er fährt so schlimm, er bringt noch welche um".

Man muss also "was machen", schrieb sie und Michael M. fabuliert davon, dass er nun "einen Pakt mit dem Teufel" schließen werde. Wenn Christians Verhalten im Straßenverkehr eine Gefahr darstellt, erweist er der Menschheit mit einem Mord quasi einen Dienst – beflügelt von dieser kruden Logik suchte Michael M. nach Darstellungen des Erzengel Michael.

Ein Bild gefiel ihm besonders: Der Erzengel thront über dem Teufel und sticht ihm ein Messer ins Herz. Er schickte dieses Bild Sarah D., schwärmte von einem Tattoo. In jener Nacht suchte er im Internet auch nach Begriffen wie "tödliche Messerstiche" und "zu Tode geprügelt". Zehn Tage später soll er Christian B. umgebracht haben.

44 Zeugen sollen aussagen

Der Strafprozess soll aufgrund der umfangreichen Beweisaufnahme mit 44 Zeugen bis Dezember dauern.

Ein Mordkomplott – oder eine Anklage voller Spekulation? Der Prozess hat ungewöhnlich begonnen: Malte Magold, Verteidiger von Sarah D., eröffnet mit einer langen Erklärung. Alle Vorwürfe der Anklage seien falsch, die Verschwörung zu einem Mord entspringe allein der "Fantasie der Staatsanwaltschaft".

"Moralisch" sei das Verhalten der Angeklagten Sarah D. und auch ihr "komplexes Beziehungsgeflecht sei höchst fragwürdig", doch sie habe Michael M. nicht angestiftet, zu töten.

Kein Satz, den sie geschrieben habe, sei aus juristischer Sicht als Aufforderung zum Mord zu verstehen. Vielmehr habe sich von den drei Männern "bedrängt" gefühlt, deren Eifersucht habe sie genervt.

Wenn sie an Michael M. schreibt, "die beiden müssen weg", seien diese Formulierungen "ein wenig blöd", aber nur Ausdruck ihrer Überforderung. Ein Motiv, Christian B. zu töten, habe sie nicht gehabt, dessen Tod weder gewollt, noch in Kauf genommen und schon gar nicht habe sie Michael M. dazu angestiftet. Freundschaftlich sei ihr Verhältnis zu Michael M. gewesen, eine Beziehung habe sie nie mit ihm gewollt. Michael M. habe verlangt, dass sie ihre Ehe und ihren Liebhaber aufgibt.