Rückersdorf: Familien müssen für Straßenausbau blechen

3.5.2017, 21:18 Uhr
Rückersdorf: Familien müssen für Straßenausbau blechen

© Cichon

Stephani Uebler ist mehr als sauer: Sie und ihr Freund Fabian Enke müssen mit rund 78.000 Euro den größten Anteil für die Erschließung der Straße zahlen. "Ich bin fast ohnmächtig geworden, als ich gehört habe, wie viel wir zahlen müssen. Das Geld haben wir nicht. Wir müssen jetzt einen Kredit aufnehmen", sagt die 24-Jährige. Das Paar wusste, dass es für den hinter ihrem Grundstück liegenden Dachsberg möglicherweise einmal Erschließungskosten zahlen muss. Aber dass diese so hoch ausfallen, haben sie niemals erwartet. Auch die anderen fünf Anlieger, überwiegend Familien mit Kindern, werden mit 35.000 bis 61.000 Euro kräftig zur Kasse gebeten.

Wie kam es dazu? Die Gemeinde hat den Straßenabschnitt zwischen der Hirschberg­straße und Am Waldfriedhof im Westen des Ortes bis heute nicht als Straße angelegt. Warum die Kommune das in der Vergangenheit versäumte, kann sich Bürgermeister Manfred Hofmann auch nicht erklären. Es wäre aber so schnell wohl auch nicht dazu gekommen, hätte sich nicht ein Anwohner 2014 bei der Gemeinde gemeldet und beantragt, die Straße bis zu seinem Grundstück zu asphaltieren.

"Keine andere Wahl"

Zwei Jahre dauerte es dann, bis der Gemeinderat die Erschließung der Straße beschloss. In der jüngsten  Sitzung vergab er den Bauauftrag. "Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen die Straße jetzt anlegen. Wenn dort Baurecht erteilt wurde, müssen auch die Straßen erschlossen sein", sagt Hofmann. Er räumt aber ein, dass die Kosten geringer gewesen wären, hätte die Gemeinde die Straße schon früher erschlossen. "Manchmal muss man als Bürgermeister auch unliebsame Entscheidungen treffen", bedauert der Bürgermeister die Situation.

Das hilft den sechs betroffenen Anwohnern nur wenig. Die Straße soll insgesamt rund 330.000 Euro kosten. Nach der Erschließungsbeitragssatzung der Gemeinde müssen die Anlieger 90 Prozent davon selbst zahlen. Die restlichen 33.000 Euro übernimmt die Gemeinde. Den Großteil von rund 245.000 Euro macht der Bau der Straße aus: die Fahrbahn, der Kanal für das Regenwasser, die Beleuchtung, die Parkplätze und der Gehweg.

Stephani Uebler und ihren Partner treffen die Kosten sehr hart. Fabian Enke erbte das Haus, das 1954 gebaut wurde, von seiner Oma. Seit neun Jahren lebt er darin und vor etwa zwei Jahren zog Uebler zu ihm. "Wir müssen noch viel am Haus machen, zum Beispiel die Bäder. Jetzt haben wir auch noch einen Wasserschaden im Keller. Dafür hatten wir das Geld eingeplant", sagt Uebler.

Wie hoch der jeweilige Anwohneranteil am Gesamtbetrag ist, richtet sich nach der Grundstücksgröße. Fünf Anwohner haben bereits Zufahrten an der Hirschbergstraße, Finkenlache oder Am Waldfriedhof und haben daher schon für die jeweilige Straße Erschließungskosten gezahlt. Dadurch verringert sich deren Anteil um ein Drittel.

Dass die Anwohner jetzt dennoch so viel Geld in die Hand nehmen müssen, hat mit der Lage des Dachsbergs zu tun. Könnte die Gemeinde auf der anderen Straßenseite Baugrund ausweisen, würden sich die Beiträge weiter verringern, weil für neue Baugrundstücke auch Erschließungskosten anfallen. "Dort darf aber nicht gebaut werden, weil dahinter der Reichswald liegt und der ist Bannwald", erklärt Bürgermeister Hofmann und fügt hinzu: "Wir können den Anwohnern nur eine Ratenzahlung anbieten."

Das tröstet Stephani Uebler nur wenig: "Das ist ein nettes Angebot, aber uns das in dem Moment zu sagen, wo wir von den hohen Kosten erfahren haben, war unangebracht." Sie kritisiert außerdem die Informationspolitik der Gemeinde. Denn die Anwohnerversammlung, bei der die Gemeinde die sechs Anlieger über die Kosten informiert hatte, war nur eine Woche vor der Vergabe des Bauauftrags angesetzt worden. Vorher hörten sie in Sachen Kosten nie einen Ton aus dem Rathaus.

Zudem hatte die Gemeinde die einzelnen Kostenpunkte nicht genau aufgeschlüsselt. "Die geplanten Parkplätze beispielsweise brauchen wir nicht", sagt Uebler und fügt hinzu: "Jetzt kann man es nicht mehr rückgängig machen, aber ich hätte mir gewünscht, dass wir alle mehr einbezogen worden wären."

Viele Schlaglöcher

Auch Ueblers Nachbar Frank-Michael Hecke, selbst Auslöser des  Ausbaues, sieht das ähnlich: "Wir wurden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Die Gemeinde hätte vor der Planung der Straße mit uns sprechen müssen." Seine Einfahrt liegt als einzige der sechs Grundstücke am geschotterten Dachsberg. Für ihn sei der Zustand der Straße nicht mehr hinnehmbar gewesen und deshalb wandte er sich 2014 an die Gemeinde. "Die Straße ist voll von Schlaglöchern und bei Regen bilden sich riesige Pfützen. Auch Wildparken ist ein Problem", so Hecke weiter.

Er zahlt mit etwa 61.000 Euro den zweithöchsten Anteil an den Erschließungsbeiträgen. Es sei gut, dass die Straße komme, aber auch er sei von der Höhe der Kosten vollkommen überrascht worden. "Deswegen kann ich gut verstehen, wenn meine Nachbarn sauer sind", sagt er. Er habe sich einen Anwalt genommen und Bürgermeister Hofmann gebeten, dass die Gemeinde einen größeren Anteil an den Kosten übernimmt.

"Eine Abrechnung der Kosten im Verhältnis von 90 zu 10 ist üblich. Bei der Erschließung einer Straße muss die Kommune die Kosten abrechnen. Das ist in Lauf auch nicht anders", erläutert Elke Neidel vom Laufer Bauamt. Bevor sie dort anfing, war die Expertin 20 Jahre lang bei der Rechtsaufsichtsbehörde des Landrats­amts. Diese überprüft, ob Beschlüsse der Kommunen rechtens sind. Im Laufer Ortsteil Kotzenhof etwa habe man für eine Erschließung rund 25 bis 30 Euro pro Quadratmeter neuer Straße verlangt.

In Rückersdorf sind die Kosten aber viel höher. Daher empfiehlt Neidel den Anwohnern, sich die Kosten von der Kommune genau aufschlüsseln zu lassen und zu überprüfen, ob alle Teile der Straße wirklich notwendig sind. "Man kann auch von der Rechtsaufsicht überprüfen lassen, ob eine Kommune alles richtig gemacht hat. Das kostet auch nicht allzu viel", sagt Neidel.

Die Nachbarn wollen jetzt an einem Strang ziehen. "Im ersten Moment war ich schon böse auf Herrn Hecke, aber ich kann jetzt nachvollziehen, warum er die Straße will", sagt Stephani Uebler und fügt hinzu: "Wir haben uns inzwischen damit abgefunden, dass die Straße gebaut wird, aber mit der Höhe der Kosten sind wir immer noch unzufrieden."

Auf Nachfrage der Pegnitz Zeitung meinte Bürgermeister Manfred Hofmann, dass die Gemeinde momentan von einem Anwalt prüfen lasse, ob die Kommune mehr Kosten übernehmen kann. Den Anwohnern bleibt vorerst nichts anderes übrig, als auf den Vorleistungsbescheid zu warten und Widerspruch dagegen einzulegen. Danach wollen sie sich weitere Schritte überlegen, so Stephani Uebler. "Eine Klage wäre schon happig, aber wir wollen nichts unversucht lassen."

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