Allersberger BI sieht statt Transparenz ein "Schwarzes Loch"

24.1.2020, 15:41 Uhr
Allersberger BI sieht statt Transparenz ein

© Foto: Unterburger

Dr. Norbert Schäffer, der Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz (LBV) in Bayern, moderierte nach den Fachvorträgen die relativ kurze Diskussion mit dem Publikum. In einem einleitenden Statement stellte Carsten Hüglin die Stellungnahme der Bürgerinitiative, die zu der Veranstaltung geladen hatte, hinsichtlich der beiden Industriegebiete vor: Der Marktrat Allersberg habe am 20. August 2018 beschlossen, dass die beiden Areale eine Gesamtfläche von 33,5 Hektar haben sollen. Dies entspreche einem Flächenverbrauch von 46 Fußballfeldern. Rechne man die nötigen Straßen und Zufahrtswege hinzu, komme man auf eine Gesamtfläche von 33,5 Hektar versiegelte Fläche. "Da dürfte Allersberg vermutlich an der Spitze stehen", kritisierte Hüglin.

8300 Fahrzeugbewegungen am Tag

Der sprach auch von einer "unumkehrbaren Flächenversiegelung" und einem "Ausverkauf der Heimat". Hüglin: "Wir leben an einem angrenzenden Wasserschutzgebiet, mit dem 140.000 Menschen versorgt werden." Das Industriegebiet löse hohe Emmissionsbelastungen aus. Im geplanten Gebiet seien zwei Biotope. "Sie werden verschwinden oder vernachlässigt werden", kündigte Carsten Hüglin an.

Das Industriegebiet West 1 umfasse 14 Hektar und sei als Logistikzentrum geplant, West 2 umfasse eine Fläche von 9,53 Hektar. Die Kreisstraße, die in Richtung Harrlach führt, solle verlegt werden. Man rechne mit 8300 Fahrzeugbewegungen täglich. Diese Lkw-Kolonne entspreche in ihrer Länge der Strecke Allersberg-Erlangen. "Der bestehende Kreisverkehr 04 wird verschwinden", informierte Carsten Hüglin, "wir werden eine Ampelanlage bekommen." Das Verkehrsaufkommen von 19.000 Fahrzeugen am Tag auf der Strecke von Allersberg nach Roth werde zu einem Verkehrskollaps am Kreisel führen, prognostizierte er: "Bei Allersberg geht dann nichts mehr!"

Der Vorhabensträger West 1 sei die Firma P3 Logistic Parks. Diese entwickle als Investor den "Industriepark Allersberg". Der Markt Allersberg habe dann keine Einflussmöglichkeiten mehr: "P 3 wird entscheiden, wer Steuern zahlt", warnte Hüglin. Aber: "Wird P 3 Gewerbesteuer zahlen?" Auch Amazon sei nur ein "minimaler Steuerzahler". Hüglin zitierte Karl Scheuerlein von der Unternehmerfabrik, der gewarnt hatte: "Allersberg ist dabei, auf einen Schlag an einen Staatsfonds zu verkaufen." Man verspiele die Langfristigkeit.

Wer hat die Kontrolle?

"Amazon wird von der Marktgemeinde vehement verneint", mahnte Hüglin mangelnde Transparenz an, "erst durch den Antrag des zweiten Bürgermeisters Thomas Schönfeld, nicht an P3 Logistic Parks und nicht an Amazon zu verkaufen, wurde klar von Amazon gesprochen." Kritisch setzte sich Carsten Hüglin auch mit dem Kommunalunternehmen (KU) auseinander. "Rechtlich gesehen ist das KU eine selbstständig handelnde Firma", so Hüglin, "es hat aber keine veröffentlichte oder bekannte Satzung – für uns von der Bürgerinitiative ist das KU momentan ein Schwarzes Loch."

"Wie kann es sein, dass unsere Markträte komplett die Kontrollfunktion aus der Hand gegeben haben?", fragte Carsten Hüglin und zitierte anschließend aus den Stellungnahmen des Landratsamtes und des Bebauungsplans. So spreche das Landratsamt von "deutlich überorganischen Flächengrößen", von gravierenden Folgen der industriellen Ansiedlung, von einer hohen Verkehrsbelastung und von "Monostrukturen".

Man brauche eine hochwertige Bauleitplanung. Dieser Anspruch sei aber nicht erkennbar. Eine grundsätzliche, inhaltliche Überarbeitung der zwei Planungskonzepte werde vom Landratsamt dringend empfohlen. Auch der Landrat habe geäußert, Flächen teuer zu verkaufen, sei keine gute Politik. "Ein Industriegebiet muss als Fremdkörper beurteilt werden", heiße es in der Stellungnahme zum Bebauungsplan. Man schlage eine "gegliederte und flächenteilige Gewerbenutzung" vor. Der Planung könne nicht zugestimmt werden.

"Unumkehrbarer Verlust"

"Wir sagen Ja zur Gewerbesteuer, aber sie muss im richtigen Verhältnis gezahlt werden", forderte Carsten Hüglin. Die Gewerbesteuer sei leider nicht immer eine verlässliche Einnahmequelle. "Wollen wir das Erreichte aufs Spiel setzen?", fragte Hüglin. Allersberg sei ein attraktiver Wohnort, neue Baugebiete würden ausgewiesen. Ergo: "Allersberg ist nicht schlecht, wir sollten uns das bewahren." Und: "Für mich kommt nur ein Gewerbegebiet infrage, ein Industriegebiet geht nicht." Es müsse etwas gemacht werden, ja, aber nicht im Hauruck-Verfahren.

Carsten Hüglin prangerte den "gigantischen Flächenverbrauch" und die "sehr hohen Erschließungskosten" an. Der Verlust an Natur und Landschaft stelle einen "unumkehrbaren Verlust" dar. "P 3 Logistic Parks und Amazon geht gar nicht."

Man fordere einen vollständigen Verzicht auf das Industriegebiet West 1, sage aber "Ja" zu einem Gewerbegebiet, fasste Carsten Hüglin die Position der Bürgerinitiative noch einmal zusammen, "wir wollen langsam mit acht Hektar wachsen. Wir brauchen eine gute Lebensqualität, wir brauchen örtliche Betriebe und keine weltweit agierenden Konzerne, wir wollen keine Monostrukturen, sondern ein Gewerbegebiet, das für Allersberg passend ist und langfristig Steuereinnahmen garantiert."

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Josef Göppel aus Herrieden, Vorsitzender des Deutschen Verbands für Landschaftspflege (DLV), sprach gleich das Thema "Ausverkauf der Heimat" an: Großflächige Gewerbebauten würden den "Landescharakter" Bayerns zerstören, meinte er. "Da schießt was ins Kraut, wir erleben eine Hybris und haben eine monotone Globalisierung".

"Tempel unserer Zeit"

Laut einer Studie des Leibnitz-Instituts für ökologische Raumentwicklung "Landscape and Urban Planning" vom November 2019 sei Deutschland von einem zusammenhängenden Netz aus Gebäuden bedeckt. Die Siedlungs- und Verkehrsfläche betrage 4,9 Millionen Hektar; das seien 13,8 Prozent oder ein Siebtel der Fläche Deutschlands. Der Niedrigzins dränge in Sachanlagen, führe zu einer Neubauwelle und zu einem "Wettrennen" der Bürgermeister. Logistikhallen seien "die Tempel unserer Zeit", unterstrich Göppel. Das Fünf-Hektar-Ziel wäre ohne Konkretisierung nicht wirksam. In Bayern bedeute es eine Halbierung des Flächenverbrauchs, so Göppel, "ländliche Räume haben Entwicklungschancen", der Richtwert müsse eingehalten werden.

Auch Landtagsabgeordnete Barbara Fuchs von Bündnis 90/Die Grünen, wirtschaftspolitische Sprecherin und Mittelstandsbeauftragte ihrer Partei sowie Leiterin des Arbeitskreises Wirtschaft, erinnerte daran, dass das Fünf-Hektar-Ziel zwar im Koalitionsvertrag niedergeschrieben worden sei, aber nicht konsequent umgesetzt werde. "Ich bin dafür, im Einzelfall differenziert hinzuschauen", sagte sie. Und der Einzelfall Allersberg sei von der Bürgerinitiative "sehr genau behandelt worden. Ich kann nicht verstehen, wie ein Bürgermeister so resistent sein kann."

Gewerbe müsse nachhaltig sein, forderte Fuchs. Ein guter Betrieb sei regional, er biete vor Ort Arbeitsplätze sowie Ausbildungsmöglichkeiten und zahle Gewerbesteuer zahlen, insistierte die Politikerin. "Man darf nicht alles kaputt machen, was da ist."

Ausverkauf der Heimat?

Ein regionales Gewerbe stehe für nachhaltiges Wirtschaften, ein Industriegebiet sei "absurd, geht gar nicht". Und: "Ich lehne P3 Logistic Parks und amazon ab." P3 sei ein Unternehmen aus Singapur, das raumvernichtend arbeite. Man dürfe sich nicht der Illusion hingeben, partnerschaftlich zu kooperieren.

Zu amazon meinte Barbara Fuchs: "Wer glaubt an den Osterhasen?" Amazon biete mitnichten "ordentliche" Arbeitsplätze, habe riesige, computergesteuerte Lagerhallen, in denen statt Menschen, Roboter schaffen. Amazon biete keine Wertschöpfung vor Ort und werde irgendwann nur noch zentral gesteuert. Ihre Schlussfolgerung lautete mithin: Allersberg betreibe "keine seriöse Haushaltspolitik", zumal man "hinter verschlossenen Türen ganz genau gewusst" habe, "was es mit amazon auf sich hat". Und: "Wenn die beiden Bürgermeister von Allersberg nicht an einem Strang ziehen, dann ist das schlecht für die Menschen". kritisierte die Grünen-Abgeordnete. "Ich bin für nachhaltiges Wirtschaften". Ein kleines, mittleres Gewerbegebiet stehe für "ein Geben und Nehmen".

Auch Andrea Dornisch, Mitbegünderin von "Zivilcourage Roth-Schwabach", warnte vor P3 Logistic Parks. Oft werde seitens des Unternehmens mit Klagen gedroht. "Man kauft die Katze im Sack und weiß nicht, was drin ist", warnte sie. Ihr eindrückliches Statement: "Ich will keinen Ausverkauf der Heimat".

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