Überflutungen im Nürnberger Land

"Jahrhunderthochwasser": Wut und Vorwürfe in Altdorf

8.6.2021, 10:54 Uhr

Tosender Wind, grollender Donner und prasselnder Regen. Nach einigen heißen und sonnigen Tagen wurden am vergangenen Wochenende einige Gemeinden im Einzugsgebiet von Gewittern und Starkregen überrascht. So auch der Altdorfer Ortsteil Ludersheim. "Es war beängstigend, das Wasser hat in kürzester Zeit unseren ganzen Garten, Keller und die Garage geflutet", erzählt Claudia Lossi-Zahner, Anwohnerin in der Ludersheimer Au. Sie hat das Spektakel gefilmt, und in den Videos sieht man Szenen, die man aus Dokumentarfilmen über die Monsunzeit in Asien kennt.

Das Wasser nutzt jede Spalte und Lücke, um sich seinen Weg zu bahnen. Probleme bei starken Regenfällen habe sie schon seit längerem, deshalb haben sie und ihr Mann ein Gefälle zu ihrem Teich gebaut und eine Drainage verlegt, damit das Wasser ablaufen kann. "So heftig war es aber noch nie!" Das Wasser stieg vor der Garage rasant auf bis zu 60 Zentimeter an und drang durch ein Fenster in den Keller ein. "Der Wasserdruck war so stark, dass die Kellertüre verbogen und ein Ast durchgeschoben wurde", erklärt Lossi-Zahner. Stellenweise habe das Hochwasser auch die Garage unterhöhlt. Der angerichtete Schaden sei beträchtlich. Der Keller sei erst vor sechs Monaten renoviert und neu eingerichtet worden, jetzt sind die Türen aufgequollen und Schränke, Bett und Waschmaschine standen unter Wasser.

Geschätzte 20.000 Euro Schaden

Sie schätzt den Schaden auf 20.000 Euro, das müsse aber die Versicherung noch begutachten. Außerdem gehe von derartigen Fluten ja auch eine Gefahr für die Anwohner aus. Der Grund für dieses Desaster sei die mangelnde Flurbereinigung seitens der Stadt, glaubt Lossi-Zahner. "Ich habe in den letzten Jahren unzählige Briefe an die Stadt geschrieben und es hat sich nichts getan", erklärt sie empört. Der Graben oberhalb ihres Grundstücks müsse einmal im Jahr ordentlich gereinigt werden. "Jedes Frühjahr wird unsere Wiese zu einem Sumpfgebiet!" Das sei kein Zustand.

Von der Stadt Altdorf sei sie immer nur hingehalten worden und auf ihre letzte Zusendung habe sie nicht mal eine Antwort bekommen. Sie fühlt sich im Stich gelassen und werde das nicht einfach hinnehmen. Altdorfs Bürgermeister Martin Tabor kann den Unmut vieler Bürger verstehen. "Am Sonntag hatten wir ein Jahrhunderthochwasser", erklärt er. Es sei eine Erfahrung für ganz Altdorf gewesen. Vor allem im Tal habe der Regen zahlreiche Keller überflutet. Dass es Claudia Lossi-Zahner so heftig getroffen hat, bedauere er sehr.

Das Problem sei die Infrastruktur, die derartigen Wassermassen nicht gewachsen sei. "Die Kanalisation muss anders konzipiert werden", erklärt Tabor. Dafür brauche man jedoch wiederum viel Geld. "Allein der Ausbau vom Stadtteil Ludersheim würde acht Millionen Euro kosten", erklärt er. Das könne die Stadt Altdorf ohne Förderprogramme nicht stemmen. Jedoch erkenne er, dass sich die Ereignisse in den letzten Jahren häufen und versichert, dass die Stadt akribisch nach einer Lösung für das Problem sucht.

Der Stadtrat der Stadt Altdorf hat erst vor Kurzem auf Vorschlag der Stadtverwaltung beschlossen, den Hochwasserschutz durch Freilegung der Kanäle in Ludersheim im Bereich Schleifweg und Werkstraße vorzuziehen und entsprechend schneller umzusetzen. Die Kosten von über einer Million Euro übernimmt die Stadt Altdorf. "Die Stadt sieht diese Mittel jedoch gut investiert, um den Ortsteil Ludersheim vor immer häufiger werdenden Starkregenereignissen zu schützen", sagt Tabor gegenüber nordbayern.de.

Das Ingenieurbüro Christofori und Partner aus Heilsbronn rechnet nach der Umsetzung mit einem Schutz vor Überschwemmungen für mindestens 20 bis 25 Jahre. "Die Stadt Altdorf wird sich dafür beim Wasserwirtschaftsamt einsetzen, dass die Genehmigungsprozesse mit Blick auf den enormen Leidensdruck der Bürger beschleunigt werden", verspricht Tabor.

Der ursprünglich geplante Zeitraum der Genehmigung im Jahr 2022 und Umsetzung in 2023 wäre aufgrund der wasserrechtlichen Verfahren notwendig. Die Stadt Altdorf wird sich jedoch bemühen seitens der Behörden eine frühere Freigabe zu bekommen. "Ebenso wird derzeit geprüft, ob man eventuell einzelne Maßnahmen zur schnellen Entlastung vorziehen kann." Dies hänge jedoch ebenso von der Zustimmung seitens des Wasserwirtschaftsamts sowie der Unteren Wasserbehörde ab.

"In der Zwischenzeit wird die Stadt ihr Möglichstes tun und die betroffenen Becken, Gräben und Flächen in bestmöglichem Zustand zu halten", sagt Tabor.

Neben Altdorf hat das Unwetter weitere Gemeinden getroffen. In Winkelhaid wurde ein Pferdehof in der Altenthanner Straße Opfer der Wassermassen. "Die anliegenden Felder wurden geflutet und viele Pferde standen tief im Wasser", erzählt Michael Schmidt, Bürgermeister und zweiter Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr in Winkelhaid. Er habe mit den Kameraden am Nachmittag ausrücken müssen und das Wasser gemeinsam mit dem THW Lauf und der Feuerwehr Altenthann eingedämmt.

Dafür wurden Spundwände und Sandsäcke aufgebaut. "Da hätte keine Kanalisation mithalten können." Außerdem seien auf der Hauptstraße einige Häuser bedroht gewesen. "Personenschaden gab es zum Glück nicht, auch dank der tollen Mithilfe von den 40 freiwilligen und ehrenamtlichen Helfern", erklärt er.

Polizei zieht Bilanz

Die Polizei zieht zum Sonntag ebenfalls ein Fazit. Erster Polizeihauptkommissar Gerhard Zenker: "Zwischen 16.30 Uhr und 21 Uhr wurden wir insgesamt zu neun Einsätzen gerufen. Das Wichtigste: Personenschäden hatten wir nicht zu verzeichnen. In Röthenbach bei Altdorf sind zwei Keller vollgelaufen, in Altdorf mussten wir drei Straßen wegen Überschwemmungen sperren. Zwischen Grünsberg und Burgthann hat es mehrere Gullideckel herausgeschwemmt, in Ludersheim wurde von vorbeifahrenden Autos Wasser in eine Souterrainwohnung gespült."

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