Altmühl-Rückbau: Vom toten Kanal zurück zum Fluss

21.8.2019, 06:04 Uhr
Altmühl-Rückbau: Vom toten Kanal zurück zum Fluss

© Patrick Shaw

Die Altmühl zwischen Gunzenhausen und Treuchtlingen ist nicht die Altmühl, die auswärtige Besucher erwarten. Keine Felsen, keine tiefen Täler – Bayerns langsamster Fluss mäandert hier zwischen grünen Wiesen, Auwäldchen, Schilfgürteln und Altarmen gemächlich vor sich hin. Bisweilen verengt er sich zwischen Rohrkolben und Sumpfschwertlilien zu einer schmalen Fahrtrinne, andernorts bedecken Teichrosen und Wasserlinsen große, teichartige Flächen.

Das war nicht immer so. Vor 110 Jahren machte das "Projekt über die Korrektur der Altmühl zwischen der Mühle in Wald und der Stadtmühle in Pappenheim in den Bezirksämtern Gunzenhausen und Weißenburg i. Bay, vom 18. Mai 1908" aus dem natürlich unsteten Flusslauf einen schnurgeraden, naturfernen Kanal. Ein Grund waren damals die immer wiederkehrenden Überschwemmungen – die die Begradigung allerdings eher verschlimmerte –, ein noch wichtigerer die Vergrößerung und Trockenlegung von Äckern für die Lebensmittelproduktion.

Altmühl-Rückbau: Vom toten Kanal zurück zum Fluss

© Historisches Foto: Kulturbauamt Weißenburg

"Wenn man die Bilder von abgemagerten Rindern und Menschen aus dieser Zeit sieht, war das aus damaliger Sicht völlig nachvollziehbar", nimmt Thomas Keller, Leiter des Ansbacher Wasserwirtschaftsamtes, die damaligen Entscheider in Schutz. Dass die menschliche "Korrektur" dennoch ein Fehler war, zeigt der heutige Zustand der Altmühl, 27 Jahre nachdem die Renaturierung 1992 im Treuchtlinger Kurpark begonnen hat, und den Keller und seine Mitarbeiter nun bei einer sommerlichen Bootsfahrt von Gundelsheim nach Fischerhaus präsentierten.

Alte Lebensräume neu belebt

Nicht nur, dass der Fluss wieder meandern, Totarme und Inseln bilden darf, auch die Flora und Fauna haben sich erstaunlich rasch erholt. Wohin man vom Wasser aus blickt, säumt ein Dickicht aus Schilf und den für die Altmühl typischen, flach am Boden entlang wachsenden Mandelweiden die sumpfigen Ufer. Die Randstreifen, die das Wasserwirtschaftsamt den Landwirten abgekauft hat, sind zwischen fünf und 15 Meter breit – genug als Lebensraum für Grasmücke, Neuntöter und viele andere Vogelarten sowie seltene Libellen und natürlich den Biber.

Altmühl-Rückbau: Vom toten Kanal zurück zum Fluss

© Archivfoto: Wasserwirtschaftsamt Ansbach

Dahinter erstrecken sich mittlerweile vielerorts extensiv bewirtschaftete Wiesen und Weiden. Sie federn Hochwasser ab und dienen Wiesenbrütern wie Brachvogel und Kiebitz sowie Reihern und Störchen als Brut- und Jagdrevier. Dem Wasser, das vor der Renaturierung braun und algig war, entziehen nun Kamm-Laichkraut und Raues Hornblatt überschüssige Nährstoffe und bieten zugleich Verstecke für Muscheln und Fische wie etwa Blaubandbärbling, Rapfen, Rutte und Sonnenbarsch.

Bewuchs hält Wasser kühl

"Frappierend ist die Sichttiefe", staunt auch Thomas Keller. Mehr als ein halber Meter Unterwasserleben ist vom Boot aus erkennbar. "Das wäre vor 30 Jahren undenkbar gewesen", so der Wasserschützer.

Der neue Strukturreichtum mit Schilfdickicht, flachen Sandbänken, Teichrosen-bedeckten Altarmen und Uferabbrüchen hat laut Keller auch dazu geführt, dass es in den vergangenen Jahren trotz der deutlich heißeren Sommer so gut wie kein Fischsterben in der Altmühl gegeben habe. "Die Beschattung durch Bewuchs und die dadurch niedrigeren Wassertemperaturen sind wichtig für Mikroorganismen, Kleinkrebse und Wasserschnecken, die wiederum die Nahrungsgrundlage für alle größeren Tiere sind", betont der Fachmann.

Diesen Teil der Fauna will das Wasserwirtschaftsamt demnächst noch näher untersuchen. In den vergangenen Jahren habe es im Zuge des Klimawandels im Sommer teils Temperaturunterschiede zwischen 19 und 28 Grad in beschatteten und offenen Gewässerabschnitten gegeben, so Keller. Zudem bremse der Randbewuchs das Flusswasser und halte die Aue feucht. Dass die Bäume und Büsche zugleich Greifvögeln als Ansitz für die Jagd auf Wiesenbrüter dienen, hatte nach Kellers Worten bislang kaum Auswirkungen auf das natürliche Gleichgewicht.

Altmühl-Rückbau: Vom toten Kanal zurück zum Fluss

© Patrick Shaw

Ein Paradies für sanfte Nutzung

Einheimische und Urlauber nutzen das einst von Menschenhand zerstörte und nun ebenfalls vom Menschen wiedererweckte Biotop zunehmend für Naherholung und sanften Tourismus. Insbesondere Angler, Kanufahrer und neuerdings auch Stehpaddler entdecken die Altmühl für ihr Hobby. Die Kanuten sieht das Wasserwirtschaftsamt grundsätzlich nicht ungern und hat das Gewirr aus Altarmen in manchen Gewässerabschnitten sogar für die Bootsfahrer beschildert. Die touristische Nutzung schaffe schließlich ein Bewusstsein für diesen Naturschatz.

"Allerdings wird das Kanufahren in jüngster Zeit zunehmend zum Partymachen missbraucht", bedauert Keller. Eher skeptisch steht der Amtschef auch den Stehpaddlern gegenüber, weil diese "schon recht häufig ins Wasser fallen oder an Land gehen" und damit den Bewuchs zerstören. Anders sieht das mit der Beweidung der angrenzenden Wiesen aus: Dort könnte sich die Behörde durchaus Rinder vorstellen, die die Flächen offen und feucht für die Wiesenbrüter halten. Nur mit dem Ausbüchsen ist das so eine Sache, denn Zäune soll es am Fluss nicht geben – und auch Kuh zieht es durchaus ans oder ins Wasser...

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