Bürgerwindpark Auernheim: Entscheidung fällt bald

21.9.2016, 06:03 Uhr
Bürgerwindpark Auernheim: Entscheidung fällt bald

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Pikant an der Sache: Mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) macht ausgerechnet ein Naturschutzverband massiv gegen die Windenergie und dieses Projekt Front und lässt dazu in Sachen Auernheim möglicherweise zweifelhafte Vogel-Beobachtungen einfließen, die der von neutraler Seite erstellten, speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) widersprechen. MdB Josef Göppel (CSU) kritisiert dieses Vorgehen vehement. Es dreht sich dabei einmal mehr alles um den Rotmilan.

„Dichtezentrum“ ist offenbar ein neues Zauberwort, mit dem das Landesamt für Umwelt neuerdings unterwegs ist. Hinter diesem Wort steckt Sprengkraft und möglicherweise ein neuer Ansatz, mit dem Umweltverbände missliebige Projekte von vornherein torpedieren können.

Der Rotmilan ist europaweit geschützt. Im Altmühltal und auf dem Hahnenkamm kommt er allerdings verhältnismäßig häufig vor. Aus diesem Grund waren bislang Genehmigungen z.B. für Windkraftanlagen möglich. Mit den „Dichtezentren“ sollen nun gerade die Gebiete, wo es dichte Populationen gibt, besonders geschützt werden. Sollte der Bereich um Auernheim von der Regierung zu einem solchen „Dichtezentrum“ des Rotmilans erklärt werden, dann dürfte das Bürgerwindpark-Projekt gestorben sein.

Josef Göppel hat in dieser Sache nun einen Brief an den mittelfränkischen Regierungspräsidenten Dr. Thomas Bauer geschrieben (er liegt unserer Redaktion vor), der an Deutlichkeit nichts vermissen lässt. Er schildert darin, dass der LBV eine Liste vorgelegt habe, wonach es im Bereich des Auernheimer Projektes nicht weniger als neun Brutreviere gebe und es sich demnach zweifelsfrei um ein „Dichtezentrum“ handle. Der LBV habe zudem dem Landratsamt Weißenburg mit Klage gedroht, sollte dieser den Windpark genehmigen.

Zweifelhafte Sichtungsliste

Diese Liste des LBV zweifelt der Abgeordnete allerdings stark an. Göppel ist bekanntlich selber ein Umweltaktivist und gilt als der „Grüne“ der CSU. Er kritisiert, dass viele Details in der LBV-Liste fehlten, dass die einzelnen Rotmilane über den sehr langen Zeitraum von sieben Jahren gesichtet worden seien und sich der LBV in einigen Punkten selbst nicht sicher sei. Göppel beklagt sich darüber, dass genau diese zweifelhafte Sichtungsliste des LBV nun von den Behörden als Grundlage für einen Bescheid genommen werden soll und nicht das saP-Gutachten, das viel detaillierter sei und offenbar zu einem ganz anderen Ergebnis kommt.

Die entscheidende Frage stellt Göppel ebenfalls deutlich, nämlich ob denn in einem ordentlichen bayerischen Verwaltungsverfahren Feststellungen eines akkredidierten Gutachters  „durch methodisch nicht einwandfreie Darlegungen eines Verbandes“ komplett verworfen werden können.

Statt einer Pauschalablehnung sollten die Behörden für den naturschutzfachlichen Ausgleich lieber konkrete  Maßnahmen zur Stärkung der Milan-Population festsetzen, so der Abgeordnete. Er verweist dabei auf eine Broschüre des Bundesamts für Naturschutz, die bewährte Maßnahmen aufzeige, die im Umfeld von Auernheim kurzfristig realisierbar seien.

Göppel geht in seinem Schreiben auch auf den politischen Hintergrund der neuen Gesetzgebung zu den „Dichtezentren“ ein. Demnach ging es dem Gesetzgeber mit dem Übergang vom „Individuen- zum Populationsschutz“ darum, Projekte im öffentlichen Interesse nicht unmöglich werden zu lassen. Auernheim sei dafür nun ein Beispiel (wie diese Neuregelung missbraucht werden kann, Anm. d. Red.).

Der Aufbau erneuerbarer Energiequellen, Versorgungssicherheit im eigenen Land, Klimaschutz und lokale Wertschöpfung im strukturschwachen ländlichen Raum seien laut Göppel zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses. Diese könnten im konkreten Fall sehr wohl mit dem Schutz der Rotmilan-Population in Einklang gebracht werden.

Noch im Oktober soll es nun den „Showdown“ geben. Sollte der Bereich um Auernheim vom Landesamt für Umwelt zum „Rotmilan-Dichtezentrum“ erklärt werden, dann dürfte das Projekt gestorben sein. Falls nicht, dann ist die Genehmigung praktisch „durch“ und die Windräder werden bereits im kommenden Frühjahr gebaut.

Der Kommentar:

Dass dies noch ein normaler „Verwaltungsvorgang“ ist, das glaubt mittlerweile niemand mehr. Seit mehr als fünf Jahren versuchen Bürger des Dorfes Auernheim, einen Bürgerwindpark zu errichten. Die Voraussetzungen waren eigentlich bestens. Das Gelände rund um das „höchste Dorf Mittelfrankens“ scheint ideal geeignet, weil dort der Wind gut bläst. Es gibt kaum Widerstand aus der Bevölkerung – im Gegenteil. Es herrscht viel Idealismus und vor allem das Bewusstsein, dass man mit der dezentralen Energieerzeugung im Sinne der Energiewende vor Ort auch Wert schöpfen und so das strukturschwache Gebiet aufwerten kann. Zu Deutsch: Das mit dem Windstrom verdiente Geld bleibt vor Ort und landet nicht bei Großkonzernen, wie sonst üblich.

Auf dem langen Weg zum Projekt blieben viele Stunden des ehrenamtlichen Engagements liegen, viel Geld und noch mehr Nerven. Am Ende war der Windpark mit dem Naturpark vereinbar, im Regionalplan festgesetzt, und alles wartete nur noch auf die zweite artenschutzrechtliche Prüfung. Dass diese zweite Prüfung  von der Unteren Naturschutzbehörde verlangt wurde, war schon etwas „merkwürdig“. Und nun wird plötzlich auch noch der Begriff „Dichtezentrum“ aus dem Hut gezaubert.

Während andernorts ein Windrad nach dem anderen entsteht, stehen in Sachen Hahnenkamm die maßgeblichen Verwaltungen ganz offensichtlich auf der Bremse. Fast könnte man auf unanständige Gedanken kommen. Vor allem auch, wenn man den Gerüchten Glauben schenken mag, dass ein Großunternehmen vor einigen Jahren – gegen eine Beteiligung – angeboten habe, die Störfaktoren aus dem Weg zu räumen.

Wie weit reicht Lobbyismus bei derartigen Verfahren? Die Antwort kann nur heißen: sehr weit. Lobbyismus ist in diesem Sinne nämlich auch die zweifelhafte „Macht“ von Umweltverbänden, wie hier des LBV. Wenn dieser mit Klage droht, zucken offenbar die Verwaltungen – selbst, wenn es vordergründig um das Vertreten einer politischen Haltung und persönliche Interessen geht. Neutrale Gutachten spielen dann plötzlich keine Rolle mehr.

„Lobbykratie“ lässt grüßen

In Auernheim sind „normale“ Bürger die Grundbesitzer und Projektträger. Die kann man offenbar leicht gängeln. Waren es anfangs noch eher verständliche regionale Interessen aus dem Donau-Ries und die Naturparkverordnung, die das Projekt verzögerten, war es später „10 H“ und am Ende eine rigide Auslegung von Naturschutz-Gesetzen.

Warum die Rotmilane nun ausgerechnet gegen die Windräder bei Auernheim fliegen sollen und nicht gegen die bei Degersheim, das sind Einschätzungen und Auslegungen von Fachleuten des Landesbundes für Vogelschutz. Genau dieser Verein steht nun mächtig im Blickpunkt.

Auf seiner Webseite hat der Verein ein Positionspapier zur Windkraft veröffentlicht. Unter der Überschrift „LBV unterstützt Ausbau der Windenergie“ machen die Vogelschützer deutlich, wo Windkraft ihrer Meinung nach geht – nämlich fast nirgends. Es wird aber darauf verwiesen, dass dazu Vorranggebiete ausgewiesen werden müssten (wie in Auernheim geschehen), dass es neutrale artenschutzrechtliche Prüfungen geben müsse (wie in Auernheim geschehen) und eine breite Unterstützung in der Bevölkerung brauche (wie in Auernheim vorhanden).

Angesichts dieser im Fall Auernheim offensichtlichen Widersprüchlichkeit der eigenen Aussagen kann die Seriösität des LBV in dieser Sache eigentlich nur angezweifelt werden.

Sollten die mit offenbar unendlicher Geduld ausgestatteten Auernheimer „ihr Projekt“ aufgeben, kann man Wetten abschließen, wie lange es dauert, bis ein kommerzieller Anbieter das erste Windrad in dem dortigen Umfeld aufstellen wird.

Es sind genau solche Entscheidungsprozesse, die die Bürger an unserem Land zweifeln und verzweifeln lassen. Politische Entscheidungen sind kaum noch unabhängig möglich – geschweige denn auf lokaler Ebene. Den Begriff „Subsidiarität“ nimmt schon lange niemand mehr in den Mund. Wenn dann selbst die mittlerweile bis zum Exzess praktizierte Gutachteritis von einer einzigen Interessenvertretung mit einem Streich vom Tisch gewischt werden kann – wer oder was regiert dann eigentlich noch unser Land?

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