Historisches Treuchtlingen: Vier Bahnhöfe, die es nicht mehr gibt

29.8.2020, 05:57 Uhr
Historisches Treuchtlingen: Vier Bahnhöfe, die es nicht mehr gibt

© Foto: Privat

Im vergangenen Jahr feierte Treuchtlingen das 150. Jubiläum des Eisenbahnanschlusses. Doch nicht nur die Kernstadt wurde im 19. Jahrhundert ans Eisenbahnnetz angeschlossen, auch vier Landgemeinden, die nun Ortsteile der Altmühlstadt sind, hatten damals eigene Bahnhöfe. Von ihnen ist heute allerdings nicht mehr viel übrig.

Wettelsheim

Historisches Treuchtlingen: Vier Bahnhöfe, die es nicht mehr gibt

© Foto: Privat

Wer den ehemaligen Wettelsheimer Bahnhof sucht, findet heute nichts mehr von ihm. Das Gebäude wurde in den 1990er Jahren abgerissen. Es stand bei Streckenkilometer 4,0 westlich des Bahnübergangs, wo heute das Wettelsheimer Gewerbegebiet liegt. Wie die gesamte Strecke zwischen Treuchtlingen und Gunzenhausen ging auch er im Jahr 1869 in Betrieb – ebenso wie die Bahnhöfe in Markt Berolzheim, Ehlheim und Windsfeld-Dittenheim, an denen schon seit langem keine Personenzüge mehr halten. Letzterer dient immerhin noch als Betriebsbahnhof, an dem Züge überholen können.

Zurück nach Wettelsheim. Während viele Menschen am dortigen Bahnhof ihre Reise starteten, war das Gebäude für eine ehemalige Wettelsheimerin viele Jahre lang ihre Heimat. Ihr Vater war bei der Bundesbahn, seit 1954 wohnte die gesamte Familie im Bahnhof. "Damals gab es keine geteerte Straße zum Bahnhof. An der Schranke war noch ein Bahnwärterhäuschen, und zwischen dem und dem Bahnhof war auf der einen Seite eine Hecke. Auf der anderen Seite zu den Bahngleisen hin lagerten ganze Stöße Baumstämme, die wurden tagsüber von Arbeitern geschält", erinnert sich die Frau an den Alltag damals.

Die Lage am Ortsrand war für das junge Mädchen nicht immer einfach: "Im Winter, wenn es bald dunkel wurde und ich am Nachmittag noch Schule hatte, war es für mich ein Horror, den Weg zu gehen. Es gab ja auch keine Straßenbeleuchtung. Bei schlechtem Wetter sind meine Brüder und ich mit den Gummistiefeln in die Schule." Damals fuhren noch Dampfloks auf der Strecke, was vor allem die Mutter vor Probleme stellte: "Es ist öfter vorgekommen, dass die frische Wäsche voll mit Rußpartikeln war und alles noch einmal gewaschen werden musste."

Auch seien früher die Schienen noch nicht zusammengeschweißt gewesen. "Wenn da nachts ein Güterzug mit 60 Waggons durchgefahren ist, hat das ganze Haus vibriert." Damals habe es Wohnzimmerschränke mit zwei Glasscheiben gegeben, die man schieben konnte. "Da musste man immer Papier dazwischen klemmen, damit es nicht so scheppert", blickt die ehemalige Bewohnerin zurück.

Im März 1965 war die Bahnstrecke vollständig elektrifiziert. Dafür sorgten die ersten italienischen Leiharbeiter, die in Wohnwagen zwischen den Lagerhallen sowie im Bahnwärterhäuschen Richtung Markt Berolzheim untergebracht waren. "Damals wurde auch ein neuer Bahnsteig in Richtung Gunzenhausen gebaut, hinten an der Schranke Richtung Bubenheim", erinnert sich die Frau, die als junges Mädchen im Gebäude lebte. Am Bahnhof gab es dann keine Absperrung mehr, die Fahrkarten wurden von einer Frau verkauft, und der Vater des Mädchens wurde in die Direktion nach Nürnberg versetzt – wohin dann 1967 die ganze Familie zog. Die ehemalige Bahnhofsbewohnerin selbst, die nun schon seit vielen Jahren im Münchner Umland wohnt, nennt Wettelsheim aber immer noch ihre Heimat.

Irgendwann waren die Passagierzahlen für die damals Verantwortlichen wohl nicht mehr ausreichend. So wurden 1978 auf der gut 140 Kilometer langen Strecke 15 der 30 Bahnhöfe für den Personenverkehr stillgelegt – bis heute. Und auch der Güterverkehr fand 1993 sein Ende, danach wurden das Gebäude und die Bahnsteige abgebaut. Nur ein Modell in der Wettelsheimer Ortssammlung zeigt noch, wie das "Tor zur weiten Welt" einst aussah.

Grönhart

Historisches Treuchtlingen: Vier Bahnhöfe, die es nicht mehr gibt

© Foto: privat

Genauso alt wie der Wettelsheimer Bahnhof und mit 3,8 Kilometern fast ebenso weit entfernt war der Bahnhof von Grönhart an der Strecke von Treuchtlingen nach Nürnberg. Der Haltepunkt wurde ebenfalls am 2. Oktober 1869 in Betrieb genommen. Er ist der einzige Bahnhof an dieser Strecke, der später wieder komplett stillgelegt wurde – im Jahr 1975 war das.

Dabei hatte das kleine, damals noch eigenständige Dorf für die Entwicklung der Eisenbahn eine wichtige Bedeutung: Für die Elektrifizierung der Strecke wurde dort von 1933 bis 1935 ein Unterwerk errichtet. Hier kam der Bahnstrom per Überlandleitung an und wurde dann ins Netz eingespeist.

Das Gebäude steht heute noch westlich der Bahnstrecke, seine Funktion übernimmt seit 2003 jedoch ein modernes Unterwerk östlich der Trasse. Im Frühjahr dieses Jahres wurde das Gelände des ehemaligen Unterwerks samt Ruinen versteigert. Ein Investor erwarb das 19.200 Quadratmeter große Areal für 104.000 Euro. Der neue Eigentümer ist der Stadt bereits bekannt, was er mit der Immobilie vorhat allerdings nicht.

Gundelsheim

Historisches Treuchtlingen: Vier Bahnhöfe, die es nicht mehr gibt

© Foto: privat

Treuchtlingens südlichster Ortsteil Gundelsheim gehörte vor der Gebietsreform 1972 zu Schwaben. Das wird heute noch durch die Betreuung der katholischen Kirchengemeinde deutlich, die Pfarrei Sankt Ulrich gehört nämlich zum Pfarrverbund Wemding. Außerdem trug der ehemalige Haltepunkt den Namen "Gundelsheim (Schwab)" – die Abkürzung diente dazu, den Ort im Möhrenbachtal von seinen Namensvettern bei Bamberg und am Neckar zu unterscheiden, die ebenfalls einen Bahnhof haben oder hatten, im Gegensatz zum nahegelegenen Gundelsheim an der Altmühl, das nie einen Bahnanschluss besaß.

Am 1. Oktober 1906 ging die Bahnstrecke von Treuchtlingen nach Donauwörth in Betrieb. Der Gundelsheimer Haltepunkt mit kleinem Häuschen wurde allerdings erst am 15. Mai 1935 eingeweiht, im Zuge der Elektrifizierung der Strecke. Lediglich zwei Züge in jede Richtung hielten dort täglich, das fand der Gundelsheimer Wolfgang Ritter bei seinen Recherchen zum Heimatbuch heraus. Die Station lag an der Stelle der heutigen Straße "Am Eschbachfeld". In der Nähe siedelte sich das Marmorwerk an, seit 1918 konnten die Steine per Zug zu den Abnehmern fahren.

Die Bahnstrecke gewann zwar immer mehr an Bedeutung für den Fernverkehr von Nürnberg nach Augsburg, vor Ort hatten die Menschen aber nichts davon. Der Personenverkehr wurde in Gundelsheim in den 1970er Jahren Stück für Stück durch Busse ersetzt, am 31. Mai 1981 wurde der Haltepunkt offiziell aufgelöst. An die ehemaligen Bahnsteige erinnern heute nur noch die Überreste der Treppenanlage.

Möhren

Der Bahnhof von Möhren ist längst abgerissen, die ehemalige Bahnhofsuhr wurde unlängst restauriert und hängt nun wieder am alten Rathaus des Dorfes.

Der Bahnhof von Möhren ist längst abgerissen, die ehemalige Bahnhofsuhr wurde unlängst restauriert und hängt nun wieder am alten Rathaus des Dorfes. © Privat, NN

Auch Möhren liegt an der Bahnstrecke nach Donauwörth, erhielt aber – anders als das Nachbardorf Gundelsheim – schon 1906 einen eigenen Bahnhof. Die Station befand sich am Rand des Dorfes, gut sechs Kilometer von Treuchtlingen entfernt. Doch im Zuge von Einsparungen wurde der Verkehr eingestellt, das ehemalige Bahnhofsgebäude, das sich in der Hermann-Pröll-Straße befand, fiel 1982 dem Abrissbagger zum Opfer.

Einzig die Bahnhofsuhr erinnert heute noch an diese Zeit. Seit einigen Jahren hängt sie nun am ehemaligen Möhrener Rathaus in der Dorfmitte und wurde nun mit Unterstützung der Stadt Treuchtlingen sowie von Spendern und ehrenamtlichen Helfern restauriert. Das Gehäuse wurde von der ortsansässigen Firma Maler Lamm kostenlos sandgestrahlt. Da es aus sehr altem Stahl besteht, konnte es auch nicht mehr "normal" verzinkt werden, sondern musste von der Nördlinger Firma Riesmetall mit einer Spritzverzinkung versehen werden. Die Kosten dafür übernahm die Firma RK-Metallbau. Die anschließende Pulverbeschichtung spendete die Firma Mann aus Nördlingen.

Das neue Funkuhrwerk kaufte die Stadt Treuchtlingen von einer Regensburger Turmuhrenfabrik, die Gesamtkosten beliefen sich auf ungefähr 950 Euro. Die Demontage des alten und die Montage des neuen Uhrwerks übernahm in vielen Stunden ehrenamtlicher Arbeit Werner Degen, der auch die neue Innenbeleuchtung mit Dämmerungsschalter spendete. So erinnert nun in Möhren zur Freude des alten und des neuen Orstausschusses zumindest die restaurierte Uhr wieder an die Zeiten, als das Dorf noch einen eigenen Bahnhof hatte.

Verwandte Themen


Keine Kommentare