„Rettet die Bienen“: Viele Treuchtlinger sagen Ja

11.2.2019, 06:04 Uhr
„Rettet die Bienen“: Viele Treuchtlinger sagen Ja

© Patrick Shaw

Am Freitagmittag hatten sich in Treuchtlingen 1017 der 9453 Wahlberechtigten in die Listen eingetragen. Das sind 10,8 Prozent und damit bereits fünf Tage vor Fristende am morgigen Dienstag mehr als die nötigen zehn Prozent. In Weißenburg sprachen sich 1664 der 13.437 Berechtigten (12,4 Prozent) für das Volksbegehren aus, in Gunzenhausen 1499 von 12.605 (11,9). Spitzenreiter im Landkreis ist Markt Berolzheim mit 16,9 Prozent, gefolgt von Muhr am See (15,1), Meinheim (12.5), Pleinfeld (12,3) und Langenaltheim (11,1). Schlusslicht ist derzeit Dittenheim mit 5,7 Prozent hinter Solnhofen (7,5 am Donnerstag), Polsingen (8,5), Alesheim (9,3) und Ellingen (10,0 am Donnerstag).

Als „sehr positiv“ erlebt die Resonanz auch Treuchtlingens SPD-Ortsvorsitzender Sebastian Hartl, der am Freitag zusammen mit Vertretern des Landkreisbündnisses und der gesamten Familie auf dem Wochenmarkt über das Volksbegehren informierte. „Binnen einer Stunde war nur eine von etwa 50 Personen dagegen, und das eher, weil ihr die Initiative nicht weit genug geht“, so Hartl. „Viele haben gefragt, ob sie gleich hier unterschreiben können.“ [konnten sie nicht, sondern nur in den Wahllokelen – Anm. d. Red.] Es sei aber „schade, dass sich die Fronten so verhärtet haben, denn nicht alle Landwirte sind dagegen, und zusammen könnten wir viel mehr bewirken“.

Was Befürworter und Gegner bewegt, haben wir die Passanten am Infostand und die Marktleute gefragt:

„Rettet die Bienen“: Viele Treuchtlinger sagen Ja

© Patrick Shaw

Hannelore Ruppert aus Treuchtlingen: „Ich habe das Volksbegehren aus vollster Überzeugung unterschrieben, weil es nicht fünf vor, sondern schon fünf nach zwölf ist. Wenn wir jetzt nichts tun, haben unsere Kinder und Enkel keine Perspektiven mehr bei so viel Raubbau an der Natur.“

 

 

 

 

 

„Rettet die Bienen“: Viele Treuchtlinger sagen Ja

© Patrick Shaw

Eric Promm aus Treuchtlingen: „Ich unterstütze das Volksbegehren, weil ich es wichtig finde, etwas für die Natur zu tun. Wenn die Insekten sterben, haben wir ein Problem mit unserem Obst- und Gemüseanbau. Das geht dann nach hinten los. Klar sollte jeder auch etwas im eigenen Garten tun, aber das ist zu wenig, weil die Flächen viel kleiner sind als in der Landwirtschaft.“

 

 

 

 

 

„Rettet die Bienen“: Viele Treuchtlinger sagen Ja

© Patrick Shaw

Daniela Kämmerer-Bergdolt aus Schambach: „Mein Bruder ist Bio-Landwirt, und wir sind gegen das Volksbegehren. Wenn wir zum Beispiel erst Mitte Juni unsere Wiesen mähen dürfen, wuchert da überall das Kreuzjakobskraut, und das bringt die Tiere um. Uns ist Naturschutz wichtig, und wir können uns auch neue Regeln vorstellen. Aber es ist nicht der richtige Weg, wenn Sesselmenschen über diejenigen entscheiden, die sich mit dem Thema auskennen.“

 

 

 

 

B. Koch aus Treuchtlingen (ohne Bild): „Ich unterschreibe nicht, weil das Volksbegehren viel zu spät kommt. Da haben Politik und Verbände 15 Jahre lang geschlafen, genauso wie jetzt bei der Debatte ums Tempolimit. Überall anderswo in Europa gibt es das, nur bei uns nicht. Man müsste da viel mehr auf den Busch hauen. Die SPD könnte das und müsste in der Bundesregierung ihren Koalitionspartner packen und sagen: Das geht nur mit uns, oder gar nicht.“

„Rettet die Bienen“: Viele Treuchtlinger sagen Ja

© Patrick Shaw

Heinrich Neumeyer aus Treuchtlingen: „Das Thema Artenschutz wird immer dringender. Die Zahl der Insekten nimmt merklich ab. Meine Enkelin ist Umweltingenieurin, und sie hat mich dazu gedrängt, beim Volksbegehren zu unterschreiben. Wir haben aber auch einen Landwirt in der Verwandtschaft, den darf man gar nicht darauf ansprechen, sonst wird er richtig aggressiv. Er sagt, dass es so etwas früher auch nicht gebraucht habe. Ich denke, dass es tatsächlich ein größeres Konzept bräuchte, das nicht nur die Landwirtschaft einbindet. Dass Naturschutz machbar ist, zeigt mir mein Garten, in dem wir nur mit eigenem Kompost düngen. Da sind so viele Würmer drin wie früher, als hinter den Bauern in den Ackerfurchen alles voller Stare war, die die Würmer eingesammelt haben. Das sieht man heute überhaupt nicht mehr.“

 

Zum Thema:

Rund 700.000 bayerische Bürger haben sich in der ersten Abstimmungswoche in die Listen des Volksbegehrens zur Artenvielfalt eingetragen. Für einen Erfolg benötigen die Initiatoren um ÖDP, Grüne, Landesbund für Vogelschutz und Bund Naturschutz gut 950.000 Unterschriften. Das Volksbegehren ermöglicht es, einen Gesetzesentwurf direkt in den Landtag einzubringen. Dessen Kernforderungen sind im konkreten Fall die landesweite Vernetzung von Lebensräumen für Tiere, das Erhalten von He­cken, Bäumen und kleinen Gewässern, das Schaffen blühender Randstreifen an Bächen und Gräben, der massive Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, die Umwandlung von zehn Prozent der Wiesen in Blühwiesen, die pestizidfreie Bewirtschaftung aller staatlichen Flächen sowie die Aufnahme des Naturschutzes in die Ausbildung von Land- und Forstwirten. Letzte Eintragungstermine im Treuchtlinger Rathaus sind Montag und Mittwoch, 11. und 13. Februar, von 8 bis 12 und 13 bis 16 Uhr sowie am Dienstag, 12. Februar, von 8 bis 20 Uhr.

Der Kommentar:

Freiwilligkeit reicht nicht

Die Debatte um das Volksbegehren zur Artenvielfalt  – etwas zu sehr zugespitzt auf den Slogan „Rettet die Bienen“ – hat sich in der vergangenen Woche unnötig verschärft. Auch am Infostand auf dem Treuchtlinger Wochenmarkt wurde am Freitag viel diskutiert – wohlwollend bei den Passanten, sehr kritisch an den Ständen der Marktleute, viele davon Landwirte. Einen großen Anteil am mittlerweile ziemlich harschen Ton hat eine regelrechte Abwehrkampagne der großen bäuerlichen Interessenverbände und damit primär der Adressaten des Volksbegehrens: der industriellen Landwirtschaft.

Natürlich darf ein so komplexes und für das Wohl aller Menschen entscheidendes Thema wie das Artensterben nicht allein auf die Rolle der Landwirte reduziert und auf deren Geldbeutel abgewälzt werden. Und natürlich gibt es auch Landwirte, die schon viel für den Umweltschutz tun. Das macht die Forderungen des Volksbegehrens aber nicht weniger richtig.

Viele Hektar große Monokulturen mit kleinen, längst nicht dominierenden Schottergärten zu vergleichen und damit ein nötiges Umdenken in der Agrarindus­trie mit (möglicherweise ebenfalls sinnvollen) Regeln für Privatleute gleichzusetzen, ist ein durchschaubares Spiel mit Emotionen. Und der Hinweis auf die noch viel zu geringe Abnahme von Bioprodukten müsste zwingend mit dem Ruf nach mehr sozialer Gerechtigkeit einhergehen. Denn wer arm ist, kann sich „Bio“ bislang nicht leisten. Auch hier versagt aber insbesondere die den Landwirten nahestehende CSU.

Absichtlich ahnungslos

Darüber hinaus ist es schlicht nicht erlaubt, in einem Volksbegehren mehrere Gesetzesinitiativen zu koppeln. Auch das weiß die Agrarlobby, argumentiert aber, als sei sie ahnungslos. Die allermeisten derer, die in den vergangenen Tagen ihr Kreuzchen in den Rathäusern gemacht haben, sorgen sich längst auch privat um ihre Umwelt und tun auf ganz unterschiedliche Weise etwas gegen deren Zerstörung – ob durch Mülltrennung, Fleisch- oder Autoverzicht, den Kauf von Bioprodukten oder einen wilden Garten. Gegen einige neue Regeln auch für Privatleute hätten sie vermutlich gar nichts einzuwenden.

Diese ebenfalls auf den Weg zu bringen und den Landwirten den Wandel nicht allein aufzubürden, ist bei einem Erfolg des Volksbegehrens Aufgabe der Regierung. Denn mit Blick auf das massive Artensterben ist es offensichtlich, dass die so hoch gelobte Freiwilligkeit nicht funktioniert – wie übrigens in etlichen Bereichen, in denen der Ruf nach Deregulierung und Nichteinmischung des Staates nichts anderes ist als der Wunsch, tun und lassen zu können, was immer der Bequemlichkeit und dem eigenen Geldbeutel nutzt.

Keine Kommentare