Treuchtlinger Burgverein plant nach Corona Großes

26.6.2020, 06:04 Uhr
Treuchtlinger Burgverein plant nach Corona Großes

© TK-Archiv / Hubert Stanka

Vor mehr als 600 Jahren kämpften die Vorfahren der Burgfest-Protagonisten noch mit der Pest – heute ist es ein nicht ganz so tödliches Virus, das aber ebenfalls Spuren hinterlässt. "Corona betrifft und belastet uns", erklärt Vereinschef Baum. Immerhin trage die "Fördergemeinschaft Burg Treuchtlingen", die heuer auch ihr 45-jähriges Bestehen feiert, den kompletten Bauunterhalt auf der mehr als 900 Jahre alten Treuchtlinger Ruine. "Gerade erst haben wir die Toiletten saniert, das sollte natürlich über das Burgfest und den Betrieb der Burgstube finanziert werden", so Baum. "Der Ausfall tut uns weh, so wie allen Vereinen – besonders weil wir ja auch eine öffentliche Leistung für die Bürger und den Tourismus erbringen."

Vor zwei Wochen hat sich der Verein erstmals seit Beginn der Pandemie wieder zu neunt im Freien auf der Veste gestroffen. Dabei fiel der einstimmige Beschluss, "dieses Jahr erst einmal auf alle größeren Veranstaltungen zu verzichten" – laut Baum nicht zuletzt, um auch der Gastronomie keine Konkurrenz zu machen und Zeit zur Erholung von der Krise zu geben. Eventuell werde es im August einen Frühschoppen mit Livemusik geben. Anlässlich des "Tags des offenen Denkmals", der heuer ebenfalls nur "virtuell" stattfindet, plane der Verein außerdem für Freitag zuvor, 11. September, ein kleines Weinfest. Neue Ausgrabungen auf der geschichtsträchtigen Ruine, die zu den fundreichsten historischen Stätten Süddeutschlands zählt, seien dagegen derzeit nicht im Gange.

Treuchtlinger Burgverein plant nach Corona Großes

© Jan Sehrig

Intensiv laufen derweil schon die Vorbereitungen für das große "Historische Burgfest" im nächsten Jahr. Alle vier bis fünf Jahre richtet der Burgverein ein solches aus, das dann neben der üblichen Bewirtung und Musik auf dem Hauptplatz auch mit einem Mittelaltermarkt und Vorführungen auf dem gesamten Burggelände sowie mit einem Kostümspektakel und Festzug in der Stadtmitte lockt. Am 19. und 20. Juni 2021 ist es wieder soweit, mit im Boot sind wie gewohnt die Karnevalsgesellschaft sowie erstmals der Musik- und Kulturverein "Club 80", der an Stelle des ESV den Platz vor dem Kriegerdenkmal bewirten wird.

Bei den Fieranten ist Vereinschef Baum zufolge allerdings ebenfalls die Corona-Krise deutlich zu spüren: "Viele sagen, sie wissen nicht, ob es sie nächstes Jahr überhaupt noch gibt. Das ist nicht lustig, wir bleiben aber zuversichtlich." Als Warnung hatte sich der Burgverein spontan auch an der bundesweiten Aktion "Night of Light" beteiligt, bei der die Veranstaltungsbranche diese Woche mit in Signalrot angestrahlten Gebäuden auf ihre Misere aufmerksam gemacht hatte. Für die Illumination des Treuchtlinger Bergfrieds hatte Burgvereins-Vorstandsmitglied Jan Sehrig mit seiner Firma VTS Licht- und Tontechnik gesorgt.

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Seit mehr als 900 Jahren thront die „Obere Veste“ über der Stadt Treuchtlingen. Ihre Geschichte erforscht seit 45 Jahren die „Fördergemeinschaft Burg Treuchtlingen“, kurz Burgverein. Das dafür nötige Geld und die öffentliche Wahrnehmung bekommt er unter anderem durch das jährliche Burgfest, das dieses Jahr zum 42. Mal hätte stattfinden sollen. Anlass für dessen erste Auflage am 1. und 2. Juli 1978 war die erste urkundliche Erwähnung des Ritters „Ulricus de Druhtelingen“, also „Ulrich von Treuchtlingen“, in einer Schenkungsurkunde König Heinrichs VII. exakt 750 Jahre zuvor, am 1. Juli 1228.

Der damals 17-jährige Heinrich, Sohn Kaiser Friedrichs II., überschrieb an diesem Tag in Nürnberg dem Livländischen Ritterorden, einem Zweig des Deutschen Ordens, die Provinzen Reval, Jerwen, Harrien und Wierland im Baltikum. Einer der Zeugen: Ritter Ulrich. Die Urkunde entdeckte der Treuchtlinger Heimatforscher Edwin Patzelt im schwedischen Reichsarchiv in Stockholm. Weitere schriftliche Zeugnisse aus der Zeit des „Rittergeschlechts der Ulriche und Wiriche“ belegen ebenso den Bau der Oberen Veste um das Jahr 1100 wie die Teilnahme der Herren von Treuchtlingen an den Krönungs- und Kreuzzügen der staufischen Könige.

Treuchtlinger Burgverein plant nach Corona Großes

© TK-Archiv / Repro: Patrick Shaw

Die Ritter von der Altmühl waren Reichsministeriale, Amtmänner von Weißenburg sowie Vögte von Graisbach im Donau-Ries, Hohentrüdingen, Röckingen, Steinhart, Kösching bei Ingolstadt und Seifriedsberg bei Kulmbach. Außerdem besaßen sie zahlreiche damalige Dörfer in der Region, darunter Donauwörth, Monheim und Heidenheim, der letzte „Wirich“ war Hofmeister der Burggrafen von Nürnberg. Ende des 15. Jahrhunderts verschwanden die Nachkommen der Linie in Bayerisch-Schwaben als „Mittelburger“ aus der Geschichte.

Ihre ein Jahrhundert zuvor um die heute teils rekonstruierte Ringmauer erweiterte Stammburg ging an die Marschälle von Pappenheim und begann zu verfallen, während im Tal das Stadtschloss entstand. Erst 1879 machte sich schließlich ein „Verschönerungsverein“ daran, den Burgweg wieder herzustellen. Anfang des 20. Jahrhunderts zierte außerdem zeitweise eine neuzeitliche „Burg-Attrappe“ den Hochbehälter am Burgberg, die aber kaum Freunde fand und in den 1930er Jahren größtenteils wieder abgerissen wurde. Unsere Zeitung berichtete vor ziemlich genau 50 Jahren, im Mai 1970, über diese „böse Geschichtsfälschung“, auf die kurz zuvor auch einer ihrer Mitarbeiter hereingefallen war und ein Foto von ihr als vermeintliche Obere Veste veröffentlicht hatte.

Treuchtlinger Burgverein plant nach Corona Großes

© TK-Archiv / Repro: Patrick Shaw

Die ersten Restaurierungen der Ruine ab 1975 sind umstritten, sind die wiederhergestellten Partien doch oft kaum von der Originalsubstanz zu unterscheiden. Ab 1989 kehrte der Burgverein dann unter archäologischer Begleitung zu klaren Trennungen und mittelalterlicher Bautechnik zurück. Bei Grabungen kamen unzählige Fundstücke von überregionaler Bedeutung zum Vorschein, darunter ein gut erhaltener Topfhelm aus der Zeit um 1300, etliche Gebrauchsgegenstände sowie ein edelsteinbesetzter Ring. Aber auch die im 14. und 15. Jahrhundert bei Belagerungen und Bränden entstandenen Ascheschichten verrieten viel über die Geschichte der viel umkämpften Burg.

2008 genehmigte der Stadtrat die Aufstockung des Bergfried-Stumpfes um neun auf 15 Meter, drei Jahre später weihte der Burgverein die mit Holz verschalte Ergänzung samt Aussichtsplattform ein. Das erste Burgfest im Sommer 1978 fand noch auf dem Platz vor dem Kriegerdenkmal statt. Hauptinitiatoren waren unserem damaligen Bericht zufolge „die Familien Sauerbeck, Baum, Bieswanger, Patzelt und Kraus“, es spielte die „Kapelle Dacher“. Nach dem Erfolg der Premiere hieß es, die Organisatoren „denken schon daran, das Fest einmal zu wiederholen“. Es wurden nicht ein, sondern bis dato 41 Mal.

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