Treuchtlinger Heizwerk gehen die Kunden aus

5.12.2018, 06:05 Uhr
Treuchtlinger Heizwerk gehen die Kunden aus

© TK-Archiv/Patrick Shaw

Im Frühjahr 2010 war die Begeisterung noch groß: Treuchtlingen wollte seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten und die alten Heizungen mehrerer städtischer Gebäude durch eine nachhaltige Zukunftstechnologie ersetzen. Anfang 2011 ging das neue Heizwerk in der Hahnenkammstraße ans Netz.

800 Kilowatt Leistung hat der Kessel in dem modernen Gebäude gegenüber der Grundschule, vergangenes Jahr hat er 2,3 Millionen Kilowattstunden Wärme produziert. Die werden aktuell an insgesamt elf Abnehmer verteilt, darunter mehrere städtische und ein privates Wohnhaus, die Grundschule, der städtische Kindergarten und eben das Stadtkrankenhaus. Doch letzteres schließt zum Ende des Jahres und soll in einigen Jahren durch eine Klinik für Psychosomatik des Bezirks ersetzt werden.

Das Problem: Das alte Kranken­haus nimmt bislang zwei Drittel der Wärme des Biomasseheizwerks ab – eine Menge, die in Zukunft fehlt. „Wir sind davon ausgegangen, dass das Krankenhaus weiter bestehen bleibt“, erklärt Fabian Röhnisch, Geschäftsführer der Forstbetriebsgemeinschaft (FBG) Franken Süd. Die Schließung habe die FBG hart getroffen. Denn ob die Bezirkskliniken nach dem Bau der neuen Fachklinik ebenfalls die Nahwärme des benachbarten Heizwerks nutzen wollen, ist noch komplett offen – ebenso wie die Frage, wann der Neubau anstelle des bisherigen Stadtkrankenhauses überhaupt entsteht.

Bezirk legt sich nicht fest

Seit gut einem Jahr ist der FBG das Problem bekannt, weshalb Röhnisch und FBG-Vorsitzender Klaus Schmidt in Ansbach schon das Gespräch mit dem damaligen Vorstand der Bezirkskliniken, Helmut Nawratil, gesucht hatten. Doch auch der im Oktober wegen Unregelmäßigkeiten entlassene Klinikchef konnte noch keine Aussage zur Wärmeversorgung des geplanten Neubaus treffen. Nach dem Wechsel sortiert sich die Führungsriege der Bezirkskliniken derzeit neu.

Und selbst wenn sich die neue Fachklinik für das Nahwärmenetz entscheiden sollte, läuft es für das Heizwerk nicht rund. Denn ein Neubau, den es aller Voraussicht nach geben wird, verbraucht wegen moderner Bautechniken viel weniger Energie als das Bestandsgebäude. Außerdem gehörten zu Bauzeiten des Heizwerks auch das Pflege- und das Schwesternwohnheim zum Gesundheitszentrum. Beide fallen mit dem fast fertiggestellten Rotkreuz-Pflegeheim gegenüber der Altmühltherme ebenfalls als Kunden weg. Um die fehlende Abnahmemenge zu kompensieren, müssten laut Röhnisch rund 50 unsanierte Einfamilienhäuser angeschlossen werden.

Doch warum interessieren sich nicht mehr Privathaushalte für die klimafreundlich vor Ort erzeugte Energie? Zwar könne der Verbrauchspreis mit einer Gasheizung locker mithalten, erklärt Mathias Ersfeld von den Stadtwerken. Allerdings seien die Anschlussgebühren ein entscheidender Faktor. 500 bis 600 Euro pro Meter Leitung können anfallen, da oft die Straße aufgegraben werden muss. Bei den aktuell relativ niedrigen Gaspreisen würde es Jahrzehnte dauern, bis sich der Anschluss rechnet.

Neben den Stadtwerken, die mit zwei Dritteln der Baukosten an dem Projekt beteiligt sind, betrifft die Situation besonders die eigens gegründete Holzenergie Treuchtlingen GmbH, in der 14 Holzlieferanten zusammengeschlossen sind. Ihnen droht schlimmstenfalls der Totalverlust.Dabei rentiert sich die Anlage für die Partner ohnehin noch nicht, denn sie wirft bislang keinen Gewinn ab. Außerdem sind noch die Schulden vom Bau des 1,6-Millionen-Euro-Projekts zu tilgen. Nach 18 Jahren sollte es eigentlich abgeschrieben sein.

Wie geht es nun weiter? Zumindest die Heizperiode bis März 2019 wird das Heizwerk noch überstehen. Nach dem Sommer wird der große Biomassekessel normalerweise zum Schulbeginn im September wieder in Betrieb genommen. Doch ab Herbst 2019 könnte er stillstehen. „Unter einem bestimmten Minimalwert funktioniert er technisch nicht“, sagt FBG-Chef Schmidt. Und auch die Nutzung als Kraft-Wärme-Anlage zur Erzeugung von Strom sei nur möglich, wenn die Anlage eine gewisse Auslastung habe.

Teilweise Stilllegung möglich

Denn der 800-Kilowatt-Kessel braucht mindestens 100 Kilowatt Grundlast. Bisher lief er neun Monate im Jahr und stand drei Monate im Sommer still. Das könnte sich nun umkehren, dann wäre er nur noch in drei Wintermonaten in Betrieb. Für die restliche Zeit müsste der Gaskessel der Stadtwerke einspringen, der 1800 Kilowatt leistet und bislang die Spitzenlasten abfedert.

Stadtwerke-Leiter Max Filser­ schwebt ein Verbund der beiden Treuchtlinger Nahwärmenetze vor, die sich ergänzen könnten. Denn im Keller der Altmühltherme steht ebenfalls ein Kessel, der das Bad, die Senefelder-Schule und das neue Rotkreuzheim mit Wärme versorgt. Doch dazu müss­te die Bahnstrecke an einer geeigneten Stelle unterquert werden, was das Vorhaben teuer macht. Zudem sei dies ein Plan für die 2020er-Jahre und nichts, was kurzfristig umgesetzt werden kann.

Über einen solchen Verbund hat laut Uwe Linss auch schon der Stadtrat nachgedacht. „Wir sind gedanklich dran“, so der CSU-Fraktionschef. Auf jeden Fall sei es wohl sinnvoller, „den Brenner zunächst auszuschalten, bevor er mit zu niedriger Leistung läuft und wir draufzahlen“. Die Kredittilgung allein wäre Linss zufolge für die Holzenergie GmbH wohl tragbar, bis sich neue Abnehmer finden – zum Beispiel das bereits genehmigte 16-Einheiten-Wohnhaus in der Bürgermeister-Sommer-Straße. Auf jeden Fall müsse es gelingen, das Heizwerk zurück in die schwarzen Zahlen zu bringen. „Bei Biogasanlagen auf den Dörfern klappt das ja auch.“

Kritisch merkt der CSU-Sprecher an, dass die Stadt im Gespräch mit den Bezirkskliniken „zu wenig daran gesetzt hat, die weitere Wärmeabnahme nach der Übergabe des Krankenhauses schwarz auf weiß verbrieft zu bekommen“. Gegen Ende der Verhandlungen habe man Nawratil – bekannt als knallharter Verhandler – „mit Zugeständnissen fast so weit gehabt, wohl wissend, dass der Abnehmer trotzdem für längere Zeit wegfällt“. Doch dann habe die Klinikleitung gewechselt, mit der jetzigen Hängepartie als Folge.

Für FW-Sprecher Klaus Fackler kommt dies wenig überraschend. „Es ist eine alte Forderung von mir, die beiden Heizwerke zu verbinden“, erinnert er. Die Biogasanlage der Therme habe ihre Auslastung fast erreicht, während das Heizwerk in der Hahnenkammstraße „von Anfang an zu groß konzipiert war“ – laut Fackler ein Planungsfehler. Ein Zusammenschluss der Standorte brauche aber Zeit, während der der Hackschnitzelkessel wohl größtenteils abgeschaltet und die Grundlast mit Gas gefahren werden müsse.

Private Abnehmer gesucht

Auch mit den neuen Akteuren beim Bezirk seien er und weitere Vertreter der Stadt fortwährend im Gespräch, betont Fackler. Noch gebe es jedoch nicht einmal eine Planung für die neue Fachklinik, sodass „wir im Trüben fischen“. Ähnlich sieht es bei den privaten Abnehmern aus: „Bei etlichen sind wir abgeblitzt, aber zum Beispiel mit der Hochschule laufen die Verhandlungen noch“, so der FW-Sprecher.

Ein erster Schritt könnte laut Fackler sein, das Rathaus ans Nahwärmenetz der Therme anzubinden. Die Stadtverwaltung soll ohnehin demnächst eine neue Heizung erhalten. Wenn stattdessen die Wärmeleitung vom Volkskundemuseum zum Rathaus verlängert werde, sei man einer Verbindung der Heizwerke wieder 300 Meter näher, schlägt Fackler vor. Die Stadtwerke hätten bereits den Auftrag, die Machbarkeit zu prüfen.

Eine Vorentscheidung könnte noch diese Woche fallen. Laut SPD-Fraktionschefin Susanna Hartl liegt das Thema Heizwerk „im Rahmen der Haushaltsvorbereitungen auf dem Tisch“. Bisher sei der Stadtrat aber nur darüber informiert worden, es habe „keine weitere Diskussion gegeben“. Am morgigen Donnerstag, 6. Dezember, setzt der Haupt- und Finanzausschuss in nichtöffentlicher Sitzung seine Haushaltsberatungen fort.

Für die an das Biomasseheizwerk angschlossenen Kunden ändert sich erst einmal nichts. Sie werden künftig über den im selben Gebäude untergebrachten Gaskessel der Stadtwerke mit Wärme versorgt, versichert Filser. Die bis 2020 laufenden Verträge würden auf jeden Fall eingehalten. Was die Betreiber nun aber bräuchten, wäre ein „Ankerkunde“, der die künftige Auslastung der Anlage garantiert – und zwar auf Dauer.

Der Kommentar: Zu spät und zu halbherzig

VON PATRICK SHAW

Man wird den Eindruck nicht los, dass die Stadt bei aller Freude über die Ansiedlung des neuen Rotkreuz-Pflegeheims und der psychosomatischen Fachklinik als Ersatz für ihr defizitäres Gesundheitszentrum die Folgen für das angeschlossene, zu zwei Dritteln von den Stadtwerken mitfinanzierte Biomasseheizwerk schlicht viel zu lange ausgeblendet hat. Entweder hätte sie den Anschluss des Neubaus zur Bedingung für den Vertragsabschluss mit den Bezirkskliniken machen, oder viel früher nach neuen Kunden suchen müssen. Erstaunlich ist auch der offenbar quer durch die Fraktionen sehr unterschiedliche Wissensstand im Stadtrat, der nicht gerade für eine gelungene Informationspolitik spricht.

360.000 Liter Heizöl und 700 Tonnen Kohlendioxid im Vergleich zu fossilen Brennstoffen sollte die Anlage jährlich einsparen. Ein guter Ansatz in Sachen Klimaschutz und dezentrale Energieversorgung. Aber mit Hinstellen und Zuschauen ist es bei einem solchen Vorhaben nicht getan. Die Stadt hätte ihr Nahwärmenetz von Anfang an stärker vermarkten und sukzessive erweitern müssen. Dabei wäre es nach wie vor besser für Umwelt und Stadt­säckel, Privatkunden bei den hohen Anschluss­kosten mit Zuschüssen unter die Arme zu greifen, als das Heizwerk mehrere Jahre lang herunterfahren oder gar stilllegen zu müssen. Und auch die Forstbetriebsgemeinschaft und die beteiligten Waldbauern darf die Stadt nicht einfach im Regen stehen lassen, will sie nicht für künftige Gemeinschaftsprojekte jegliche Glaubwürdigkeit verspielen.

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