Treuchtlinger Stein berührt die Wolken

23.9.2017, 06:04 Uhr
Treuchtlinger Stein berührt die Wolken

© michealleepicsnyc.com

Zwei knapp anderthalb Meter lange Jurasteinplatten, über Eck spitzwinkelig verbunden und mit zwei Metallbändern samt Ösen zum Aufhängen – das Bauteil scheint simpel und unspektakulär. Was an Aufwand und Knowhow dahinter steckt, ist jedoch ebenso beeindru­ckend wie der Einsatzort: als eines von über 23.000 Naturstein-Fassadenelementen, 300 Meter über dem Erdboden im künftigen Super-Wolkenkratzer „35 Hudson Yards“ in New York.

Das Mammut-Hochhaus ist einer von rund einem Dutzend riesigen Wohn- und Bürotürmen, die derzeit am Westrand von Manhattan entstehen und ein neues Geschäftszentrum ähnlich dem früheren World Trade Center bilden. Die Wolkenkratzer stehen mitten auf einer ebenso gewaltigen Plattform, die sich über 30 Bahngleise erstreckt, die während der gesamten Bauzeit in Betrieb bleiben – eine technische und logistische Meis­terleistung.

Treuchtlinger Stein berührt die Wolken

© Patrick Shaw

Nur für diesen Auftrag hat Franken-Schotter eine eigene Halle gebaut und 30 neue Arbeitsplätze geschaffen. Täglich verlassen etwa 2000 Kubikmeter Fertigteile das Werk in Petersbuch. Die nötige Fachkompetenz, Kapazität und Infrastruktur haben laut Geschäftsführer Dr. Torsten Zech „vielleicht drei Firmen weltweit“. Das Glas für die New Yorker Wolkenkratzer stammt übrigens ebenfalls aus Bayern, die Fenster aus Nordrhein-Westfalen.

Mit seinen rund 450 Mitarbeitern ist Franken-Schotter nach eigenen Angaben „der größte Arbeitgeber der Naturstein-Branche“. Aus den drei Steinbrüchen im Altmühltal gehen jährlich mehr als 300.000 Tonnen Kalkstein in alle Welt. Der Exportanteil liegt bei fast zwei Dritteln. 50 Länder stehen auf den Etiketten, darunter die USA, Russ­land, Indonesien und diverse arabische Staaten. Allein im vergangenen Jahr lieferte Franken-Schotter 110.000 Quadratmeter Fassadenplatten. Dietfurter Naturstein ziert unter anderem den 413 Meter hohen Al-Hamra-Tower in Kuwait, den Yachtclub von Monaco, das Siemens-Hauptquartier in München oder das Innenministerium in Berlin.

Treuchtlinger Stein berührt die Wolken

© Patrick Shaw

Die Produktionsfläche in Petersbuch und der Umsatz haben sich in der Folge in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, die Mitarbeiterzahl fast verdreifacht. Die abgebaute Steinmenge blieb während dieser Zeit jedoch nahezu konstant. Was sich geändert hat, sind Effizienz, Automatisierungsgrad und Individualität. „Seit dem vergangenen Jahr haben wir sogar den ersten Roboter“, erklärt Zech.

Der Natursteinbereich macht bei Franken-Schotter mittlerweile 90 Prozent des Umsatzes aus. Zum Sortiment gehören Fassadenplatten, Bodenbeläge, Treppen, Mauerwerk und Steinkörbe. Der einst namensgebende Schotter ist nur noch Abfallprodukt. „Trotzdem kann bei uns auch noch jeder seine zwei Fensterbänke bestellen“, versichert der Firmenchef.

Stolz ist Franken-Schotter auf seine Regionalität und seine Umweltstandards. „Wir sind kein Unternehmen, das nach Tschechien oder Ungarn abwandern kann“, betont Tors­ten Zech. Zwar ist der Steinabbau durchaus mit Lärm und Eingriffen in die Landschaft verbunden, er hinterlasse aber „einen relativ geringen ökologischen Fußabdruck“.

Dazu kommen bei Franken-Schotter kurze Transportwege, Ökostrom- und Regenwassernutzung sowie eine Rohstoffverwertung bis zum letzten Kiesel. Auch der Abbau ist effizienter geworden: Nutzte die Firma vor 25 Jahren in den Steinbrüchen noch sechs Lagen Kalkgestein, so fressen sich die Abbauschluchten heute bis zu 30 Lagen tief in den Fels. Der Sprengstoffverbrauch ist seit 2007 um drei Viertel zurückgegangen.

Nachhaltigkeit: Mehr als nur Umweltschutz

Das alles sind Nachhaltigkeitsfaktoren, für die Franken-Schotter nun vom Institut Bauen und Umwelt (IBU) die bundesweit ers­ten Umwelt-Produktdeklarationen (EPD) für Fassaden- und Bodenplatten aus Jurakalk erhalten hat. Sie garantieren die Nachhaltigkeit der Produkte.

Doch was ist Nachhaltigkeit? Der in Deutschland „erfundene“ Begriff ist in aller Munde, wird aber oft mit reiner Umweltfreundlichkeit verwechselt. Dabei gehören zu Nachhaltigkeit auch Aspekte wie faire Arbeitsbedingungen, soziale Verantwortung, Kultur, Ästhetik und Lebensqualität. Die sind allerdings schwer zu messen.

Das ist ein Manko bei Gütesiegeln wie dem „Blauen Engel“ oder dem EU-Energielabel. So hat der Blaue Engel allein die Umwelt im Blick – wer maximal ökologisch wohnen möchte, müsste demzufolge in letzter Konsequenz zurück in die steinzeitliche Höhle ziehen. Das Energielabel wiederum vergleicht nur, bewertet aber nicht. Nach seinen Kriterien ist ein Leopard-Panzer genauso klimafreundlich wie ein VW-Golf – er verbraucht nämlich nicht mehr Treibstoff pro Tonne Gewicht.

Das IBU hat dies nach Worten seines Vorstandvorsitzenden Hans Peters erkannt. Für seine Umwelt-Produktdeklarationen betrachtet der unabhängige Industrieverein die Gesamtbilanz eines Produktes von den Bedingungen der Herstellung über Langlebigkeit und Nutzungseigenschaften bis hin zum idellen Wert.

Die Daten dienen in der Baubranche der ökologischen Gebäudebewertung und sind laut Franken-Schotter-Geschäftsführer Dr. Torsten Zech international zunehmend gefragt. „Ein Stein oder eine Platte ist nie nachhaltig, sondern immer nur das, was wir daraus machen“, fasste IBU-Chef Peters bei der Übergabe der EPD zusammen.

Treuchtlinger Stein berührt die Wolken

© Patrick Shaw

Keine Kommentare