Wettelsheimerin reist im Namen des Tierschutzes

6.6.2013, 07:29 Uhr
Wettelsheimerin reist im Namen des Tierschutzes

© Shaw

In zahlreichen Krisen- und Kriegsgebieten droht Zoo- und Nutztieren dieses grausame Schicksal. Wenn die Menschen erst hungern oder aufeinander schießen, ist es ihnen egal, was mit den Vierbeinern geschieht. Die im Stall oder Gehege gefangenen Tiere verenden qualvoll. Sich dagegen zu wehren, erfordert Mut. Zum einen sind Reisen in Konfliktgebiete gefährlich; zum anderen ist aber auch hierzulande die Akzeptanz für Tierschutz nicht besonders hoch, wenn gleichzeitig Menschen sterben.

Barbara Engelhardt aus Wettelsheim ist so eine besondere Tierschützerin. Sie schert sich nicht um das Gerede anderer. Dass die gelernte Dolmetscherin, die auch schon für die EU in Brüssel gearbeitet hat, keine Scheu vor Risiken hat, beweisen die vielen Visa in ihrem Reisepass: Syrien, Libanon oder der Irak haben dort ihre Stempel hinterlassen. Erst vor wenigen Tagen ist Engelhardt aus dem Iran zurückgekehrt, und im vergangenen Jahr war sie sogar in Nordkorea.

Wettelsheimerin reist im Namen des Tierschutzes

© Privat

Krisentourismus? Keineswegs, sagt die junggebliebene Mittfünfzigerin. „Ich finde Urlauber blöd. Wenn ich verreise, habe ich immer eine Aufgabe: den Tierschutz.“ Das ist bei der gebürtigen Wemdingerin seit der Kindheit so. „Auf unserem Schulhof wurden damals die Rinder gewogen“, erzählt sie. „Die Viehtreiber haben die Tiere blutig geschlagen, und kein Lehrer hat was gesagt.“ So habe sie bereits als Teenager beschlossen, „nie mehr wegzusehen“. Den Mut habe sie von ihrem Vater, der früher einen Steinbruch oberhalb von Wettelsheim betrieben und sie stets ermutigt habe, „keine Angst zu haben“.

Diese entwaffnende Furchtlosigkeit und Offenheit kommen Barbara Engelhardt nun bei ihrer „Mission“ zugute. Denn es sind keine durch­organisierten Luxusreisen, die die fließend Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch und drei weitere Sprachen sprechende Aktivistin unternimmt. Vielmehr fliegt sie aufs Geratewohl in ferne, oft arme und politisch instabile Länder, schlägt sich dort per Bus und Bahn durch und übernachtet bei Einheimischen, die sie auf der Straße anspricht.

Das klappt erstaunlich gut: „Die Muslime sind sehr gastfreundlich“, weiß sie seit ihrem Arabisch-Studium in den 1980er Jahren in Damaskus. So sei sie auch vor einigen Wochen nach ihrer Ankunft im iranischen Abadan einfach auf eine Gruppe Tee trinkender Iraner zugegangen und sei sofort eingeladen worden, für zwei Tage bei der Familie zu wohnen.

Sich „einfach durchgefragt“

Die Kontakte zu Politikern und Militärs, denen sie ihr Anliegen vorträgt, stellt Barbara Engelhardt (die Araber nennen sie „Lina“, weil sie „Barbara“ nicht aussprechen können) oft auf dem gleichen Weg her: Sie fragt sich einfach durch. Auf diese Weise konnte sie bereits mit zwei syrischen Ministern, iranischen Mullahs und diversen arabischen Militärs über den Tierschutz sprechen. Ihr Hauptziel: „Den Tieren vor Ausbruch einer Krise lieber den Gnadenschuss zu geben, als sie verhungern zu lassen.“ Aber auch die Bedingungen in Schlachthöfen, von Arbeitstieren und bei Tiertransporten kritisiert die streitbare Fränkin.

In den muslimischen Ländern bedient sich Engelhardt dabei einer cleveren Taktik: Sie packt die Einheimischen bei ihrer religiösen Ehre. Mit ihren Sprachkenntnissen und stapelweise kopierten Koran-Auszügen im Gepäck überzeugt sie Geistliche wie Laien, dass der Tierschutz im Islam einen hohen Stellenwert hat und von den Gläubigen nicht ernst genug genommen werde. „Das funktioniert, weil die Muslime ihre Religion im Gegensatz zu uns ernst nehmen“, erklärt sie.

Das Erstaunliche: „Ich habe dafür noch nie ein böses Wort geerntet“, blickt Engelhardt zurück. Vermutlich seien die Menschen viel zu überrascht, dass sie eine westliche Besucherin auf arabisch anspreche, aus dem Koran zitiere und mit ihnen über die Behandlung ihrer Rinder, Pferde oder Kamele diskutieren wolle. Ein Blatt vor den Mund nehme sie im Übrigen auch hierzulande nicht – zum Beispiel wenn ein Gaststättenbesucher die Hälfte seines Steaks zurückgehen lässt: „Dann gehe ich hin und frage ob er weiß, wieviel Qual nötig war, bis das Fleisch auf seinem Teller gelandet ist.“

Eine Kontrollmöglichkeit, ob ihre Appelle fruchten, hat Engelhardt freilich nicht. Sie vertraut auf das Wort ihrer Freunde und Bekannten, denen sie ohnehin weit mehr Einblick und Einfluss zutraut als staatlichen Stellen oder westlichen Organisationen. Außerdem glaube sie, dass „ich bei meinen Reisen so viel Glück habe, weil ich Gutes tue und das auch ausstrahle“.

Kontakte und Abenteuer gratis

Den von anderen Reisenden teuer bezahlten „Abenteuerurlaub“ (auch wenn sie ihn selbst nicht so nennen würde) gibt es für die Wettelsheimer Aktivistin quasi „gratis obendrauf“. So sei sie während ihrer Studienzeit in Syrien zum Beispiel mehrmals mit Basil al-Assad, dem 1994 verunglückten älteren Bruder des heutigen Machthabers, ausgegangen, habe im Iran heimlich das Grab Khomeinis fotografiert oder sich zusammen mit einem nordkoreanischen Grenzpos­ten über überhebliche amerikanische Touristen lustig gemacht.

Derzeit lernt Barbara Engelhardt als achte Sprache Chinesisch und denkt schon über ihre nächste Reise nach Usbekistan, Turkmenistan und/oder Aserbaidschan nach – ganz wonach ihr dann gerade ist. Schade findet sie nur, dass ihre Tochter nichts für ihre spontanen Reisen und ihr „tierisches“ Engagement übrig hat. Das sei ihr „zu anstrengend“.

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