25. September 1970: 30 Bedürfnisanstalten in Nürnberg

23.9.2020, 13:12 Uhr
Einfamilienhaus-Atmosphäre lockt im Nürnberger Stadtpark.

© Contino Einfamilienhaus-Atmosphäre lockt im Nürnberger Stadtpark.

Ein eigener Trupp ist ständig unterwegs, um diese Aufgabe zu bewältigen. Kritik wird dennoch manchmal laut: daß die Zahl zwar ausreichend sei, nicht jedoch die Verteilung über das Stadtgebiet. Um ein Beispiel zu nennen: das Ausflugsgebiet um die Wöhrder Wiese ist auf diese Weise noch recht notdürftig erschlossen. Aber es gibt leider mehrere Zonen, die Niemandsland sind für diejenigen, denen es pressiert. Um einen Eindruck von den bestehenden Häuserin zu gewinnen, unternahmen die „Nürnberger Nachrichten“ einen kleinen Streifzug durch die Nürnberger einschlägigen Anstalten.

Hilfreiche Pfeile weisen...

Hilfreiche Pfeile weisen... © Contino

Das Prunkstück auf dem Friedrich-Ebert-Platz ist nicht mehr. Der Treppenabgang, der sich in einer eleganten Wendung nach rechts in die Erde senkt und von dort in die Erleichterungshalle führt, ist verschlossen. Unrat und Abfälle haben die Stufen bedeckt, und überhaupt ist das Bild recht trostlos, obwohl Büsche wenigstens den Rahmen ein bißchen freundlicher gestalten. Aber es hilft nichts: Wehmut will den Betrachter und Müssenden überkommen, wenn er bedenkt, daß hier einmal Nürnbergs originellste Underground-Bedürfnisanstalt zu benutzen war.

Allerdings ist der Weg zur nächsten nicht weit: just gegenüber, im Trakt der Omnibus-Wartehalle ist sie untergebracht. Bei ihr aber stand Zweckmäßigkeit Pate. Bei den Männern gibt es, je nach Anfall, zwei Türen, die nicht einmal auf einer Seite des Gebäudes liegen. Mitfühlende haben daher – für ganz Eilige – die schwarze Aufschrift „Pissoir“ mit vier Pfeilen versehen und mit dem Zusatz „Um die Ecke“.

...zu verschwiegenen Häuschen

...zu verschwiegenen Häuschen © Contino

Auch wer davorsteht, kann nicht hineinschauen, denn eine Keuschheitsmauer verwehrt den Blick; nicht aber das Eintreten. Freilich: lohnend ist's ohnehin nur für die Benutzer. Denn das Innere gibt sich betont schlicht: Fliesen überall, und an drei Wänden entlang zieht sich eine sinnvolle Rinne. Bemerkenswertes ist nicht zu entdecken. Bescheiden nimmt sich dagegen noch die Toilette an der Karl-Grillenberger-Straße aus: zwei verwaschene Schilder geben Auskunft darüber, welche Aufgabe die beiden Räume zu erfüllen haben; auch der Geruch tut‘s ein wenig. Die Türen nämlich stehen zumeist offen.

Romantische Gemüter zieht es da mehr zu jenen Toiletten, auf die ein gepfeiltes und beschriftetes Holzbrett am Sterntor hinweist. Doch folge man ihm nicht: der Weg führt durchs östliche Tor zur Fahrbahnunterquerung. Ein unbekannter Poet hat denn auch an die Mauer die klagende Frage geschrieben: „Wo ist das Klo?“

...und zu einladenden Pforten.

...und zu einladenden Pforten. © Contino

Die Antwort liegt unter der Erde, unter dem Bahnhofsplatz. Diese Erleichterungsstätte ist ungemein modern und gekachelt, und überall fließt das Wasser. Formgerechte Becken werden auch individualistischen Ansprüchen gerecht. Trotzdem ist der Betrieb nicht sonderlich groß: die zweifache Konkurrenz vom unweit gelegenen Bahnhof ist einfach zu stark.

Hier geht das Geschäft tagaus, tagein, und selbst des Nachts ist noch etwas los. In Stoßzeiten gar setzt ein richtiges Powerplay ein. Doch man ist höflich und drängelt nicht. Fast unbeachtet bleiben da die paar Kritzeleien an der Wand, die von menschlichem Sehnen und Kontaktsuche zeugen.

Wie schön ist es doch da im Stadtpark! Gewiß, wer den Hinweisschildern einige Zeit gefolgt ist, könnte denken, daß Bäume oder Büsche damit gemeint sind. Der Ausdauernde aber wird belohnt: Etwas zurückversetzt vom Gehweg liegt der Flachbau, dessen Einfamilienhaus-Image durch Blumentöpfe vor dem Fenster der Wärterin nur unterstrichen wird. Das weit vorgezogene Dach ruht auf drei Stahlrohr-Säulen, die in ihrer schlanken Form korinthisch, in ihrer Schlichtheit aber eher dorisch wirken. Einfach ist auch die Innenausstattung, doch durchaus zweckmäßig.

Konkurrieren kann damit, wenigstens vom Aussehen her, das Häusl an der Ecke Roonstraße/Brückenstraße. Es ist, umstanden von dichten Büschen und lichten Bäumen, ein rechtes Kleinod der Stadt. Die Maße des kleinen Bauwerks sind ausgewogen, die Fensteröffnungen sind mit einem aparten Gittermuster ausgefüllt. So daß schon der äußere Eindruck zu versprechen scheint: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein.

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