29. September 1970: Obdachlos aber mit eigener Badewanne

29.9.2020, 07:11 Uhr
Zwei Welten stoßen im Schafhoflager aufeinander: links Baracken, Gerümpel und ein Sofa unter freiem Himmel, auf dem Männer die Herbstsonne genießen. Rechts die Obdachlosenhäuser mit 133 Wohnungen und – endlich – ein richtiger Kinderspielplatz.

© Ranke Zwei Welten stoßen im Schafhoflager aufeinander: links Baracken, Gerümpel und ein Sofa unter freiem Himmel, auf dem Männer die Herbstsonne genießen. Rechts die Obdachlosenhäuser mit 133 Wohnungen und – endlich – ein richtiger Kinderspielplatz.

So entschied der Sozialausschuß des Stadtrates über einen Antrag der CSU-Fraktion. Allerdings: nur die Bewohner der noch zu errichtenden Nachbarschaft können sich darüber freuen. In den schon fertiggestellten und bezogenen Wohnungen soll lediglich ein zweites Waschbecken die Reinlichkeit fördern.

Mit seiner Entscheidung, nun doch Bäder in den Obdachlosenwohnungen zu installieren, warf der Ausschuß seine früheren Argumente und Beschlüsse über Bord. Die ersten 133 Wohnungen wurden als „Einfachst-Wohnungen“ geplant. Sie sollten menschenwürdig sein; aber doch nicht so komfortabel, daß sich die Insassen daran gewöhnen und schließlich gar nicht mehr ausziehen. Der Anreiz, diese „letzte Zuflucht“ wieder zu verlassen, sollte gewahrt bleiben.

Nun aber sind in der Nachbarschaft II größere Wohnungen für kinderreiche Familien geplant. Und hier, so fand die Stadt, sei ein Badezimmer nicht Luxus, sondern Notwendigkeit. Für mehr hygienische Einrichtungen trat, vor allem auch die CSU ein. Sie legte einen entsprechenden Antrag vor. Er fand bei der Mehrheit im Ausschuß Zustimmung.

Der Sozialausschuß entschied auch, für Schafhof einen hauptamtlichen Sozialarbeiter für Gemeinwesenarbeit einzustellen. Ferner soll Vorschulerziehung in Schafhof in Angriff genommen werden. Stadtrat Kurt Schuster (SPD): „Hier muß auch der Schulausschuß konsultiert werden. Der Staat hat seinen Beitrag zu leisten.“

In den neuen Häusern sind 451 Menschen, darunter 271 Kinder, untergebracht. Sozialreferent Dr. Max Thoma berichtete, daß die Stadt insgesamt 2902 Obdachlose zu versorgen hat. Die Mietpreise (amtlich „Gebühren“ genannt) betragen in den Neubauten DM 2,50 pro Quadratmeter. In den Bemühungen, die Obdachlosen menschenwürdig unterzubringen, ist in diesem Jahr eine Stagnation eingetreten, sagte Dr. Thoma. „Wir müssen sogar damit rechnen, daß sich die Zahl der Obdachlosen durch die allgemeine Mietpreisentwicklung wieder vergrößert.“

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