6. Oktober 1970: Ist der Schulstreik „für die Katz?“

6.10.2020, 08:08 Uhr
Die Schule in der Preißlerstraße ist für 1200 Kinder der Volks- und Sonderschule zu klein. Deshalb müssen zwei Klassen täglich mit dem Bus in die Schule in der Ambergerstraße fahren. Die Eltern fordern: „Gliedert die Sonderschule aus und errichtet für sie Pavillons.“   

© Ranke Die Schule in der Preißlerstraße ist für 1200 Kinder der Volks- und Sonderschule zu klein. Deshalb müssen zwei Klassen täglich mit dem Bus in die Schule in der Ambergerstraße fahren. Die Eltern fordern: „Gliedert die Sonderschule aus und errichtet für sie Pavillons.“   

Es gärt in der Schule. Nur die Kinder freuen sich über zwei geschenkte schulfreie Tage. Die Schulbehörden bleiben dagegen gelassen. Für den Raummangel ist die Stadt zuständig und damit Oberschulrat Kurt Gemählich. Er kann den Eltern eine gewisse Sympathie nicht versagen: „Sie haben den Mut, den Finger auf eine offene Wunde zu legen. Es ist ganz gut, daß das Bewußtsein der Öffentlichkeit dahingehend geschärft wird, daß wir in einem reichen Land, aber auch in einem armen Staat leben.“

Die Finanzkraft der Gemeinden ist nach Gemählich einfach zu gering, um die Schulraumfrage befriedigend zu lösen. Deshalb wird improvisiert, ja gestöpselt. „Ich verwalte den Mangel“, sagt der Oberschulrat resigniert. Aber da treffe niemanden ein Verschulden. Bei der derzeitigen Aufteilung der Steuereinkommen sei die Stadt einfach nicht in der Lage, die vielen Gemeinschaftsaufgaben befriedigend zu erfüllen.

Das Stadtschulamt verhehlt nicht, daß ein Dutzend Nürnberger Schulen noch schlechter gestellt ist, als die Schule in der Preißlerstraße. Für 1971 war ein neues Ordnungskonzept vorgesehen. Nun ist aber heute schon bei den Eltern der Geduldsfaden gerissen.

Das Staatliche Schulamt, für die personelle Seite zuständig. will von einem Lehrermangel nichts wissen. Regierungsschuldirektor Heinrich Windisch: „Alle notwendigen Stunden, die für Schüler erteilt werden müssen, sind personell gesichert.“

Windisch glaubt auch nicht, daß der Streik auf das Kultusministerium einen Eindruck machen wird. Er prophezeit: „Wir bekommen dadurch keinen einzigen Lehrer mehr. Die Leidtragenden sind einzig und allein die Kinder, für die zwei Schultage ausfallen.“

Der Schulrektor in der Preißlerstraße streitet einen Lehrermangel nicht ab. Davon betroffen ist der Kursunterricht, bei dem schwache und gute Schüler voneinander getrennt in Mathematik, Englisch, Physik oder Chemie unterwiesen werden. Durch den Lehrermangel können diese Kurse in der Teilnehmerzahl nicht klein genug gehalten werden, als dies notwendig ist.

„Ich habe kein Verständnis“

Bruno Schneeberger vom Elternbeirat und mit ihm 559 Väter und Mütter wollen sich nicht mehr umstimmen lassen. „Der Streik ist beschlossene Sache“, sagt Schneeberger. „Wenn ich mir vorstelle, daß für den Ausbau des Stadions Millionen gefordert werden, nur damit dort zwei oder drei Spiele zur Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen werden können, dann habe ich dafür als Vater von drei Kindern nicht das geringste Verständnis. Die Millionen gehören in den Bau von Schulen.“

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