Eine Bilanz für die Region

Acht Jahre Altkennzeichen: Ist UFF noch immer HIP?

18.5.2021, 06:00 Uhr
Der Pegnitzer Helmut Graf hat 2013 sein BT-Kennzeichen gegen die alte Kennung seiner Heimat PEG eingetauscht.

© Thomas Knauber Der Pegnitzer Helmut Graf hat 2013 sein BT-Kennzeichen gegen die alte Kennung seiner Heimat PEG eingetauscht.

2012 wollte der Freistaat seinen Bürgerinnen und Bürgern etwas zurückzugeben. Nicht etwa Steuereinnahmen, sondern Kennzeichen. Und zwar die, die sie viele Jahre zuvor abgeben mussten. Die Rede ist von Kennzeichen alter Landkreise, die durch die Gebietsreform 1972 verschwunden waren. Durch eine Entscheidung des Bayerische Wirtschaftsministerium sind seit 2013 die Altkennzeichen an einigen Zulassungsstellen in der Region wieder zu haben. Der Freistaat begründete die Entscheidung damit, dass die lokale Identität sowie die regionale Wirtschaft und der Tourismus dadurch gestärkt werden. Die Idee stieß nicht überall auf Zustimmung.

Beispielsweise beim Bayerischen Landkreistag. Als "Rückschritt" betitelte der damalige Präsident Jakob Kreidl den Vorstoß. Diese Rückkehr zur Vergangenheit sei in seinen Augen nicht hilfreich. Seine Befürchtung: 40 Jahre nach der Gebietsreform könnten so alte Wunden aufgerissen werden.

Alles neu: Die Gebietsreform 1972

Weniger Landkreise, weniger kreisfreie Städte: Durch die Gebietsreform sollte vor knapp 50 Jahren in Bayern aufgeräumt werden. Der Plan des damaligen Innenministers Bruno Merk (CSU) sah 1971 vor, insgesamt 86 der bestehenden 143 Landkreise aufzulösen und 28 der 48 kreisfreien Städte in Landkreise zu überführen. In der Region konnten die Städte Nürnberg, Fürth, Erlangen, Ansbach und Schwabach ihre Unabhängigkeit behalten, nicht so die Städte Forchheim und Weißenburg. Sie wurden "zurückgekreist" und in neue Landkreise integriert.

Acht Jahre Altkennzeichen: Ist UFF noch immer HIP?

© NN-Grafik

Rund um Nürnberg wurde die Reform besonders emotional diskutiert. Dem Boxdorfer Bürgermeister Alfred Rohrmüller gefiel es nicht, dass ein Teil seiner Gemeinde der Stadt Fürth zugesprochen werden sollte. Fischbachs Bürgermeister Peter Hüffkes wollte wegen die geplante Neuaufteilung klagen und Katzwangs Bürgermeister Georg Brunner betonte: "Den Anschluss an Nürnberg müssen wir schlucken, so traurig es auch ist." Nach langen Diskussionen trat die Gemeindereform im Juli 1972 in Kraft. Es blieben insgesamt 71 Landkreise in Bayern, sieben davon in Mittelfranken.

Einführung trotz Protest

40 Jahre später entschied sich der Freistaat trotz Protesten für die Einführung der Altkennzeichen. Allerdings stellten der Bayerische Ministerrat und der Bundesrat es den den Landkreisen frei, ob sie sich der Einführung anschließen wollen. Insgesamt haben sich in Bayern 51 Landkreise dafür entschieden. In den 20 übrigen blieb alles beim Alten, beispielsweise in den Landkreisen Bamberg und Fürth.

Was hat sich in den einzelnen Landkreisen verändert?

In Landkreis Amberg-Sulzbach werden jedes Jahr bis zu 300 Altkennzeichen ausgegeben. Momentan fahren dort knapp 2.000 von 110.000 gemeldeten Fahrzeugen im Landkreis mit einer BUL-, ESB-, NAB- und SUL-Kennung durch die Gegend. Anfangs waren die neuen alten Kennzeichen nicht besonders beliebt. Der damalige Stadt- und Kreisrat Georg Gsell fand, dass durch die Einführung ein Keil in die vor 40 Jahren vollzogene Gebietsreform getrieben werde. Für ihn war diese Art von Nostalgie damals "Schmarrn und Humbug". In den ersten sechs Monaten nach der Einführung haben lediglich 35 Fahrzeugbesitzer ihr bestehendes Kennzeichen umgetauscht. Davon wollten 25 Personen gleich am ersten Tag ein SUL-Kennzeichen des ehemaligen Landkreises Sulzbach-Rosenberg, der im Zuge der Gebietsreform mit dem ehemaligen Landkreis Amberg zusammengelegt wurde.


Corona: Warum es im Landkreis Amberg-Sulzbach seltener Gemeindezahlen gibt.


Weiter nördlich im Landkreis Bamberg hat man sich 2013 gegen die Einführung der Altkennzeichen entschieden. Das legte damals der Kreisausschuss unter dem ehemaligen Landrat Günter Denzler (CSU) fest. Seine Begründung: "Die Wunden der Landkreisgebietsreform von 1972 sind gerade verheilt". Fünf verschiedene Kennzeichen hat es im Bereich des Landkreises Bamberg damals gegeben: EBN (Ebern), STE (Staffelstein), EBS (Ebermannstadt) und HÖS (Höchstadt).

Der Nachbarlandkreis Forchheim entschied sich 2013 für die Wiederbelebung der Altkennzeichen EBS und PEG. Wie der stellvertretenden Leiter der Zulassungsbehörde, Marcus Mehling, schon 2014 feststellen konnte, waren es vor allem Fahrer aus dem Stadtgebiet Ebermannstadt, die ein EBS-Kennzeichen haben wollten: 57 Prozent der ausgegebenen EBS-Schilder gingen 2014 an sie. Bewohner aus den Landkreisgemeinden seien hingegen reservierter gewesen. Dabei lockten durch die neuen Kennzeichen neue Kombinationsmöglichkeiten, PEG-GY beispielsweise.

Besonders hohe Kosten sind dem Landkreis durch die Entscheidung nicht entstanden, dafür war der Arbeitsaufwand ziemlich hoch. Denn: Die Vergabe der Altkennzeichen musste mit anderen Landkreisen koordiniert werden. Beispiel EBS: Der alte Landkreis Ebermannstadt wurde 1972 aufgelöst. Teile davon gingen an Bamberg, Bayreuth und Forchheim. Da sich neben Forchheim auch der Landkreis Bayreuth für eine Wiedereinführung entschieden hatte, musste vorher genau abgesprochen werden, welche Zahlen- und Nummer-Kombinationen des EBS-Kennzeichen die jeweiligen Landratsämter ausgeben dürfen.

Im Landkreis Bayreuth gibt es seit 2013 sechs verschiedenen Erkennungskennzeichen. Neben dem alten BT gibt es dort mittlerweile ESB (Eschenbach), PEG (Pegnitz), KEM (Kemnath) und in Absprache mit dem Landkreis Hof seit 2014 MÜB (Münchberg). Die Leiterin des zuständigen Geschäftsbereiches im Landratsamt, Ingrid Gleißner-Klein, erklärte die Vielfalt damals mit einem einfachen "wenn schon denn schon", schließlich sollten alle Bereiche früherer Landkreises mit einbezogen werden: "Wir bieten dies den Bürgern an, es muss ja keiner nehmen." Neben dem EBS-Kennzeichen teilt sich Bayreuth mit dem Landkreis Nürnberger Land das Kennzeichen ESB, dass im Landkreis allerdings bisher nur 131 Mal vergeben wurde (Stand: 2020).

Im Landkreis Erlangen-Höchstadt wurde erst 2015 die Einführung eines Altkennzeichens beschlossen. Seitdem führt die Zulassungsstelle auch das HÖS-Kennzeichen des Alt-Landkreises Höchstadt. Insgesamt 774 Leute tauschten dafür sogar ihr ERH-Kennzeichen ein. Besonders beliebt waren hier kurze Kombinationen und Schnapszahlen. Nach einem anfänglichen Ansturm (2015: + 2.294) hat die Nachfrage in den letzten Jahren wieder nachgelassen (2020: + 1.104).

Im Landkreis Ansbach war der Ansturm so groß, dass zur Einführung der Altkennzeichen 2013 die Zulassungsstellen in Dinkelsbühl, Feuchtwangen und Rothenburg ob der Tauber sogar Überstunden schieben mussten. Kein Wunder: Bei den drei Standorten handelt es sich um Altlandkreise, die 1972 mit der kreisfreien Stadt Rothenburg ob der Tauber in den Landkreis Ansbach eingegliedert wurden. Insgesamt 383 DKB-, FEU- und ROT-Kennzeichen wurden allein in den ersten drei Tagen vergeben.

Bis heute wurden 1.573 AN-Kennzeichen umgetauscht. Besonders auffällig: Im Landkreis Ansbach waren vor der Einführung der Altkennzeichen 2013 noch viele Fahrzeuge gemeldet, die noch Kennzeichen aus der Zeit vor der Gebietsreform hatten, insgesamt 4.746 Stück. Dabei handelt es sich laut Landratsamt vermutlich um zahlreiche Landwirtschaftsfahrzeuge, wie alte Traktoren.

Kosten eines Altkennzeichens

PAR-IS und PAR-TY sind beliebte Kennzeichenkombinationen, die seit der Einführung des Parsberger Altkennzeichens im Landkreis Neumarkt zu finden sind. Ein Fahrer beantragte in Neumarkt gleich zu Beginn das Kennzeichen PAR-IS 2013, weil er noch im selben Jahr zur Tour de France fahren wollte. Wie viel die Einführung des PAR gekostet hat, kann das Landratsamt nicht beziffern. Allerdings handelt es sich beim "Parsberger"-Kennzeichen um ein Wunschkennzeichen, für das ähnlich wie bei besonderen Buchstaben- und Zahlen-Kombinationen eine Gebühr von 10,20 Euro fällig wird. Durch Wunschkennzeichen aller Art nimmt der Kreis jährlich knapp 100.000 Euro ein. Im Vergleich zum Gesamtbestand an Fahrzeugen ist im Landkreis Neumarkt der Anteil an PAR-Kennzeichen mit 3,3 Prozent verschwindend gering.

Als komplett neuer Landkreis entstand durch die Gebietsreform von 1972 der Landkreis Nürnberger Land. Zunächst hieß er bis 1973 Lauf an der Pegnitz und wurde aus den Resten der Landkreise Nürnberg, Forchheim, Pegnitz und Eschenbach sowie dem Großteil des Landkreises Lauf und Hersbruck gebildet. Seit 2013 gibt das Landratsamt neben LAU auch die Kennzeichen ESB, HEB, N und PEG aus. Das hat damals Landrat Armin Kroder nicht allein entschieden, sondern der gesamte Kreistag stimmte für die Einführung. Besonders beliebt sind im Nürnberger Land die Altkennzeichen HEB (Bestand 2020: 13.619) und N (Bestand 2020: 16.241). Das HEB-Kennzeichen macht 8,5 Prozent der Gesamtkennzeichen im Landkreis aus, N sogar über 10 Prozent. Die Anzahl an PEG-Fahrzeugen im Landkreis ist dagegen beschaulich: Sogar 2020 waren es noch unter 100 Stück.

Weiter südlich hat sich der Landkreis Roth für die Einführung des alten Hilpoltsteiner Kennzeichens "HIP" entschieden. Einen großen Ansturm gab es allerdings nicht, wie das Landratsamt mitteilt. Als einer der ersten holte sich damals Klaus Lang aus Hilpoltstein sein Wunschkennzeichen HIP-KL-1. Reserviert hatte er das bereits 2011, als die Wiedereinführung der Kennzeichen noch gar nicht beschlossen war. "Es stand damals in der Zeitung, dass überlegt wird, die alten Kennzeichen wieder aufzulegen. Da hab ich meine Beziehungen spielen lassen und gleich eins reserviert", erklärt der Rentner heute.


„HIP"-Hurra mit dem neuen (alten) Autokennzeichen


Mittlerweile hat Lang einen neuen Wagen hat, sein HIPes Kennzeichen ist allerdings geblieben. Für den ehemaligen Sparkassenleiter ist das Kennzeichen noch immer wichtig, zum einen, weil er gebürtiger Hilpoltsteiner ist, zum anderen weil Lang der Sohn des ehemaligen Bürgermeisters ist. Sein Vater war zu der Zeit im Amt, in der die Gebietsreform beschlossen wurde, hat also die Eingemeindungsverhandlungen mit geführt. Lang selbst ist die Umstellung durch die Neueinteilung der Landkreise nicht so schwer gefallen, wie seinem Vater, erzählt er.

Durch die Gebietsreform wurde auch der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen neu gebildet. Seit 2013 ist dort zusätzlich zum regulären WUG-Kennzeichen das alte GUN-Kennzeichen erhältlich. Insgesamt sind derzeit 85.028 WUG und 14.282 GUN-Fahrzeuge unterwegs, die GUN-Fahrzeuge macht damit über 14 Prozent des gesamten Fahrzeugbestandes aus (Stand: März 2021).

Auch der westlichste Landkreis in Mittelfranken, Neustadt/Aisch-Bad Windsheim, hat die Altkennzeichen UFF (Altlandkreis Uffenheim) und SEF (Altlandkreis Scheinfeld) wieder zugelassen. Beide Kennzeichen waren zur Einführung 2013 besonders beliebt. Im ersten Jahr stieg der UFF-Bestand um 707 und der des SEF-Kennzeichens um 668. Ihr Anteil am Gesamtbestand ist mit 4,6 (UFF) und 3,1 (SEF) Prozent allerdings gering.

Wie wichtig ist das Auto in der Region?

Die Fahrzeugbestände aller Landkreise und kreisfreien Städte in der Region zeigen alle den gleichen Trend: Es werden trotz Klimawandel und gestiegenen Umweltbewusstsein immer mehr Fahrzeuge zugelassen. Auch im Corona-Jahr 2020 wurden es mehr statt weniger Fahrzeuge.

Der Trend in der Region überrascht. Auch deshalb, weil das Bundesverkehrsministerium zuletzt einen gegenteiligen Trend feststellen konnte. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs am gesamten Verkehrsaufkommen ist nämlich in den letzten zehn Jahren bundesweit kontinuierlich gesunken. Eisenbahnen und der öffentliche Nahverkehr verzeichnen dagegen einen Zuwachs. Laut ADAC liege die Zunahme des Fahrzeugbestandes in Bayern auch daran, dass immer mehr Freizeitfahrzeuge, wie Youngtimer und Motorräder, angeschafft werden.

Polarisieren Kennzeichen auch heute?

Insgesamt zeigt sich, dass nicht nur die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge in der Region steigt, sondern auch der Bestand an Altkennzeichen, wenn er auch mancherorts sehr langsam wächst. Zu großen Scherzen hat die Einführung der Altkennzeichen 2013 bei den Landratsämtern nicht geführt, auch die Ängste des Bayerischen Landkreistages blieben unbegründet. Auf Nachfrage teilt dieser mit, dass heute die Diskussionen um die Altkennzeichen bei seinen Mitgliedern verstummt seien. Weiterhin wird betont, dass die Wiedereinführung in Anbetracht der Gebietsreform überholt gewesen sei.

Sie sind gefragt!

Egal ob Altkennzeichen oder nicht, Nummernschilder polarisieren oft auch in anderer Form. Wer kennt nicht die "wahren Bedeutungen", die viele mit bestimmten Kennungen assoziieren, wie beispielsweise Fahrer Übt (FÜ) oder Wild Und Gefährlich (WUG). Welche Sprüche kennen Sie zu regionalen Kennzeichen? Schicken Sie Ihre Ideen per Mail an nina.dworschak@pressenetz.de.

Auch besonders kreative Kennzeichen fallen auf. Haben Sie vielleicht selbst ein Nummernschild wie PAR-TY oder PEG-GY? Dann schicken Sie ein Beweisbild zur Veröffentlichung der besten Nummernschilder der Region per Mail an nina.dworschak@pressenetz.de.

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