"Anfangs meinte jeder: Das funktioniert nicht!"

14.2.2019, 17:21 Uhr

© Foto: Alisa Müller

Bauern stehen nicht erst seit dem jüngsten Erfolg des Volksbegehrens unter Druck, sich zu verändern. Schon lange ist der klassische Bauernhof mit Schweinen, Kühen, Äckern und Weiden nicht mehr rentabel. Wer heute als Bauer sein Geld verdienen will, braucht Mut zum Wandel: Neben der Expansion ist vor allem die Spezialisierung ein Ausweg. Auch in unserer Region finden sich dafür ungewöhnliche Beispiele.

Die tierische "Nische", auf die sich Familie Reichelt aus dem Cadolzburger Ortsteil Vogtsreichenbach (Kreis Fürth) spezialisiert hat, stammt ursprünglich aus Peru und muss regelmäßig geschoren werden: 14 Alpakas wohnen mittlerweile hinter dem Haus, die vier ersten selbstgezüchteten Fohlen wurden im vergangenen Jahr geboren. Früher standen auf derselben Weide die Jungkälber. "Mein Schwiegervater war mit Leib und Seele Kuhzüchter", erzählt Anja Reichelt. Doch ihr Mann übernahm den Hof im Nebenerwerb, er baut Getreide und Mais an und erntet Heu – Milchviehhaltung ist da zu aufwändig.

Deswegen sollten ein paar pflegeleichte Tiere auf die Weide. "Ich wollte eigentlich gar keine Alpakas", sagt Anja Reichelt und lacht im Nachhinein über diese Fehleinschätzung. Denn seit einem Jahr arbeitet sie hauptberuflich mit den Tieren: Die ausgebildete Kinderpflegerin und Hauswirtschafterin bietet Touren mit den Alpakas an und organisiert Kindergeburtstage.

Diese Entwicklung war anfangs gar nicht abzusehen: Zwei Alpakas standen hinter dem Haus, als die ersten Anfragen für Kindergeburtstage kamen. Die kleine Herde wuchs langsam an und die Reichelts bauten für die Besuchergruppen eine Holzhütte mit Blick auf die Weide.

Doch auch da gab es einen Plan B: "Wenn der Raum nicht nötig gewesen wäre, hätten wir eine Sauna für uns daraus gemacht", erzählt Anja Reichelt.

Plan A ging auf

Plan A ging allerdings auf; in dem Blockhaus können heute die Alpaka-Spaziergänger frühstücken. In einem kleinen Laden auf dem Hof verkauft Anja Reichelt zudem Produkte aus Alpaka-Wolle, die teils von eigenen Tieren stammt und teils von Fairtrade-Bauern aus Peru gekauft wird.

Pflanzlichen Exoten hat sich dagegen Christian Bauer aus Stein verschrieben: Vor zwei Jahren übernahm er den Hof seiner Großeltern in Gutzberg, das zu Stein gehört, und baut seitdem Soja an. "Am Anfang hat mir jeder gesagt, das funktioniert nicht. In Mittelfranken gab es fast keine Erfahrungen damit", berichtet Bauer. Doch es klappte, denn der junge Landwirt entdeckte eine bestimmte Art der Kultivierung auf Dämmen für sich, ähnlich wie bei Kartoffelbeeten. Dadurch bekommt die Pflanze mehr Wasser – Soja braucht sehr viel davon, was im eher trockenen Franken eine Schwierigkeit darstellt.

© Foto: Alisa Müller

Ein weiteres Problem von Soja ist, dass es vor dem Verzehr – egal ob durch den Menschen oder Tiere – erhitzt werden muss. "Viele Bauern wollen Soja für die eigene Tierhaltung anbauen, müssten aber sehr weit wegfahren, um es aufbereiten zu lassen. Das ist für viele abschreckend", erklärt Christian Bauer.

Er verkauft sein Soja an einen Futtermittellieferanten. Im nächsten Jahr möchte er aber eine Sorte Speisesoja anbauen, das einen höheren Eiweißgehalt besitzt.

Doch Bauer schätzt die Sojapflanzen nicht nur wegen ihres nahrhaften Inhalts: "Soja als zusätzlicher Fruchtfolgepartner wäre für viele Betriebe ein Gewinn", erklärt er. Denn je mehr verschiedene Pflanzen sich auf einem Acker abwechseln, desto weniger wird der Boden ausgelaugt. "Und wenn der Boden gesund ist und ich den Mikroorganismen dort Nahrung zuführe, kann ich auch wieder was von ihm haben", meint der Landwirt.

Das macht er zum Beispiel über Zwischenfrüchte, also Pflanzen, die auf den Äckern wachsen, wenn die Hauptfrucht dort nicht angebaut wird. Was für den Laien aussieht wie zufällig aufgegangenes Unkraut, ist in Wahrheit eine genau ausgetüftelte Komposition: Einige Pflanzen wurzeln flach, andere sehr tief, so dass der Boden natürlich durchlüftet wird.

Christian Bauer stellt seinen Betrieb momentan auf ökologische Landwirtschaft um, eine "Durststrecke", wie er berichtet. Denn noch kann er seine Produkte nicht als "bio" verkaufen, produziert aber schon nach entsprechenden Standards.

Neben dem Anbau von Soja klingt der von Erdbeeren richtig traditionell – für das Knoblauchsland ist er das allerdings gar nicht. Vor sechs Jahren hat Fritz Boss diese Marktlücke erkannt und als Erster begonnen, die süßen Früchte in der Region im Gewächshaus zu kultivieren. "Erdbeeren sind schwierig anzubauen, weil man noch gar nicht so viel über sie weiß", erklärt er.

Ernte: März bis November

Die jungen Pflanzen werden von Züchtern geliefert. Zu diesem Zeitpunkt sind die Rispen schon angelegt, weshalb der Ernteerfolg auch vom Vorlieferanten abhängt. Boss kann unter Glas von Ende März bis Anfang August und wieder von Ende August bis Mitte November ernten. "Die Erdbeeren wachsen allerdings auf Kokos-Substrat, das ist kein Bio-Anbau", erklärt er. Die Pflanzen befinden sich in Kulturrinnen in etwa einem Meter Höhe, was das Pflücken im Gegensatz zum Freilandanbau erleichtert.

Regionale Erdbeeren im November – da liegt der Nutzen für die meisten von uns auf der Hand. Doch auch der Sojaanbau bringt den Verbrauchern Vorteile: "Heimisches Eiweiß" lautet das Schlagwort. "Ziel ist es, möglichst wenig von Sojaimporten abhängig zu sein", sagt Christian Bauer. Und die Alpakas? Ganz einfach: "Ist der Alpaka-Führer zu gestresst und hektisch, legt sich das Tier hin und geht keinen Schritt mehr", verrät Anja Reichelt. Wirkungsvoller lässt sich Entspannung kaum erreichen.

Keine Kommentare