In Bruckberg werden Menschen mit Behinderung betreut

12.6.2017, 20:36 Uhr
In Bruckberg werden Menschen mit Behinderung betreut

© Foto: Meingast

"Wenn einer von uns geht, weine ich immer, aber bei der Beerdigung verabschieden möchte ich mich schon", sagt Angelika Thoma. Zwei Bewohner der Einrichtung sind vor Kurzem verstorben: einer ganz plötzlich, ein zweiter nach längerer Krankheit. "Wir sind hier wie eine Familie, gemeinsam trauern gehört auch dazu", erklärt der stellvertretende Leiter und Diplom-Pädagoge Martin Piereth.

Wenn die Bewohner keine Angehörigen mehr haben oder hier beerdigt werden möchten, werden sie auf dem Heimfriedhof beigesetzt. Pfarrerin Andrea Eitmann hält die Beerdigungen ab. Sie gestaltet auch die sonntäglichen Gottesdienste in der Martinskirche, die zu den Bruckberger Heimen gehört.

Reiten und Malen

In Bruckberg leben etwa 1300 Menschen - davon allein 480 in den Heimen, in denen seit dem Jahr 1892 Menschen mit geistiger Behinderung betreut werden. 54 Kinder und Jugendliche leben im Kinderbereich Sonnenhof und gehen in die Förderschule Sankt Martin. Auch Plätze in Dietenhofen im Kreis Ansbach und in Erlangen gehören zu den Heimen. "Die Menschen sollen bei uns möglichst nach ihren Wünschen und ihrem Hilfebedarf leben können", erklärt Piereth. In ihrer Freizeit können die Bewohner unter anderem Theater- und Sportpädagogik sowie Kunst- und Reittherapie wählen.

Und sie bestimmen mit. Einige bummeln gerne in Ansbach. Weil am Wochenende abends kein Bus zurückfährt, hat sich der Bewohnerbeirat dafür eingesetzt, dass ein Shuttle eingerichtet wird, das die Bewohner gegen 18 Uhr abholt. Alle vier Jahre werden neun Vertreter in den Beirat gewählt, der die Interessen der Bewohner vertritt. "Viele sind sehr stolz, dass sie im Bewohnerbeirat sind oder in den Werkstätten arbeiten", sagt Piereth.

260 Behinderte sind in den Werkstätten, sieben Bewohner extern in Firmen tätig. In den Bruckberger Heimen fertigen und verpacken sie Blumengefäße, Zündkabel und -spulen, sie pflegen Grünanlagen, tragen die Post aus oder bearbeiten Metall. In der Regel arbeiten die Bewohner von 7.55 bis 16.25 Uhr.

Wer wo arbeitet, darüber entscheiden der Hilfebedarf und die Bewohner selbst. "An manchen Arbeitsplätzen kann ein Bewohner einzeln sitzen und ist wenig Ablenkung ausgesetzt", erklärt Piereth. An anderen sitzen sie zu zwölft um den Tisch herum verteilt, es herrscht klassischer Werkstatt-Lärm, und die Behinderten brauchen eine gute Konzentration. Zwölf Behinderte bilden in der Regel eine Arbeitsgruppe. Ein Gruppenleiter mit handwerklicher und pädagogischer Ausbildung sowie eine Pflegehilfskraft übernehmen die Betreuung. Psychisch Behinderte bilden eine Sondergruppe mit nur sechs Personen.

"Es ist ein beschützender Arbeitsmarkt. Die Menschen mit Behinderung sollen je nach Neigung sowie geistiger und körperlicher Fähigkeit am Arbeitsleben teilhaben können", erklärt Piereth. Die Behinderten werden auf den Einstieg oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorbereitet. Im Berufsbildungsbereich können sie zum Beispiel PC-Kurse belegen. Piereth: "Es geht aber nicht nur um Fertigkeiten, sondern auch darum, pünktlich zu sein, zu lernen, wie man sich in der Gruppe verhält und kommuniziert, wie man mit Frust umgeht".

Nach der Arbeit betreuen Pflegekräfte die Bewohner bis 21 Uhr. Alexander Kohles ist einer von ihnen. "Während wir gemeinsam Sport machen oder kreativ sind, kommen in Gesprächen auch Probleme zum Vorschein, die wir aufzufangen versuchen", sagt er.

Auch Sexualität ist ein Thema. "Oft geht es um zeitliche Absprachen, damit ein Bewohner-Paar sich treffen kann. Und wir vermitteln, wenn es zu Schwierigkeiten kommt."

Erst einmal steht die Beerdigung an. Angelika Thoma ist vorbereitet: Die Rentnerin steckt gerne Bügelperlen auf Stiftplatten, um daraus Sterne oder Herzen herzustellen. "Ein Herz habe ich für morgen gemacht, das werfe ich ins Grab", sagt sie und fügt hinzu: "In meinem Herzen wird er immer einen Platz haben."

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