Öffentlichkeitsarbeit für Landwirte: Triesdorfer Studenten kämpfen für ihre Branche

27.7.2020, 05:52 Uhr
An der Schule in Triesdorf geht es darum, der Öffentlichkeit zwischen Skandalisierung und Romantisierung ein realistisches Bild von der Landwirtschaft zu geben.

© Foto: Tobias Hase/dpa An der Schule in Triesdorf geht es darum, der Öffentlichkeit zwischen Skandalisierung und Romantisierung ein realistisches Bild von der Landwirtschaft zu geben.

Frau Jedamski, bei den Seminaren für 2020/2021 stehen 15 Stunden für Fütterungsoptimierung Schwein, 15 Stunden für Zuchtmanagement Rind, aber 30 Stunden für Öffentlichkeitsarbeit zur Auswahl. Ist der Nachholbedarf da so groß?

Michaela Jedamski: Wir brauchen dafür einfach mehr Zeit, weil wir in Projekten arbeiten. Da ist viel Selbsttätigkeit gefragt. Das ist in einem 15-Stunden-Seminar nicht zu leisten. Die höhere Stundenzahl ist auch Ausdruck der Bedeutung, die die Schule diesem Thema beimisst.

Wie sehen solche Projekte aus?

Jedamski: Da geht es zum Beispiel darum, eine öffentlichkeitswirksame Maßnahme auf die Beine zu stellen, etwa dass wir in Zusammenarbeit mit einer Schule den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben, mit den Studierenden über ihre Arbeit und Zusammenhänge in der Landwirtschaft ins Gespräch zu kommen. Es geht um authentische Einblicke. Die Zahl der Menschen wächst, die noch nie auf einem Bauernhof waren und noch nie mit einer Bäuerin oder einem Bauern gesprochen haben.

Was planen Sie aktuell?

Jedamski: Vielleicht entwickeln wir Stall- oder Feldtafeln, die Landwirte in ihren Betrieben aufstellen können. Ich könnte mir vorstellen, dass wir wieder versuchen, Berichte in der Zeitung zu platzieren.

In der Zeitung?

Jedamski: Das war in diesem Jahr ein Projekt mit der Fränkischen Landeszeitung, mit dem Ziel, dort Artikel über die Betriebe der Studierenden zu veröffentlichen. Da war vieles geplant. Leider ist uns dann Corona dazwischengekommen. Wir wollen damit nicht aufklären oder belehren, sondern positive Bilder von der Landwirtschaft aussenden. Wir haben das Gefühl, die Darstellung in den Medien ist oftmals doch sehr einseitig. Wir wollen zeigen: Landwirt ist ein toller Beruf, den üben junge Menschen mit Leidenschaft aus, die nach immerhin zwölf bis zwölfeinhalb Semestern super ausgebildet sind und sich ihrer Verantwortung bewusst sind für Umweltschutz, für Tierschutz, für Klimaschutz.

Da macht der Bauernverband ja schon sehr viel, eine starke und einflussreiche Interessenvertretung. Reicht das nicht?

Jedamski: Das reicht aus unserer Sicht definitiv nicht. Der Verband macht eine tolle Öffentlichkeitsarbeit, aber am glaubwürdigsten ist immer noch der Landwirt selbst, unabhängig von einem Interessenverband. Jeder Landwirt muss selbst immer wieder Öffentlichkeitsarbeit leisten, um das Vertrauen in der Bevölkerung in seinen Berufsstand wieder zu stärken.

Was empfehlen Sie?

Jedamski: In unserem Seminar arbeiten wir gemeinsam an drei Zielen. Es ist wichtig, den Verbraucher und Mitbürger zu verstehen und Bedenken oder Kritik ernst zu nehmen. Umwelt-, Klima- und Tierschutz zählen heute zu unseren zentralen Wertvorstellungen und wir haben hohe Ansprüche an die Produktionsprozesse. Das ist gut so. Dafür muss man Verständnis haben, ohne sich gleich angegriffen zu fühlen und in eine Verteidigungshaltung zu verfallen. Das haben Landwirte gar nicht nötig. Zweitens geht es darum, das eigene Handeln kritisch zu reflektieren und offen zu sein für Veränderungen. Viele Landwirte leiden darunter, wenn sie als Umweltverschmutzer oder Tierquäler bezeichnet werden. Die Studenten wissen, dass sie aktiv werden müssen. Das liegt ihnen auch am Herzen. Drittens geht es um die Kommunikation mit Nicht-Landwirten. Welche Möglichkeiten haben wir, zwischen Skandalisierung und Romantisierung ein realistisches Bild der Landwirtschaft nach außen zu tragen?

Sie betreiben da ein bisschen Seelenmassage, um junge Landwirte aufzubauen.

Jedamski: Es geht einfach darum, sich die Lage bewusst zu machen. Kritik von Nicht-Landwirten kommt ja nicht aus Bösartigkeit. Dahinter stecken Sorgen. Erst wenn man das versteht, kann man auf Augenhöhe ins Gespräch kommen.

Öffentlichkeitsarbeit für Landwirte: Triesdorfer Studenten kämpfen für ihre Branche

© Foto: privat

Das Verhältnis zwischen Landwirten und Bevölkerung oder Verbrauchern wirkt in der Tat häufig belastet. Wie lässt sich das verbessern?

Jedamski: Wenn ich das wüsste ... das ist ein Riesenthema. Es wird ja derzeit generell von einer notwendigen Systemveränderung in der Landwirtschaft gesprochen. Eine Wende müssen aber alle gemeinsam hinkriegen, die Landwirte, die Politik, die Verbraucher, der Lebensmitteleinzelhandel, die Naturschutz- und Tierschutzverbände. Und die Landwirte sind dabei keineswegs die Bremser. Sie sind zu Veränderungen bereit. Diese müssen für die Betriebe aber auch umsetzbar sein. Wie haben offene Märkte, auf denen die Produkte aus allen Ländern miteinander konkurrieren. Höhere Produktionsstandards kosten natürlich Geld, und das wirkt sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte aus. Aber das sind jetzt schon die ganz großen Fragen. In unserem Seminar fangen wir klein an und wollen zeigen: Die Menschen können unseren Landwirtinnen und Landwirten vertrauen.

Es gibt ja Tatsachen, etwa die, dass 60 Prozent der Stickstoffbelastung mit all den schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt aus landwirtschaftlichen Quellen kommen. Was raten Sie einem jungen Landwirt, der damit konfrontiert wird?

Jedamski: Er soll das zumindest nicht abstreiten. Wir kennen die Fakten seit langem, und die Landwirtschaft arbeitet seit Jahren daran, das zu verbessern. Stickstoffreduzierte Fütterung ist zum Beispiel ein ganz wichtiges Thema. In der pflanzlichen Erzeugung werden mit bedarfsangepasster Düngung und neuer Ausbringtechnik für Gülle die Stickstoffemissionen reduziert. Die Umsetzung in der Praxis läuft, geht aber nicht von heute auf morgen.

Gegen die neue Düngeverordnung gehen die Bauern aber auf die Barrikaden.

Jedamski: Es gibt vielleicht ein paar Dinge in dieser Verordnung, die aus praktischer Sicht unlogisch sind. Darüber muss man dann diskutieren. Eine Novellierung der Düngeverordnung mit dem Ziel, die Stickstoffemissionen zu reduzieren, ist zu befürworten. Das wird unseren Studenten auch so vermittelt.

In Ihrem Seminar sollen Studenten Werkzeuge an die Hand bekommen, die ihnen bei der Kommunikation mit Nicht-Landwirten helfen. Welche Werkzeuge sind das?

Jedamski: Es geht viel um Rhetorik: zuhören, ausreden lassen, nachfragen. Das sind so sprachliche Werkzeuge. Dann sind unserer Studierenden sehr häufig in der Landwirtschaft aufgewachsen, in Betrieben, die seit Generationen in Familienbesitz sind. Für sie gibt es fast nichts anderes als Landwirtschaft, selbst wenn sie im Biergarten sitzen oder in den Pausen zusammenstehen. Wenn man dann mit einem Nicht-Landwirt redet, ist es schwierig, eine gemeinsame sprachliche Ebene zu finden. So was üben wir. Ein anderes Beispiel ist die Wirkung von Bildern. Ein Bild von einem liegenden Schwein kann auf den Fachmann positiv wirken, auf einen Nicht-Landwirt aber negativ.

Kommt ihr Angebot bei den Studenten an? Oder sagen die: Jetzt kommt Frau Jedamski auch noch mit Rhetorik daher, wir haben doch ganz andere Sorgen.

Jedamksi: Es gibt derzeit keine Fachzeitschrift und keine Fachtagung, bei der nicht auch Öffentlichkeitsarbeit eine Rolle spielt. Das Thema ist sehr, sehr präsent. Das kriegen auch die jungen Landwirte mit. Öffentlichkeitsarbeit gehört inzwischen zu einem Hof wie tierische und pflanzliche Erzeugung oder Betriebswirtschaft. Da kann man sich nicht mehr raushalten. Das fängt bei den Kleinigkeiten an: Die Betriebsstätte sauber halten, freundlich sein, erklären, warum die Straße jetzt mal schmutzig ist, nicht so schnell mit dem Schlepper fahren und so weiter. Es muss nicht gleich jeder dauernd ins Internet gehen oder riesige Zeitungsartikel schreiben. Jeder kann ein Stück dazu beitragen, dass die Landwirtschaft positiv wahrgenommen wird.

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