Auto für Liebhaber: Die Ente wird 30

27.7.2020, 10:26 Uhr
Tuckert Knut Colditz mit seiner 41 Jahre alten 2 CV 6 Club zu einem Treffen, schläft er im Anhänger, der einst selbst eine fahrtaugliche Ente war.

Tuckert Knut Colditz mit seiner 41 Jahre alten 2 CV 6 Club zu einem Treffen, schläft er im Anhänger, der einst selbst eine fahrtaugliche Ente war.

Mit dem heutigen Tag beginnt auch für die jüngsten Enten ein neuer Lebensabschnitt: Sie sind mindestens 30 Jahre alt und damit Oldtimer. In der Garage verstauben werden dennoch nur die wenigsten. Knut Colditz etwa ist mit seinem Citroën 2 CV, wie die Ente offiziell heißt, tagtäglich zwischen Wendelstein und Rummelsberg unterwegs. "Sie ist mein Täglichfahrzeug. Morgens, mittags, abends, Sommer wie Winter", sagt Colditz, der als Krankenpfleger im Rummelsberger Querschnittzentrum arbeitet.

Freilich gibt es auch bei Ente-Liebhabern die peniblen, "die jedes Regentränchen mit dem Hochglanzläppchen wegpolieren". Und dann gibt es die, die eine Delle nur dann mit dem Hammer rausklöppeln, wenn‘s beim Fahren irgendwo schleift. Aber beide sind nicht vorherrschend in der bunt gemischten Fangemeinde des französischen Volkswagens. "Es gibt Leute, bei denen du nicht sagen kannst, ob sie eine Ente oder einen Rolls Royce fahren", meint der 56-Jährige, "aber der Stolz des einen oder anderen Entenfahrers ist größer als der eines Rolls-Royce-Fahrers".

Zum 50ten auf dem Champs-Élysées

Und alle schätzen und treffen sich - in normalen Jahren - bei zahlreichen Veranstaltungen: Sei es in Morschreuth in der Fränkischen, beim Kulmbacher Altstadtfest oder den großen Deutschland- und Europatreffen, wo mehrere Tausend Fahrzeuge zusammenkommen. "Bei einem Käfertreffen stehen alle Stoßstange an Stoßstange, richtig schön aufgereiht", erzählt Colditz, der selbst mal einen solchen gefahren hat, "die Enten aber stehen alle kunterbunt und kreuz und quer".

Seit 1997 ist Knut Colditz mit dieser Ente unterwegs. Auch beim 50ten in Paris war er mit diesem Modell von 1979.

Seit 1997 ist Knut Colditz mit dieser Ente unterwegs. Auch beim 50ten in Paris war er mit diesem Modell von 1979. © Christian Geist, NN

Dieses Individuelle, meint er, habe sicher einen Teil dazu beigetragen, dass ihn das Entenfieber gepackt und nach ganz Europa getragen hat. Ein Höhepunkt seiner Touren war zweifelsohne die Feier anlässlich des 50. Geburtstags der Ente 1998 in Paris, mit Sternfahrt auf dem Champs-Élysées zum Triumphbogen. Colditz in Latzhose, mit einem Freund und einer Flasche Rotwein unterm Eiffelturm. Beim Erzählen gerät der Familienvater regelrecht ins Schwärmen.

Zahlreiche Freunde hat Colditz in der Entenfamilie Nürnberg gefunden, einem nicht-eingetragenen Verein. Man trifft sich, diskutiert, schaut, wo man Ersatzteile herbekommt. „Man hilft sich zunächst einmal nur aus einem Grund. Einfach, weil man das selbe Fahrzeug fährt. Ich glaube, das gibt es bei keinem anderen Auto.“ Und kann im Familienkreis gerade niemand helfen, gibt es noch die Apua-Help, eine Art ADAC für Entenfahrer. Alle zwei Jahre erscheint dieses Büchlein mit den Adressen hilfsbereiter Entenfahrer. Freilich findet man darin auch Colditz' Kontaktdaten.

MacGyver statt Mechatroniker

Plant er selbst mal wieder eine längere Reise, wie nach Schweden, Portugal oder Griechenland, packt er gleich ein paar Teile ein, von denen er weiß, dass sie Probleme machen könnten. „Ich brauche die höchstwahrscheinlich nicht. Aber wenn was passiert, bau ich sie ein und die Ente läuft weiter.“ Keilriemen, Zündspule oder Unterbrecher gehören beispielsweise dazu.

Wie so eine Ente funktioniert und wo man anpacken muss, hat er sich bei Freunden abgeschaut. Darunter auch den Tipp, dass man zum Einstellen der Zündung nicht mehr benötigt als einen Fünfer-Bohrer, ein Lämpchen, einen Hammer und eine Coladose, aus deren Blech man sich eine Fühlerlehre basteln kann. Außer bei einem Lagerschaden hat sich Colditz dank solcher Tricks bisher immer selbst helfen können, wenn eine seiner Ente mal schlapp gemacht hat.

Platz für "zwei Bauern in Stiefeln"

Rund 20 Enten hat der Wendelsteiner in den vergangenen 35 Jahren besessen und gefahren. Seine kunterbunte 2 CV 6 Club (Baujahr 1979, 29 PS, vier Gänge) hält ihm seit 1997 die Treue. "Sie war damals die klassische Zweitente", sagt Colditz, der zwischenzeitlich gleich eine Sammlung mehrere Entenmodelle besessen hat. Mit 21 Jahren hat er früh zur Ente gefunden. "Du sitzt in einem französischen Auto dieser Zeit einfach anders als in einem deutschen oder italienischen. Du sitzt wie auf einem Sofa: wirklich kommod."

In Kombination mit dem "einfach genialen Fahrwerk" schaukelt die Ente über jeden Feldweg. Da mag es durchaus sein, dass an der Legende über die Erfindung der Ente etwas dran ist. Firmenchef Pierre-Jules Boulanger selbst soll einst den Auftrag erteilt haben: "Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter Benzin auf 100 Kilometer verbraucht."

Und so präsentierte Citroën am 7. Oktober 1948 in Paris den 2 CV. Neben den genannten Annehmlichkeiten schätzt Colditz bis heute den vergleichsweise simpel zu reparierenden Boxermotor und natürlich das Rolldach, das die Ente einst zum günstigsten Cabrio der Welt gemacht hat.

Enten werden von Jahr zu Jahr gefragter

Diese Zeiten sind lange vorbei. Schon beim Ende der Produktion vor 30 Jahren war die Ente längst Kult. Trotz ihres Rufs als Schönwetterfahrzeug, das Regen und Rost nicht wirklich viel entgegenzusetzen habe. Colditz sieht diese Kritik gelassen. "Man muss halt dran bleiben", meint er. Winterfahren sei freilich Gift für die Ente. Aber das gelte für andere Autos dieses Alters genauso. Deshalb hat er seiner Stammente nachträglich einen verzinkten Rahmen gegönnt.

Da Rahmen und Karosserie, die bei der Ente einfach nur Hütte heißt, voneinander getrennt sind, „können beide rosten, aber man kann auch beide tauschen“, sagt Colditz. Nur weiß man irgendwann nicht mehr, wie viele Kilometer das Auto eigentlich auf dem Zähler hat. Ist aber weder wichtig noch wertmindernd, meint der Hobbyschrauber, der sich nicht wirklich darüber freut, dass Enten von Jahr zu Jahr gefragter und entsprechend teurer werden.

"Das ärgert mich sogar, denn ich wollte ja immer ein günstiges Auto fahren." Damit das noch eine Weile so bleibt, hat er unter einem Carport eine weitere Ente abgestellt: Sie dient als Ersatzteillager für die beiden Kinder und als Spielplatz. Und sollte doch mal ein Teil fehlen, gibt es ja noch die kunterbunten Engel.

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