Bamberg: Führung durch unterirdisches Labyrinth

17.1.2009, 00:00 Uhr
Bamberg: Führung durch unterirdisches Labyrinth

© Martin Müller

Alte Stollenanlagen mit einer Fläche von rund 55 000 Quadratmetern unterhöhlen das «Fränkische Rom« wie einen Schweizer Käse, teilweise in drei Stockwerken untereinander. An der tiefsten Stelle steht man 70 Meter unter der Erdoberfläche. In vollkommener Dunkelheit. Denn nur kleine Taschenlampen zaubern ein paar verlorene Lichtstrahlen in die finsteren Gänge. Fernab jeden Sonnenstrahls und jeder Orientierung stolpern die Gruppen vertrauensvoll ihren Vorderleuten hinterher. Schlüpfen durch hüfthohe Durchgänge, tasten sich mysteriöse Treppen hinunter und leuchten in gespenstische Seitengänge. Auf Überraschungen muss man gefasst sein: Wer sich in der grauen Unendlichkeit verläuft, könnte plötzlich in der Krypta des Bamberger Doms stehen.

Gruselige Knochenschicht

Trotzdem muss niemand einen Faden am Eingang festknoten, um wieder aus der Dunkelheit zu finden. Geht wirklich jemand verloren, wird sofort ein Suchtrupp losgeschickt. «Im schlimmsten Fall kommt am nächsten Tag wieder eine Führung vorbei«, scherzt Müller. Zwar wurde in einigen Räumen eine gruselige, eineinhalb Meter hohe Knochenschicht gefunden, die stammt aber noch aus dem 13. und 14. Jahrhundert, als Bamberg von Pest und Cholera heimgesucht wurde.

Rund 400 geführte Gruppen im Jahr erkunden das unterirdische Bamberg. Etwa 185 000 Menschen haben sich seit 1985 in die Obhut von «Katastrophen-Müller« und seinen Mitarbeitern begeben. Doch keine Sorge: Den Spitznamen hat Manfred Müller nicht wegen legendär hoher Verlustraten bei seinen Führungen, sondern durch seinen früheren Dienst beim Zivil- und Katatrophenschutz der Stadt Bamberg.

Die Stollen dienten im Zweiten Weltkrieg nämlich als Luftschutzkeller für bis zu 20000 Bamberger. Firmen wie Bosch und Wieland produzierten hier kriegswichtige Güter. Die Luftschutzzentrale lag 40 Meter tief im Gestein. «Der sicherste Raum Bambergs«, meint Müller.

Mörderische Arbeit

Die ersten Stollen wurden aber schon im 11. Jahrhundert ausgehöhlt. Mit Hammer und Meißel. «Eine mörderische Arbeit«, so Müller. Aber auch eine einträgliche. Die Bamberger verkauften den geförderten Keupersandstein vor allem als natürliches Putz- und Scheuermittel. Später dienten die Stollen als Speisekammern und Weinkeller, bevor sie die ehemals 65 Bamberger Brauereien als billige Kühlkammern entdeckten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gerieten die alten Stollen in Vergessenheit. Bis sie 1966 schlagartig wieder ins Bewusstsein gerufen wurden: Ein Autofahrer brach mit seinem Wagen ein und fand sich plötzlich sechs Meter weiter unten wieder.

«Wir mussten erst mal von Haus zu Haus gehen, um die Stollen wieder zu finden«, erinnert sich Müller an die schwierige Zeit der Erforschung und Katalogisierung der Gänge. Mit Hilfe von fünf Millionen Mark und viel Spritzbeton sind die öffentlich zugänglichen Stollen nun wieder sicher. Private Zugänge könnten aber noch Überraschungen bergen.

Führungen für Gruppen können telefonisch unter (0951)2976330 gebucht werden.