Fehlende Wertschätzung

Bamberger Gärtner in Not: "Mit jedem Betrieb, der stirbt, stirbt ein Teil der Kultur"

15.9.2022, 12:12 Uhr
Carmen und Michael Dechant stehen in ihrer Hofstadt-Gärtnerei im Bamberger Stadtteil Gärtnerstadt.

© Nicolas Armer, dpa Carmen und Michael Dechant stehen in ihrer Hofstadt-Gärtnerei im Bamberger Stadtteil Gärtnerstadt.

Mehr als 4400 Quadratmeter voller Pflanzen, alles Handarbeit: Wer an einem Sommertag um die Beete, Stauden und Pflanztöpfe geht, ahnt, dass viel Arbeit in diesem Betrieb steckt. "Hier ist jeder Topf mit den Händen bepflanzt und bewässert", sagt Carmen Dechant, Inhaberin der Hofstadt-Gärtnerei im Bamberger Gärtnerviertel. "Wir benutzen keine einzige Maschine."

Von der Anbaufläche bietet sich ein malerischer Ausblick auf den Dom, die Altenburg und den Michaelsberg. Gewächshäuser sucht man auf dem Areal vergeblich. Carmen Dechant sagt: "Wir sind eine Freilandgärtnerei, also völlig dem Wetter ausgeliefert."

Sie und ihr Mann Michael, beide 60 Jahre alt, setzen auf die Kraft der Natur: Sie pflanzen ihre Gewächse nach dem Mondkalender an, gießen sie mit sauerstoffaktiviertem Wasser und benutzen gegen Schädlinge keine chemischen Mittel.

Vielfältiges Sortiment

Ihr Sortiment ist vielfältig: Neben Blumen baut das Ehepaar unterschiedlichste Kräuter, Obst- und Gemüsesorten sowie Stauden an. Ihre Gärtnerei sei "die weltweit größte innerstädtisch an einem Stück zusammenhängende, gärtnerisch genutzte Fläche", zitiert Carmen Dechant die Unesco. Denn Bambergs Gärtnerstadt ist Weltkulturerbe.

Etwa zwölf Stunden pro Tag arbeite sie, schätzt die Inhaberin - ihr Mann Michael sogar 14 bis 16 Stunden: "Das ist kein Beruf, sondern eine Berufung. Entweder du lebst es, oder du lässt es." Doch trotz der Schufterei sei jeder Tag hier ein Geschenk gewesen, sagt sie.

Aus nach 30 Jahren

Doch in ein paar Monaten soll Schluss sein: Nach rund 30 Jahren geben Carmen und Michael Dechant den jahrhundertealten Familienbetrieb auf.

Dass jemand die Gärtnerei weiterführt, glaubt Carmen Dechant nicht. Sie spricht von einer Entscheidung voller Tränen und Wehmut: "Aber es fehlt einfach die Wertschätzung. Die Leute kaufen vorwiegend im Supermarkt."

Die Hofstadt-Gärtnerei beliefert einige Lebensmittelmärkte in Bamberg und Umgebung, zudem ist ihr Hofladen ein wichtiges Standbein. Doch zu wenige Leute kämen ins Viertel, um einzukaufen. "Alle reden zwar von Nachhaltigkeit, aber setzen sie nicht um", beklagt das Ehepaar.

Lange Tradition

Seit 1993 ist Bamberg Unesco-Weltkulturerbestadt - unter anderem wegen des Gärtnerviertels. Seit dem 17. Jahrhundert wird hier Gemüse angebaut und weit über die Stadtgrenzen hinaus verkauft.

Einige Kartoffel- und Zwiebelsorten oder auch Süßholz gelten als typisch für die oberfränkische Stadt, manches wird nirgendwo sonst angebaut. Dennoch würden die Betriebe von der Stadt manchmal stiefmütterlich behandelt, kritisieren die Dechants: Die Kommune werbe zu wenig für die gärtnerische Vielfalt und mache den Betrieben oft das Leben schwer.

Schwierige Lage

"Bedrückend" sei die Lage der Betriebe, bestätigt Thomas Schmidt, Sprecher der Interessengemeinschaft Bamberger Gärtner. "Beim nächsten Generationswechsel werden viele aufhören", prognostiziert er. "Mit jedem Betrieb, der stirbt, stirbt ein Teil der Kultur." Ende des Zweiten Weltkriegs habe es in Bamberg über 100 Gärtnereien gegeben, heute seien es noch knapp über 20.

Die Probleme seien vielschichtig, sagt er: Durch ihre innenstadtnahe Lage seien die Gärtnereien stärker vom Klimawandel betroffen als Betriebe auf dem Land, weil sich die Stadtflächen stärker aufheizten. Dadurch sei mehr Wasser und mehr Personal nötig.

Auch er würde sich mehr Unterstützung durch die Stadt wünschen: Vor den Betrieben im Gärtnerviertel gebe es kaum Parkplätze für Kunden. Auch beim Bahnausbau, der einige Gärtnereien betreffe, habe sich die Stadt zu wenig für deren Belange eingesetzt.

Viele Werbemaßnahmen

Die Stadt Bamberg verweist dagegen auf umfangreiche Werbemaßnahmen für das Gärtnerviertel, zum Beispiel in einer touristischen Imagebroschüre sowie im Internet. Außerdem biete man zahlreiche Touristenführungen durch die Gärtnerstadt an.

Beim Ausbau der Bahnstrecke Richtung Nürnberg habe die Stadt von der Deutschen Bahn gefordert, "Eingriffe in die Anbauflächen der Bamberger Gärtner außerhalb des Welterbes unbedingt zu minimieren". Der Konzern habe dies zugesagt.

Außerdem gebe es im Viertel Kurzzeitparkplätze für Kunden der Hofläden. Allerdings sei der Parkraum im dicht besiedelten Gebiet naturgemäß knapper als andernorts.

"Erstmal ausruhen"

Für Carmen und Michael Dechant ist das Gärtnergewerbe bald Geschichte. Ungefähr zum Jahresende wollen sie ihren Betrieb weitgehend einstellen. Und dann? "Erstmal ausruhen, Freunde treffen, vielleicht in den Urlaub fahren", sagt Carmen Dechant. "Also das, was andere in den letzten 30 Jahren gemacht haben."

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