Protest gegen den Protest: Corona-Maßnahmen sorgen für Diskussionen in Bamberg

23.3.2021, 20:44 Uhr
Protest gegen den Protest: Corona-Maßnahmen sorgen für Diskussionen in Bamberg

© Felix Schwarz

Wer gestern um etwa 17.30 Uhr das Geschehen vor dem Bamberger Bahnhof beobachtete, dem wurde klar: Es liegt Spannung in der Luft. Direkt vor dem Teegut versammelten sich etwa 100 Menschen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Die Protestgruppe "Stay Awake" organisiert seit Längerem jeden Montag einen Demonstrationszug - und zieht damit jede Menge Kritik auf sich.

Auf der anderen Straßenseite kamen rund 150 Demonstrierende zusammen, um gegen Verschwörungsideologien, Antisemitismus sowie Rechtsextremismus einzutreten. Die Polizei war mit sechs Autos vor Ort - dennoch trugen einzelne Personen auf der "Stay Awake"-Demo keine Masken, obwohl die Stadt Bamberg das vorschreibt.

Kritik an der Corona-Politik von beiden Seiten

Die Stimmungslage war von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Auf die Frage, warum sie bei der "Stay Awake"-Demo mitlaufen, entgegneten zwei Frauen: "Wir sind dafür, dass der Staat Maßnahmen trifft, um die Pandemie einzudämmen. Doch die aktuellen Einschränkungen finden wir einfach nicht sinnvoll. Das ist kein Schutz, sondern eine unnötige Freiheitsberaubung."


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Aus der Sicht der beiden Frauen orientiert sich die Politik zu stark an den Inzidenzwerten. Dass in Schulen Masken getragen werden müssen, lehnen sie ab. Darüber hinaus fühlen sich die beiden Teilnehmerinnen nicht ernst genommen, weil die Gegenseite sie mit Nazis vergleichen würde.

Die Protestierenden, die vom Restaurant Cocoon aus Richtung Maxplatz liefen, zeigten teilweise Verständnis für die Kritik der anderen Seite. "Die Politik tut zu wenig gegen die soziale Ungleichheit, die sich durch die Pandemie nochmals verschärft", sagte eine Rednerin. Eine andere Person sprach sich für einen konsequenteren, härteren Lockdown aus, statt alle zwei Wochen die Strategie zu wechseln.

Emotionale Atmosphäre

All diese Gründe würden jedoch keine vernünftige Rechtfertigung dafür bieten, bei den "Stay Awake"-Demos mitzulaufen. Unter den Teilnehmenden würden sich auch ReichsbürgerInnen, Verschwörungsideologen und andere Demokratiefeinde befinden. Dies dürfe niemand einfach so hinnehmen.


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Auch wenn die Gegendemonstrierenden sich bemühten, nicht alle Menschen auf der anderen Seite über einen Kamm zu scheren, so vermittelten Sprüche wie "alerta, alerta, antifascista!" nicht gerade eine einladende Gesprächsatmosphäre auf Augenhöhe.

Doch was ist an den Vorwürfen dran? Auf Nachfrage verweist der bayerische Verfassungsschutz auf eine schriftliche Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Jan Schiffers. Das Innenministerium antwortete und wies auf die Vielfalt der Personen hin, die sich an den Corona-Protesten beteiligen. Die Spannweite reicht dabei von BürgerInnen, die auf die Bedeutung des Versammlungsgrundrechts hinweisen wollen, über ImpfgegnerInnen, EsoterikerInnen, generelle StaatsskeptikerInnen bis hin zu VerschwörungstheoretikerInnen, wie beispielsweise AnhängerInnen der Qanon-Ideologie.

Laufen auch Reichsbürger mit?

"Die hohe Emotionalität der Thematik und die Bandbreite der hierzu vertretenen Positionen und Erklärungsversuche, kombiniert mit der Hoffnung, ideologisch 'andocken' zu können, kann dabei auch Personen aus dem Rechtsextremismus und dem Reichsbürgerspektrum anziehen", heißt es in dem Schreiben.

Den bayerischen Sicherheitsbehörden würden jedoch keine konkreten Anhaltspunkte für eine "Radikalisierung" entsprechender Demonstrationen vorliegen. Dies gelte auch für Bamberg. Die Polizei konnte allerdings bei zwei Veranstaltungen jeweils einen polizeibekannten Reichsbürger feststellen.

Hubertus Schaller vom "Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus" warnt hingegen vor der Stimmungsmache von "Stay Awake". Er sieht eine weitere Radikalisierung, die unter anderem über den Benachrichtigungdienst Telegram stattfinden würde. Aus seiner Sicht seien die Formulierungen inzwischen geschickter - Diktatur-Vergleiche würden auf Demos nur noch angedeutet werden. Gegen Schaller wurde bereits namentlich Stimmung auf einer "Stay Awake"-Demo gemacht.

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