Überstundenpauschalen von 1400 Euro: Finanzaffäre in Bamberger Stadtverwaltung

6.1.2021, 05:55 Uhr
Die Stadtverwaltung im Bamberger Rathaus muss sich derzeit kritische Fragen gefallen lassen.

© David Ebener, dpa Die Stadtverwaltung im Bamberger Rathaus muss sich derzeit kritische Fragen gefallen lassen.

Laut eines Berichts des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (BKPV) hat die Bamberger Stadtverwaltung über Jahre hinweg Hunderttausende von Euro an unzulässigen Pauschalen und Prämien an Beamte und Angestellte gezahlt.

Der Bericht, der unserer Zeitung vorliegt, beschäftigt sich mit den Jahren 2011 bis 2017. Die Bamberger Stadtverwaltung kennt ihn seit etwa einem halben Jahr. Den Prüfern ist zunächst aufgefallen, dass die Personalkosten der größten Stadt Oberfrankens überdurchschnittlich gestiegen sind.

In den Berichtsjahren waren es 25 Prozent oder rund zehn Millionen Euro. Nach den geltenden Besoldungs- und Tariferhöhungen dürften es aber nur 16,4 Prozent bei Beamten und 18,7 Prozent bei den anderen Beschäftigten sein. Die Verfasser des Berichts empfehlen gleich zu Beginn der Kapitels "Personalrechtliche Angelegenheiten", nicht nur Stellen vor einer Wiederbesetzung auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen. Gezahlte Zulagen sollten auf ihre "Gesetzmäßigkeit hin" unter die Lupe genommen werden.

500 Euro im Monat zusätzlich

Was folgt ist eine wundersame Vermehrung bei der Bezahlung von städtischen Mitarbeitern. Dabei handle es sich laut BKPV-Bericht nur um "exemplarische Einzelfälle" und "Stichpunkte". "Eine vollständige Überprüfung wäre örtlich vorzunehmen." Bisher geschah das nicht. So hat, wie der Bericht ausweist, eine Beschäftigte zeitweise eine monatliche "Überstundenpauschale" von 1400 Euro zusätzlich zu ihrem Gehalt bekommen. Die ist auch weiterbezahlt worden, obwohl sie mit Verfügung des Personalamtes von der Zeiterfassung freigestellt wurde.

Eine Beamtin bekam per Stadtratsbeschluss eine "Entschädigung" von 500 Euro monatlich, weil sie einen neuen Tätigkeitsbereich übernommen hat, bei dem sie "regelmäßig mehrere Wochenstunden zusätzlich aufwenden muss", wie es zur Begründung hieß. Die Untersuchung der elektronischen Arbeitszeitkonten durch den BKPV hat dann für den Zeitraum von zwei Jahren ergeben, dass diese Beamtin die Sollarbeitszeit "um insgesamt 28 Stunden unterschritten hatte".

Arbeitszeit wurde nicht erfasst

In diesem Stil geht das weiter: Eine Beschäftigte in leitender Position bekam ebenfalls eine monatliche Überstundenpauschale in Höhe von 800 Euro. Von der Arbeitszeiterfassung war auch sie befreit, was die Stadt nicht daran hinderte, ihr noch zusätzlich mehrfach "Überstunden" auszuzahlen, "rd. 37 T•" steht in Klammern dahinter. Es folgen fünf weitere ähnliche Fälle.

Auch Beamte profitierten von dem System. Einer erhielt in einem Monat über 4000 Euro für Mehrarbeit. "Unterlagen hierzu oder Nachweise liegen nicht vor", heißt es in dem Bericht. Ein anderer beantragte die Auszahlung eines Teils seiner auf dem Arbeitszeitkonto gebuchten Stunden. Diese bezeichnete er in einer Mail selbst als "anerkannte Überstunden". Unterlagen dazu fanden die Prüfer nicht, aber 200 Stunden wurden prompt ausbezahlt.


Bamberg: Ruf nach Aufklärung über unrechtmäßige Zahlungen


Die Feststellungen der BKPV-Prüfer zu den einzelnen Vorgängen sind eindeutig. "Generell unzulässig", "eine Pauschale scheidet grundsätzlich aus", "die Stadt als Arbeitgeber gibt jegliche Kontrollmöglichkeit über eine Gegenleistung auf", "tarifwidrig", "die Zahlung der Zulage wäre umgehend einzustellen; für die Entscheidungsträger kann sich die Haftfrage stellen", heißt es an den entsprechenden Stellen. Die Zahlungen, die im Berichtszeitraum dabei von der Stadt geleistet worden sind, belaufen sich auf 457.000 Euro.

Ein deutlicher Hinweis

Nach gestriger Auskunft des BKPV in München ist es nun in erster Linie Sache der Stadt Bamberg selbst, die gewonnenen Erkenntnisse der Prüfer abzuarbeiten und die getroffenen Feststellungen umzusetzen. "Bitten um fachliche Unterstützung oder weitergehende Erläuterungen wurden an uns nicht herangetragen", schreibt Günter Heimrath, geschäftsführender Direktor des Prüfverbandes.

Er gibt aber auch einen deutlichen Hinweis: "Setzt eine geprüfte Kommune Prüfungsfeststellungen nicht um, kann die Rechtsaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen einschreiten und von ihren aufsichtlichen Befugnissen Gebrauch machen."

Das wäre dann die Regierung von Oberfranken. Die hat die Stadt bereits gebeten, Ergebnisse der Bearbeitung zu gegebener Zeit vorzulegen. Bei der Bamberger Stadtverwaltung laufen Anfragen gegenwärtig ins Leere. Sie ist wegen Corona vorläufig noch bis 10. Januar geschlossen.

Ausschuss tagt

Zur Aufarbeitung der Affäre aber laufen bereits Vorbereitungen. Nach Auskunft von Hans-Günter Brünker, Bamberger Stadtrat der Gruppierung Volt, soll in drei bis vier Wochen eine Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses zu der brisanten Angelegenheit tagen. Er gehört dem Gremium selbst als einziges Mitglied an, dessen Partei zuvor noch nie einen Sitz dort inne hatte. "Dies ist insbesondere relevant, als der Finanzskandal in Bamberg sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren erstreckt."

Brünker, der einer Fraktionsgemeinschaft von Grünen, ÖDP und eben Volt angehört, fordert eine rückhaltlose Aufklärung, auch in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Frage, ob gegen geltendes Recht verstoßen worden sei. Den fraglichen Prüfbericht sollen außerdem alle Stadträte bekommen. Und die Öffentlichkeit soll möglichst breit informiert werden.