Nigatu Guta wird Altenpfleger

Äthiopier erlernt Pflegeberuf

15.2.2022, 10:05 Uhr
Äthiopier erlernt Pflegeberuf

© Ralf Münch, NN

Er stammt aus Agarfa-Ali, einem kleinen Dorf in Äthiopien. Bis zur zwölften Klasse ist er in Goba zur Schule gegangen, hat dann an der Jimma University Soziologie und Sozialarbeit studiert, danach hat er ein Jahr bei einer Hilfsorganisation mit Waisenkindern und Behinderten gearbeitet. „Ich bin aus politischen Gründen geflohen“, erzählt er. Als er an einer Demonstration teilnahm, sei er festgenommen worden, habe ohne Prozess anderthalb Jahre im Gefängnis gesessen. Daraus sei er geflohen. „Wenn man die richtigen Leute kennt, klappt das“, so Guta.

Drei Jahre bei Regens Wagner

Mit Bus und Auto ging es dann in den Sudan und weiter nach Libyen. Mit dem Schlauchboot einer Hilfsorganisation kam er über das Mittelmeer bis Italien. Dann ging es weiter nach Frankreich und von dort mit dem Zug Richtung Frankfurt. „In Saarbrücken mussten wir aussteigen, kamen in eine Polizeikontrolle und uns wurden Fingerabdrücke abgenommen.“ Dann kam er ins Aufnahmelager in Zirndorf und von dort nach Michelfeld in eine Unterkunft. „Ich habe drei Jahre bei Regens Wagner als Pflege- und Betreuungshelfer gearbeitet“, sagt Nigatu Guta. Er wollte aber eine Ausbildung zum Altenpfleger machen. Mit seiner ehrenamtlichen Helferin Marianne Mimler-Hofmann sei es ihm dann gelungen, die Ausbildungsstelle im Brigittenheim zu bekommen. Hier machte er verschiedene Stationen durch, unter anderem war er auf der „Guten Stube“, der Demenzabteilung. „Das war schon eine Herausforderung sagt der 31-Jährige, „die Menschen dort leben in einer eigenen Welt.“ Während seiner Ausbildung muss er auch 400 Stunden in einer ambulanten Pflege absolvieren, die er zur Zeit bei der Mobilen Pflege Süß macht. Diese Woche ist er damit fertig.

Wie geht es dann im Sommer weiter? Das Brigittenheim würde ihn schon übernehmen, sagt Guta, aber er habe sich noch nicht entschieden. Eigentlich sagt ihm die ambulante Pflege mehr zu. „Im Heim ist man für mehrere Personen gleichzeitig zuständig“, sagt er, „in der ambulanten Pflege geht man von einem zum nächsten Patienten, ist selbstständiger.“

Zweimal war der Asylantrag von Nigatu Guta abgelehnt worden. Zurzeit wird er geduldet, nach der Ausbildung wird er eine Aufenthaltserlaubnis bekommen, ist er sich sicher. Hat er Angst? Nein, sagt Guta, die hatte er am Anfang, als er nach Deutschland gekommen war. Das lag vor allem an den sprachlichen Problemen. Aber mit Hilfe seines Nachbarn Erwin Holl und des Internets hat er sehr gut Deutsch gelernt. Beim Gespräch merkt man nur noch einen ganz schwachen Akzent. „In meiner Ausbildung habe ich viel mit Menschen zu tun, muss viel reden“, so Guta, „da lerne ich die Sprache automatisch.“

Hat er Verbindungen nach Hause, Heimweh? Ja, ein bisschen schon. Seine Mutter und acht Geschwister leben noch in Äthiopien. Mit ihnen telefoniert er, schreibt über Whatsapp oder Facebook. Aber gesehen hat er sie schon seit Jahren nicht mehr. Wenn er in Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung hat, will er sie mal besuchen. „In Äthiopien hat inzwischen die Regierung gewechselt“, sagt Guta. Er gehe davon aus, dass seine Akten mittlerweile geschlossen wurden und ihm nichts passieren kann.

Der 31-Jährige ist zufrieden mit seinem Leben, er fühlt sich wohl in Deutschland, hat nette Arbeitskollegen. Mit Sorge sieht er einer möglichen Impfpflicht für Pflegekräfte entgegen. Er selber ist geimpft, aber er befürchtet, dass dann viele Kollegen nicht mehr arbeiten können und es zu einem Pflegenotstand irgendwann kommt. Überhaupt habe Corona den Alltag in der Pflege erschwert. „Wir stehen oft unter Zeitdruck, weil der Aufwand mit Maske und Schutzkleidung wesentlich größer ist.“

Trotzdem wolle er keinen anderen Beruf. Was er hier besonders schätzt: „Die Menschen haben Respekt voreinander.“