Borreliose: Zecken-Impfung wiegt in falscher Sicherheit

11.4.2019, 05:50 Uhr
Eine Impfung gegen FSME schützt leider nicht vor allen Krankheiten, die durch Zecken übertragen werden.

© Patrick Pleul (dpa) Eine Impfung gegen FSME schützt leider nicht vor allen Krankheiten, die durch Zecken übertragen werden.

Fast ganz Süddeutschland ist Risikogebiet, wenn es um FSME geht. Wie hoch ist die Gefahr dort tatsächlich?

FSME steht für Frühsommer-Meningoenzephalitis und ist ein Virus, der über den Speichel der Zecke in die Blutbahn übertragen wird, sobald das Tier uns gebissen hat. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat 2019 die FSME-Risikogebiete deutschlandweit vorsorglich um fünf Gebiete erweitert, unter denen mit Garmisch-Partenkirchen, Kaufbeuren und Landsberg am Lech drei bayerische hinzugekommen sind. Danach gibt es im Freistaat aktuell nur fünf Land- und Stadtkreise, die nicht dazu zählen: Augsburg, Dillingen an der Donau, Fürstenfeldbruck, München und Schweinfurt.

In den Risikogebieten ist die FSME-Gefahr nicht überall gleich hoch. Vielmehr gibt es begrenzte Brennpunkte mit besonders vielen infizierten Zecken. Oft wissen Hausärzte, welche das sind. Zum Risikogebiet wird ein Kreis dann, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als ein gemeldeter FSME-Fall pro 100.000 Einwohner aufgetreten ist.

Zecken, die mit Borrelien infiziert sind, kommen laut Bayerischem Staatsministerium für Gesundheit und Pflege praktisch überall in Deutschland vor.

Wie wichtig ist die Impfung gegen FSME?

Laut Deutschem Grünen Kreuz sind etwa 0,1 bis fünf Prozent der Zecken mit dem Virus infiziert. Nicht jeder Stich führt zu einer Infektion, und selbst wenn der Virus übertragen wurde, treten nur bei etwa zehn Prozent wirklich Krankheitserscheinungen auf. 

Mathias Schlatterbeck, Allgemeinmediziner in Nürnberg, sieht keinen Grund zur Panik. Impfen lassen sollte sich zum Beispiel, wer sich als Förster oder Waldarbeiter oft dort aufhält, wo Zecken lauern. Auch Menschen, in deren Haushalt Tiere permanent Zecken anschleppen, rät Schlatterbeck zum Schutz. Allen anderen empfiehlt er zunächst das Gespräch mit dem Hausarzt.

Nach drei Impfdosen innerhalb eines Jahres muss der Impfschutz gegen FSME meist alle drei Jahre aufgefrischt werden. 

Wie verläuft FSME?

Wenn es überhaupt zum Ausbruch kommt, reagieren die meisten Patienten ohne Impfschutz nach etwa einer Woche ohne Anzeichen mit grippeähnlichen Symptomen (zum Beispiel mäßiges Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen). Bei etwa zehn bis 30 Prozent bleiben Dauerschäden wie Lähmungen, chronische Kopfschmerzen oder Krampfanfälle zurück. In seltenen Fällen (0,5 bis 2 Prozent) endet die Erkrankung tödlich. Behandelt werden können nur die Beschwerden, nicht die Krankheit selbst.

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Laut Statistik erkranken weniger als zwei Prozent an Borreliose. Also kein Grund zur Sorge?

"Ich halte diese Zahl für völlig untertrieben", sagt Schlatterbeck. Borreliose könne in vielen Fällen, aber eben nicht immer, an der sogenannten Wanderröte – einer ringförmigen Hautrötung, die immer größer wird – erkannt werden. Häufig klagten Patienten vielmehr über unklare Schmerzen, meist in den Gelenken: mal im Knie, mal in den Fingern. Der Großteil gehe damit zum Orthopäden und werde oft mit Schmerzmitteln statt mit Antibiotika, dem einzigen Wirkstoff gegen Borreliose, behandelt. Hinzu kommt, dass Borrelien bis zu 20 Jahre im Körper schlummern können, bis die Krankheit ausbricht. "Im Gegensatz zu FSME ist Borreliose therapierbar", so Schlatterbeck. "Aber die Krux liegt in der Diagnose." Und bis zum richtigen Befund würden viele Patienten oft jahrelang Lebensqualität einbüßen. 

Wie erkenne ich, ob ich mit Borrelien infiziert wurde?

Wie bei FSME auch führt nicht jeder Zeckenbiss zu einer Infektion. Nachweisen lassen sich die Erreger nur durch einen Bluttest. Allerdings sind Antikörper frühestens drei Wochen nach dem Zeckenbiss erkennbar.


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Dafür ist es für einen Bluttest nie zu spät, er kann also theoretisch auch 20 Jahre nach einem Biss noch durchgeführt werden. Zeichnet sich am Körper die erwähnte Wanderröte ab, sollte man aber sofort den Arzt aufsuchen.

 

Gegen Borrelien, die ebenfalls von Zecken übertragen werden können, gab es in den USA einen Impfstoff. Wann ist bei uns mit einem Mittel zu rechnen?

Der genannte Impfstoff wirkte gegen eine bestimmte Borrelien-Bakterie, die nur in Nordamerika vorkommt. Laut Hersteller war die Nachfrage zu gering, weshalb er wieder vom Markt genommen wurde.

"Borrelien sind nicht gleich Borrelien", so Schlatterbeck. "Es gibt ein ganzes Sammelsurium an Erregern mit regionalen und kontinentalen Unterschieden." Deshalb rechne er hierzulande so schnell nicht mit einem effektiven Schutz.

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