Konten beschlagnahmt

Bundesweite Durchsuchungen: Polizei geht gegen "Letzte Generation" vor - auch in Bayern

24.5.2023, 13:06 Uhr
Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg in einer Straße.

© Christoph Soeder, dpa Polizeifahrzeuge stehen bei einer Hausdurchsuchung in Berlin-Kreuzberg in einer Straße.

Mit einer großangelegten Razzia sind Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation vorgegangen. Insgesamt wurden am Morgen ab etwa 7.00 Uhr 15 Objekte durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt mitteilten. In Bayern kam es dabei zu drei Durchsuchungen in München und Augsburg. Das Ermittlungsverfahren wird durch die Generalstaatsanwaltschaft München und der Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) geleitet.

Neben den Durchsuchungen wurden zwei Konten der Gruppe beschlagnahmt und ein Vermögensarrest zur Sicherung von Vermögenswerte vollstreckt. Hintergrund der Ermittlungen und Durchsuchungen sind laut Staatsanwaltschaft zahlreiche Strafanzeigen. Die Gruppe macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die fatalen Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Die Mitglieder kleben sich dabei häufig fest - an Straßen oder auch an Kunstwerken.

Der Tatvorwurf lautet Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat ein Ermittlungsverfahren gegen sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren eingeleitet. Festnahmen gab es zunächst nicht. Zwei von den Beschuldigten stehen jedoch unter Verdacht, im April 2022 versucht zu haben, die Öl-Pipeline in Triest-Ingolstadt zu sabotieren.

Spendenkampagne zur Finanzierung von Straftaten

Zentraler Vorwurf im Zusammenhang mit den Durchsuchungen ist, dass die Beschuldigten eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die Letzte Generation organisiert und so mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben sollen. Dies soll über die Homepage der Gruppe beworben worden sein. Nach bisherigen Erkenntnissen wurde das Geld überwiegend für die Straftaten der Vereinigung eingesetzt. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Wie viel davon beschlagnahmt wurde, sagte die Polizei zunächst nicht. Ziel der Durchsuchungen sei auch "das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur" gewesen, hieß es.

Durchsuchungen gab es in sieben Bundesländern, konkret in Hessen im Landkreis Fulda, in Hamburg, Sachsen-Anhalt (Magdeburg), Sachsen (Dresden), Bayern (Augsburg und München), Berlin und im Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein. Zudem wurde auf Anweisung der Staatsanwaltschaft die Homepage der Gruppe beschlagnahmt und abgeschaltet, teilt Polizeisprecher. Zudem sei der Presseverteiler der Gruppe lahmgelegt, erklärt eine Sprecherin der Organisation. Laut Polizei waren bundesweit etwa 170 Beamte im Einsatz. Die Durchsuchungen verliefen ersten Informationen nach friedlich.


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"Völlig bekloppt": Scholz äußert sich zu Anklebe-Aktionen

In den vergangenen Wochen war das Umfeld für die Aktivisten extrem rau geworden. Abgenervte Autofahrer schlugen und traten die Protestierenden des Öfteren und schleiften sie ruppig von der Straße, und das Landgericht Potsdam bestätigte erstmals den Anfangsverdacht, dass die Gruppe eine kriminelle Vereinigung sein könnte. Diese Woche äußerte sich auch Kanzler Olaf Scholz extrem kritisch und nannte die Anklebe-Aktionen der Gruppe "völlig bekloppt". Die Aktivisten forderten anfangs ein "Essen-Retten-Gesetz" gegen Lebensmittelverschwendung. Die derzeitigen Forderungen sind Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Verkehr.

Angesiedelt sind die Ermittlungen bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München betonte aber, dass das nicht bedeute, dass man die Letzte Generation als extremistisch oder terroristisch einstufe. "Wir gehen nach jetzigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt - wohlgemerkt nicht um eine terroristische", sagte der Sprecher. Dies wolle man gerichtlich prüfen lassen.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft begrüßte die Durchsuchungen. "Die Justiz greift durch, das ist das richtige Signal eines wehrhaften Rechtsstaates", sagte Gewerkschaftschef Rainer Wendt in Berlin.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Lorenz Gösta Beutin, nannte die Razzien völlig überzogen. Die Menschen, die sich der sogenannten Letzten Generation zurechneten, setzten auf friedlichen zivilen Ungehorsam, um auf die Klimakatastrophe und das Versagen der Bundesregierung aufmerksam zu machen.

Im Verlaufe des Tages hat die Letzte Generation eine Pressekonferenz einberufen, um Stellung zu beziehen. Dabei verurteilte eine Sprecherin der Letzten Generation die Maßnahmen als einen "tiefen Einschnitt in die Organisation", welche den "legitimen" Prozess der Aktivistengruppe verhindern. Die Aktivistinnen und Aktivisten betonen dabei, dass ihre Proteste fortwährend friedlich waren.

Die großangelegte Razzia hat die Organisation überrascht, erklären die Aktivistinnen und Aktivisten. "Sie machen uns Angst. Aber wir dürfen nicht in dieser Angst verharren". Die Gruppe kündigt trotz jüngsten Maßnahmen für die kommenden Tage und Wochen weitere Proteste an. Gleichzeitig kritisieren sie die Bundesregierung und besonders Bundeskanzler Olaf Scholz für ihr fehlendes Teilhaben am Klimaschutz.

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