Ermittlungen laufen

Bundesweite Razzia gegen Reichsbürger: Ein Brennpunkt des Zugriffs war Franken

Julia Ruhnau

nordbayern.de

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7.12.2022, 20:57 Uhr
Laut Bundesanwaltschaft plante eine Gruppe aus der Reichsbürgerszene den Staatsumsturz.

© NEWS5 / Oßwald, NEWS5 Laut Bundesanwaltschaft plante eine Gruppe aus der Reichsbürgerszene den Staatsumsturz.

Bei der Großrazzia in der Reichsbürgerszene sind nach Informationen der Deutschen Presseagentur 26 Objekte in allen bayerischen Regierungsbezirken durchsucht worden. Die Agentur beruft sich dabei auf Informationen aus Sicherheitskreisen. Insgesamt wurden sechs Menschen in Bayern festgenommen, teilte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch im Innenausschuss des Landtags mit, zwei von ihnen im Ausland.

Laut Bundesanwaltschaft in Karlsruhe gab es Festnahmen in den Landkreisen Forchheim, Schweinfurt, Ansbach und Bayreuth, im Ausland waren Perugia in Italien und Kitzbühel in Österreich betroffen. Die Festgenommenen sollen Mittwoch oder Donnerstag dem Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof vorgeführt werden. Im Einsatz waren laut Herrmann in Bayern Einsatzkräfte im "mittleren dreistelligen Bereich", darunter auch Spezialeinheiten.

Zu den Festgenommenen gehört unter anderem Thomas M. aus Kirchehrenbach im Landkreis Forchheim. Er soll Mitglied im Führungsstab des militärischen Arms der Terrorgruppe gewesen sein. Thomas T., ein weiterer Verdächtiger, der bei Ansbach festgenommen wurde, soll persönlicher Referent des Anführers des Netzwerks, Heinrich XIII. Prinz Reuß, gewesen sein. Auch in Moosbach im Nürnberger Land sowie in Lappersdorf im Landkreis Regensburg wurden Objekte durchsucht, allerdings trafen die Einsatzkräfte hier keine Verdächtigen an.

Eine der größten Aktionen des Rechtsstaates

Es handele sich um eine extrem wichtige und eine der größten Aktionen des Rechtsstaates und sei ein wichtiges Zeichen für die Demokratie, betonte Herrmann. Der Rechtsstaat werde auch weiterhin alles tun, um solche verbrecherischen und terroristischen Umtriebe zu unterbinden. Es sei ein "gutes Zeichen", dass die Behörden rechtzeitig darauf aufmerksam wurden.

Hajo Funke, Politikwissenschaftler und Rechtsextremismusexperte, teilt die Einschätzung der Sicherheitsbehörden, dass dies eine "gefährliche Gruppe" gewesen sei. Das sagte er gegenüber der Agentur News5. Die Gruppe sei innerhalb der etwa 20.000 Mitglieder der Reichsbürger-Szene eine kleine gewesen, aber entschieden auf einen "terroristischen Sturz unserer Demokratie" aus gewesen, so Funke. Er kritisiert, dass die Behörden über Jahre "zu nachlässig" gegenüber der Szene gewesen seien. Inzwischen sei man sich der Gefahr aber bewusst. "Ich bin zuversichtlich, dass man sie unter Kontrolle hält."

3000 Polizisten im Einsatz

Bundesweit wurden bei der Aktion unter Regie der Bundesanwaltschaft 25 Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene festgenommen. Rund 3000 Polizeibeamte waren am Mittwochmorgen in elf Bundesländern im Einsatz gewesen. Die terroristische Vereinigung habe die staatliche Ordnung in Deutschland stürzen und durch eine eigene ersetzen wollen, die in Grundzügen schon ausgearbeitet sei, hieß es von der Bundesanwaltschaft. Dafür hätte sie auch Tote in Kauf genommen.

"Reichsbürger" sind Menschen die die Bundesrepublik und ihre demokratischen Strukturen nicht anerkennen. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Oft stehen sie im Konflikt mit Behörden. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu.

Bei etwa fünf Prozent von ihnen, also rund 1150, handelt es sich nach Angaben der Behörde um Rechtsextremisten. Im Jahr 2021 rechnete der Verfassungsschutz der Szene "Reichsbürger und Selbstverwalter" 1011 extremistische Straftaten zu.

Bei einer Razzia im Jahr 2016 hatte ein sogenannter Reichsbürger im bayerischen Georgensgmünd auf vier Polizisten geschossen. Einer von ihnen erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Das Spezialeinsatzkommando wollte die Waffen des Jägers beschlagnahmen.

Weitere Hintergründe zu den Festnahmen in Franken finden Sie in unserem Plus-Artikel auf NN.de.


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