Christian Pech nach Freispruch: "Mir fällt ein großer Stein vom Herzen!"

5.5.2021, 18:25 Uhr
Christian Pech nach Freispruch:

© Roland Fengler, NNZ

Nach dem Freispruch wurde, zumindest juristisch, Ihre Ehre wieder hergestellt. Wie fühlt sich das nach dieser langen Zeit an?

Christian Pech: Mir fällt ein großer Stein vom Herzen. Denn natürlich war das Strafverfahren immer in meinem Hinterkopf, auch wenn ich mich in dieser langen Zeit von der Sache auch mal frei machen konnte. Der Freispruch fühlt sich jetzt erst mal gut an.


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Vor dreieinhalb Jahren wurden Sie wie ein potentieller Schwerverbrecher festgenommen.

Christian Pech: Unser Haus in Möhrendorf wurde am 9. Oktober 2017 morgens kurz vor sieben Uhr von etwa acht bewaffneten Zollbeamten umstellt. Die Leute hämmerten an die Tür, im Haus durften sich meine Frau und ich nicht einmal mehr ohne Aufsicht die Zähne putzen und unsere kleine Tochter wickeln. Und dann wurde ich zur Polizei zur erkennungsdienstlichen Behandlung gefahren.

Christian Pech nach Freispruch:

© Harald Sippel, NNZ

Es folgten vier Wochen U-Haft, und als Vize-Landrat verloren Sie Ihren Posten.

Christian Pech: Es gab Phasen, in denen ich wirklich schlecht geschlafen habe. Und ich habe natürlich bemerkt, wie ich angesehen wurde. Als die Geschichte in der Presse gelandet ist, wurde ich, etwa wenn ich einkaufen gegangen bin, von einigen Leuten auch anders angesehen als vorher. Natürlich nicht von allen Leuten, es gab durchaus auch viele Menschen, die mir positiv begegnet sind.

"Ich habe keinen Cent irgendwo versteckt"

Die Rede war von 21 Millionen Euro Schaden - einige vermuteten, dass Sie sich persönlich bereichert hatten.

Christian Pech: Man muss das mal klarstellen: Ich habe keinen Cent in irgendeinem Schrank zu Hause versteckt. Und das gilt auch für alle anderen Männer und Frauen, die angeklagt waren. Wir haben alle nur unsere Arbeit gemacht, wir haben keine Provisionen bekommen, sondern ein Festgehalt. Keiner von uns hat sich persönlich bereichert.

Als Sie festgenommen wurden, kamen schnell Solidaritätsadressen. Der Möhrendorfer Bürgermeister, Thomas Fischer (CSU) konnte die Vorwürfe nicht glauben, German Hacker (SPD), Bürgermeister in Herzogenaurach beschrieb Sie als "Brückenbauer", Renate Schmidt und Horst Arnold als Fraktionschef der SPD im Landtag bekannten sich sofort zu Ihnen. Die Landtagsabgeordnete Alexandra Hiersemann (SPD) hat Sie zu jedem Prozesstag begleitet.

Christian Pech: Und Zuspruch kam nicht nur aus der SPD, auch von der CSU meldeten sich einige, dazu auch Menschen, die mir nicht aus der Politik bekannt sind. Sie sagten öffentlich, dass sie mich gut kennen, und diese Vorwürfe überhaupt nicht zu mir passen - weil ich kein Betrüger bin. Alle Menschen, die mir näher stehen, haben so reagiert. Dafür bin ich dankbar.

Das hilft, doch schafft die Vorwürfe nicht aus der Welt...

Christian Pech: In so einer Situation fühlt man sich schon allein gelassen und natürlich steht man als Einzelner einer überwältigenden Staatsmacht gegenüber. Und so fühlt es sich auch an. Man kann sich kaum rühren, man kann kaum was sagen, man kann sich kaum rechtfertigen. Wenn man merkt, da gibt es Leute, die an einen glauben, hilft dieser Rückhalt sehr.

"Ich saß alleine in meiner Zelle"

Sie saßen vier Wochen in der U-Haft in Amberg, die massive Gewalt des Staates war spürbar.

Christian Pech: Aus heutiger Sicht habe ich es gut verkraftet, ich bin gut durchgekommen. Aber man wird wirklich komplett aus dem Leben gerissen, lebt völlig isoliert und ohne jeden Kontakt zur Außenwelt. Ich konnte keine Zeitung lesen, bekam keinen Radiobeitrag mit, gar nichts. Der einzige Kontakt zu Beginn war mein Anwalt Markus Wagner. Später durfte mal meine Frau kommen, einmal hat mich auch Alexandra Hiersemann besucht. Die Besuche sind ja limitiert. Ich habe mich mit allem runtergefahren. Mein Verteidiger, er hat sich wirklich reingehängt, brachte mir gleich zu Beginn sechs bis sieben dicke Ordner mit Akten - darüber war ich echt dankbar. Ich habe mich reingewühlt und über diese Beschäftigung war ich froh. Ich hatte weder ein Fernsehgerät, noch Bücher und saß alleine in meiner Zelle. Und auf diese Weise versuchte ich, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft überhaupt zu verstehen.

Sie hatten emotionale Unterstützung. Sie versuchten, die Ermittlungen intellektuell zu erfassen und als Vize-Landrat wissen Sie prinzipiell, wie Behörden arbeiten. Sie wirken stabil - haben Sie dank dieser Strategie diese schwere Zeit so gut überstanden?

Christian Pech: So habe ich meinen Kopf über Wasser halten können. Ich habe grundsätzlich Kampfgeist, bin skeptisch und hinterfrage die Dinge kritisch. Ich wollte verstehen, wo der Fehler liegt. Zollexperten bestätigten von Anfang an, dass unsere Firma weder Zollbeträge noch Steuern unterschlagen hat. Heute wissen wir, der Fehler lag bei den Ermittlungsbehörden.

Doch damals folgte Schlag auf Schlag: Nach vier Wochen wurden Sie aus der U-Haft entlassen, doch einen Monat später wurden Sie von der Landesanwaltschaft aus Ihrem Amt entfernt.

Christian Pech: Die Rede war immer von einer vorläufigen Dienstenthebung - und auf diese Vorläufigkeit wurde bei allen Einwendungen und Beschwerden, die ich vorbrachte, immer hingewiesen. Sowie sich herausstellen würde, all dies sei nicht rechtens, würde ich wieder rückwirkend eingesetzt.

"Ich wusste ja, dass ich unschuldig bin"

Doch die Zeit verstrich. Sie wehrten sich gegen die Suspendierung, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies Ihre Beschwerden zurück.

Christian Pech: Ich wusste ja, das ich unschuldig bin und fühlte mich zu Unrecht verfolgt. Deshalb bin ich auch nicht freiwillig zurückgetreten, ich wurde schließlich für sechs Jahre gewählt.

Heute steht fest: Sie wurden zu Unrecht aus dem Amt gehoben - fühlten Sie sich in der Unschuldsvermutung verletzt?

Christian Pech: Viele Menschen haben in den letzten dreieinhalb Jahren die Unschuldsvermutung vor sich hergetragen. Bei einigen war es nur eine Phrase, bei anderen nicht. Ich fühle mich insbesondere von der Landesanwaltschaft und den Verwaltungsgerichten vorverurteilt. Die Landesanwaltschaft ging bereits im Dezember 2017 an die Öffentlichkeit und teilte mit, dass ich des Amtes enthoben bin. Dann wurde das erste Hauptverfahren im Frühjahr 2019 ausgesetzt, weil Beweise fehlten. Es wäre eine Gelegenheit gewesen, mich zu rehabilitieren. Doch auch dies wurde mir versagt. Es war wie im Film, immer wieder folgte ein neuer Schlag.

Nun halten Sie einen Freispruch in der Hand, doch die Frage ist, was von ihrem alten Leben zurückzuholen ist.

Christian Pech: Ich hätte als Vize-Landrat freiwillig zurücktreten können statt in der Suspendierung zu verharren - es war immer eine umstrittene Sache, dass ich dies nicht getan habe. Und dafür musste ich in der Öffentlichkeit auch Prügel einstecken. Doch ich war von meiner Unschuld überzeugt, deshalb fühle ich mich durch den Freispruch jetzt bestätigt.

Wie geht´s jetzt weiter? Sie arbeiten weiterhin im Solar-Business, doch wie sieht es mit ihren politische Plänen aus?

Christian Pech: Schauen wir mal, was die Landesanwaltschaft macht. Das Disziplinarverfahren gegen mich ist noch nicht abgeschlossen, und von dort hieß es immer, ich sei ja nur vorläufig aus dem Amt abgesetzt. Aus meiner Sicht begründet vor allem dieser Schritt meine Vorverurteilung in der Öffentlichkeit. Als ich etwa bei den Kommunalwahlen 2020 für den Kreistag kandidiert habe, musste ich etwa bei Facebook lesen, wie einer wie ich es nur wagen kann, sich zur Wahl zu stellen.

Überhaupt habe ich häufig erfahren, dass lieber über mich gesprochen wurde, als mit mir. Und größere Zukunftspläne habe ich gerade wirklich nicht, schließlich habe ich gemerkt, wie schnell man aus seinem bürgerlichen Leben gerissen werden kann. Aber ich bin niemand, der sich im Jammern ergibt. Ich hege auch keinen Groll gegen andere. Ich habe in dieser ganzen Zeit gemerkt, dass es Menschen gibt, die meine Schwäche ausnutzten, statt mir Solidarität zu zeigen. Aber es gab auch Leute, die mir beigestanden sind. Und das ist ein Geschenk.