Corona-Glosse: Mit der Fußfessel an den Küchentisch gekettet

7.1.2021, 05:56 Uhr
Corona-Glosse: Mit der Fußfessel an den Küchentisch gekettet

© Christian Ohde via www.imago-images.de

Tut mir leid, heute gibt es an dieser Stelle nichts fürs Hirn. Auch keinen Humor. Die da oben im Sozialministerium haben mir ja netterweise einen blauen Blankoschein für die Betreuung meines Nachwuchses ausgestellt. Da guckst du, was? Ich bleib jetzt einfach zuhause! Als treu sorgende Mutter, als Heimchen am Herd, wie es sich eh in Bayern gehört. Traditionen haben immer auch etwas Gutes. Dahoam ist dahoam! Auf solche Slogans fahren spätberufene Hausfrauen wie ich nun ab. Warum sollen Weiber und Weicheier auch arbeiten?


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Dieses Mal mache ich ernst. Ich schreibe nicht eine einzige Zeile mehr für diese Zeitung oder nordbayern.de, weil die Schulen unserer Kinder weiter dicht sind und der Waldkindergarten unter freiem Himmel nun quasi auch geschlossen wird. Dabei rennt, nebenbei bemerkt, gerade alle Welt in den Forst, um Corona zu entkommen. Vielleicht sollten manche Ministerpräsidenten auch mal wieder an die frische Luft, um das zu erkennen.

Aber gut, Vorsicht ist in der Politik besser als Nachsicht, siehe kaputt gesparte Krankenhäuser. Also halten wir Frauen uns mal lieber stillschweigend an alle Corona-Auflagen. Ob logisch oder nicht, ist ja jetzt auch schon egal. Folglich kette ich mich ab heute mit einer 15-km-Fußfessel an unseren Küchentisch.


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So kann ich wenigstens noch die Waschmaschine im Keller bedienen und meinem Drittklässler die Schulaufgaben ins oberste Stockwerk hinterhertragen. Aus dem Corona-Verlierer soll schließlich mal was werden! Trotz fehlender Bildung vielleicht Lehrer oder Rentenberater, zumindest nicht Umweltschützer. Die Klimakrise kann schließlich noch warten.

Glotze statt Ausflug

Mein Kleinster bleibt nun übrigens auch daheim. Notbetreuung? Das hört sich für ihn offenbar noch schlimmer an als arbeitslose Eltern. Naja, vielleicht hat er auch den Ernst der Lage einfach noch nicht erkannt. Also nochmal: keine Geburtstagsparty, kein Seepferdchen, kein Ausflug, kein Waldkindergarten - verstanden? Stattdessen Glotze, Gewichtszunahme, gestresste Eltern. Schläge sollen neuerdings auch wieder erlaubt sein, oder wie war das nochmal?

Und dann schaue man sich mal diese Jugend an. Was hat ein Heranwachsender verdient, der sich um die aufgestellten Corona-Regeln Null schert und seine Freunde weiter trifft? Ein paar Schellen! Genau. Oder eine Strafanzeige. Vielleicht ist er aber auch einfach auf dem einzig richtigen Weg, seelisch gesund zu bleiben? Lieber jetzt pubertieren, als mit 50 einen roten Ferrari fahren. Lieber jetzt aufbegehren statt sich Erwachsenen anzupassen, die leider auch keinen Plan von der Pandemie haben.

Wenn ich hier nun aber wirklich NICHTS mehr schreibe, bin ich meinen Job los, oder? Also gut, dann tippe ich künftig meine Artikel nachts. Meine Freundinnen und ich können ohnehin nicht schlafen, wir wälzen uns wieder und wieder vor Sorge, wie wir unseren Kindern noch Schlimmeres ersparen. Wir überlegen, wie wir in der Krise stark bleiben, obwohl viele längst zusammenklappen. Doch wer will schon unsere Luxusprobleme hören angesichts der vielen Schicksale durch Corona, in Anbetracht übervoller Intensivstationen?

Danke!

Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle einfach nur kurz bei den Zuständigen bedanken: Herzlichen Dank für die zehn zusätzlichen Betreuungstage! Wir berufstätigen Mütter und Väter würden diese allerdings gerne tauschen gegen zehn Tage gemachte Arbeit, ginge das? Besten Dank auch für das bayerische Bildungsversprechen - leider kam das Lernpaket ohne Inhalt, ohne Laptop und ohne Pisa-Sammelpunkte bei uns an! Danke auch für das Verständnis seitens der Staatsregierung, das Familien derzeit entgegengebracht wird, frei nach dem Motto: Hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner! Und nicht zuletzt: Ein "Vergelte’s Gott" für dieses wunderbare bayerische Selbstbild: Wir sind die Besten! Ich bin da voll dabei, sogar als Zugezogene. Dahoam ist dahoam. Oder will hier etwa jemand weg?

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