Darum sterben in Bayern weniger Menschen an Corona

28.8.2020, 05:03 Uhr
Darum sterben in Bayern weniger Menschen an Corona

© Peter Kneffel/dpa

Die Infektionszahlen in Bayern gehen zwar seit einigen Wochen wieder deutlich nach oben, doch auf der anderen Seite der Medaille steht ein überaus erfreulicher Trend. Seit dem bisherigen Höhepunkt des Infektionsgeschehens Anfang April ist die Zahl der Corona-Toten im Freistaat kontinuierlich nach unten gegangen.


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Skeptiker, die die bisherigen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus für übertrieben halten, sehen das als Beleg für die Harmlosigkeit von Sars-CoV-2. Doch so einfach ist die Sache nicht.

Vorab ein paar Zahlen, die die Dimension des Rückgangs von tödlich verlaufenen Covid-19-Erkrankungen verdeutlichen: Seit dem 30. Juli wurden dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) insgesamt 13 Personen gemeldet, die mit und an den Folgen der von Corona ausgelösten Lungenkrankheit verstorben sind – ein Bruchteil der Zahlen, die in den Monaten zuvor von der in Erlangen sitzenden Landesbehörde vermeldet werden mussten.

Bisher 2633 Todesfälle in Bayern

Alles in allem sind seit dem ersten Todesfall in Bayern vor einem halben Jahr 2633 Corona-Tote vom LGL dokumentiert worden. Während des bisherigen Höhepunkts der Pandemie in Bayern Anfang April starben laut den offiziellen Zahlen über 600 Menschen innerhalb einer Woche. Mittelfranken ist hinsichtlich der Corona-Infektionen mit tödlichem Ausgang übrigens bislang verhältnismäßig glimpflich davongekommen: 290 Corona-Tote – also etwa zehn Prozent der gesamtbayerischen Quote – haben die Fachleute des LGL bislang registriert.


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Auch der Anteil von Todesfällen an der Gesamtzahl der Neu-Infizierten hat sich in den vergangenen Wochen deutlich verändert: Zu Beginn des Infektionsgeschehens in Deutschland lag dieser Wert bei etwa 1,3 Prozent und stieg bis zur zweiten April-Woche auf 6,8 Prozent. Mittlerweile ist diese Schlüsselzahl auf Werte im Zehntelprozent-Bereich gesunken.

Das alles bedeutet aber keineswegs, dass das Virus harmloser geworden ist. Der Rückgang der Todesfälle hat verschiedene Ursachen. Manche liegen auf der Hand wie das in den vergangenen Wochen deutlich gesunkene Durchschnittsalter von Infizierten, andere basieren vor allem auf statistischen Unwägbarkeiten oder müssen noch näher erforscht werden. Wesentlich für die Entwicklung ist die Tatsache, dass zu Beginn des Infektionsgeschehens in Bayern mit Sicherheit bei vielen Sterbefällen Covid-19 noch gar nicht als primäre Ursache oder als einer von mehreren Faktoren für den Tod eines Menschen diagnostiziert und in die Statistik eingeflossen war.

Ebenso blieben nach Überzeugung von Professor Lars Dölken in der Anfangsphase der Pandemie eine Vielzahl von Infektionen unentdeckt. "Ich denke, da können wir locker vom Faktor 10 ausgehen", sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Virologie an der Universität Würzburg.

Inzwischen deutlich mehr Tests

Auf einen entdeckten Fall von Covid-19 wären demnach also mindestens zehn Fälle gekommen, die nie registriert und dokumentiert wurden – und das relativiert die aktuelle Entwicklung wieder, weil derzeit auch erheblich mehr getestet wird als noch im Frühjahr. In den vergangenen Wochen wurden dem LGL teilweise die Ergebnisse von mehr als 40 000 Corona-Tests pro Tag gemeldet – bis Ende Mai war es oft weniger als die Hälfte, und das wirkt sich auch auf den Anteil der positiven Tests aus.

Über 2,4 Millionen Testergebnisse leiteten die Labore und die örtlichen Gesundheitsämter bis jetzt an das LGL weiter, und bis Ende Mai lag die Quote von getesteten Personen mit einer Corona-Infektion bei über sechs Prozent. Inzwischen rangiert dieser Wert an manchen Tagen bei weniger als einem halben Prozent.

"Aus virologischer Sicht keine Hinweise"

Dass aber auch die absoluten Zahlen der Corona-Toten erheblich zurückgegangen sind, dürfte ins erster Linie der Tatsache geschuldet sein, dass sich nun in erster Linie jüngere Menschen infizieren. Und je jünger die Patienten sind, desto mehr sinkt das Risiko von schweren Krankheitsverläufen. Anfang April – wie eingangs erwähnt die Phase mit den meisten registrierten Todesfällen in Bayern – betrug das Durchschnittsalter der gemeldeten Infizierten 52 Jahre, mittlerweile ist es auf 34 Jahre gesunken.


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Ein weiterer Grund für die nach unten gegangene Zahl von Corona-Toten sind die verbesserten Methoden zur Früherkennung und zur Behandlung, doch Fachleute sehen vor allem in der konsequenten Maskenpflicht das entscheidende Mittel gegen erneut steigende Sterbezahlen. "Die Mund-Nasen-Bedeckung verhindert, dass der Mensch eine erhebliche Dosis von Coronaviren abbekommt und dass er die Erreger tief in die Lunge einatmet", erklärt Lars Dölken. Bei einer nicht so gravierenden Infektion habe der Körper mehr Zeit, Antikörper zu bilden – der Krankheitsverlauf sei dann nicht so schwer.

Optimisten mutmaßen angesichts der Entwicklungen der vergangenen Wochen auch, dass sich die Wirkung von Sars-CoV-2 auf den menschlichen Körper abgeschwächt haben könnte – etwa aufgrund von Mutationen. Lars Dölken ist da extrem skeptisch: "Aus virologischer Sicht gibt es zurzeit keinerlei Hinweise darauf, dass dieser Erreger nicht mehr so gefährlich ist", sagt der Würzburger Experte.

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