Das Höfesterben in Franken ist "besorgniserregend"

10.1.2019, 05:45 Uhr
Billiges Fleisch wünschen sich die Verbraucher, doch auf artgerechte Tierhaltung legen sie dennoch Wert - für die Landwirte eine schwierige Situation.

© dpa/ Karl-Josef Hildenbrand Billiges Fleisch wünschen sich die Verbraucher, doch auf artgerechte Tierhaltung legen sie dennoch Wert - für die Landwirte eine schwierige Situation.

114 Euro pro Jahr. Mit diesem Betrag unterstützt jeder Bürger rein rechnerisch die landwirtschaftlichen Betriebe in der Europäischen Union. Mit zehn im Monat kosten diese Subventionen die Steuerzahler also in etwa so viel wie ihr Handytarif.

Rund 60 Milliarden kommen so jährlich zusammen – doch darüber, wie dieses Geld verteilt wird, ist den meisten Europäern wenig bekannt, glauben die Autoren des "Agrar-Atlas 2019", der vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und der Zeitschrift Le Monde Diplomatique herausgegeben wird.

Gleichzeitig stellen immer mehr Menschen immer höhere Ansprüche an die Landwirte: Mehr Platz für Tiere, weniger Gift auf dem Acker, Einsparen von Klimagasen. Das bestätigt auch der nun von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) vorgestellte "Ernährungsreport 2019", für den ihr Ministerium vom Meinungsforschungsinstitut forsa über 1000 Bürger befragen ließ. 70 Prozent erwarten demnach "eine artgerechte Haltung der Tiere" (2017: 66 Prozent, 2016: 70 Prozent).

Einfache Rechnung der EU

Mehr als zwei Drittel halten außerdem einen "schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen" für sehr wichtig (dieser Wert war in den Vorjahren nicht abgefragt worden), und mehr als jeder Zweite, dass Landwirte "umweltschonende Produktionsmethoden" anwenden (2017: 48 Prozent). 39 Prozent sind sogar der Meinung, dass Bauern nur dann Geld aus dem Steuertopf erhalten sollten, wenn sie Umweltleistungen erbringen, die etwa zum Wasser- und Naturschutz beitragen, wie eine weitere forsa-Umfrage im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt.

Allerdings: So funktioniert die EU-Agrarpolitik nicht. Auch wenn es in den vergangenen Jahren einige Reformen in Richtung Nachhaltigkeit gegeben hat, erhalten die Bauern nach wie vor den größten Teil der Unterstützung nach einer einfachen Rechnung: Je mehr Fläche sie bewirtschaften, desto größer die Summe. "Die derzeitige Agrarpolitik ist unökologisch, ungerecht und ineffektiv", kritisiert deshalb Barbara Unmüßig, Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung. Und ausgerechnet der ohnehin kleine Teil der Fördergelder, der für Umweltleistungen oder die Entwicklung ländlicher Gegenden zur Verfügung steht, soll nach einem Vorschlag der EU-Kommission sogar gekürzt werden.

Brexit ist schuld

Grund sei der Brexit, durch den insgesamt weniger Geld in den Agrartopf fließen wird, und der Wunsch Brüssels, aber auch der Bundesregierung, möglichst wenig am bisherigen Auszahlungsmodell zu ändern, so BUND-Agrarexperte Christian Rehmer gegenüber unserer Redaktion. Wenn sich nichts ändere, drohten viele kleinere Höfe zu schließen – dabei beurteilen drei Viertel der Deutschen laut forsa den Trend zu immer größeren Einheiten als negativ.

Wo halten die Landwirte welche Tiere? Der Agrar-Atlas gibt Aufschluss.

Wo halten die Landwirte welche Tiere? Der Agrar-Atlas gibt Aufschluss. © Agrar-Atlas 2019

Auch in Franken sei die Entwicklung "besorgniserregend", sagt die hiesige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Isabella Hirsch. Als sie vor 30 Jahren den Hof ihrer Eltern im kleinen Heilbronn übernahm, habe es in dem Ortsteil von Feuchtwangen im Kreis Ansbach 15 Bauernhöfe gegeben. Heute seien noch drei übrig. Hirsch fordert, Betriebe mit vielfältiger Produktion – etwa Getreidefeldern, Grünland und Tieren – stärker zu fördern als welche, die vor allem Mais anbauen.

Nicht genug Nachfolger

Weniger dramatisch sieht der Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbands in Mittelfranken die Lage. Strukturwandel habe es schon immer gegeben, so Ottmar Braun. Zwar wünsche er sich, dass möglichst viele Betriebe weitermachen könnten. Doch der Schwund liege auch daran, dass nicht alle einen Nachfolger hätten – oft hätten die Kinder eine andere Ausbildung gemacht oder studiert. Die Forderung von Tier- und Naturschützern nach strengeren Auflagen findet Braun zudem "kontraproduktiv". Gerade kleinere Betriebe könnten es sich nicht leisten, zum Beispiel ständig in neue Ställe mit mehr Auslauf zu investieren. Braun sieht außerdem Supermarktketten und Verbraucher in der Pflicht, mehr Geld für die Produkte der Bauern zu bezahlen.

Immerhin: Laut der Umfrage des Landwirtschaftsministeriums wäre jeder Zweite bereit, bis zu 50 Prozent mehr für Fleisch "aus tiergerechter Haltung" zu bezahlen, knapp ein Drittel würde sogar noch mehr ausgeben.

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