"Der III. Weg": Flugblätter von Rechtsradikalen vor Gymnasium

12.5.2018, 12:22 Uhr
Im Herbst 2016 liefen sie durch Fürth, vor einem Jahr trommelten rechtsradikale Anhänger von "Der III. Weg" dann in Neumarkt in der Oberpfalz für ihre Thesen. Inzwischen versuchen sie mit gezielten örtlichen Aktionen, wie jetzt in Langenzenn, Heranwachsende anzusprechen.

© Foto: Wolfgang Fellner Im Herbst 2016 liefen sie durch Fürth, vor einem Jahr trommelten rechtsradikale Anhänger von "Der III. Weg" dann in Neumarkt in der Oberpfalz für ihre Thesen. Inzwischen versuchen sie mit gezielten örtlichen Aktionen, wie jetzt in Langenzenn, Heranwachsende anzusprechen.

Morgens, kurz vor Schulbeginn, standen kürzlich zwei Männer vor dem Eingang zum Wolfgang-Borchert-Gymnasium in Langenzenn und hielten den einströmenden Jugendlichen ihre Flugblätter entgegen. "Langenzenn war das Schlimmste, was wir bis dahin erlebt hatten", war da in weißer Schrift auf grünen Balken zu lesen.

Angegeben als das Zitat eines deutschen Soldaten: Auf dem Gelände des heutigen Gymnasiums unterhielten die alliierten Streitkräfte von April bis Mai 1945 ein Kriegsgefangenenlager. Menschen kamen dort ums Leben. Am Ende des Flugblattes fordert "Der III. Weg" die Schüler auf: "Thematisiert das Geschehene an der Schule, damit das Schicksal der Menschen, die auf dem Grund und Boden des Gymnasiums einst schreckliche Qualen erlitten, im Unterricht seinen Platz findet und vor Ort zumindest eine Gedenktafel installiert wird."

Tage vorher war ein Pamphlet ähnlichen Inhaltes an Haushalte der Zennstadt verteilt worden. Das Perfide an der Aktion: Die Neonazis von "Der III. Weg", die auf ihren Seiten im Internet die "Aufklärungsaktion" am Gymnasium ausführlich schildern und als Erfolg preisen, reißen die Zitate der Gefangenen aus dem Gesamtzusammenhang. Denn sie sind dem Buch der Langenzenner Heimatforscherin Susanne Schmidt entnommen, die lange über das Kriegsgefangenenlager geforscht und nach Inseraten in unserer Zeitung sogar Zeitzeugen ausfindig gemacht hatte.

Würdigung der historischen Fakten

Die Lehrerin hat das Werk im November 2015 im Auftrag des örtlichen Heimatvereins veröffentlicht und durch ihre profunde Darstellung die Geschehnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Eine Würdigung der historischen Fakten hat also längst stattgefunden. Die Thematik wurde in der Stadt nie verheimlicht.

In ihrem Buch "Gefangen unter freiem Himmel – Das amerikanische Kriegsgefangenenlager für deutsche Soldaten in Langenzenn" verschweigt Susanne Schmidt auch die elendige Lage der Menschen damals nicht — zwischen 100.000 und 350.000 sollen dort kurzzeitig untergebracht worden sein. Doch sie ordnet die Zustände in die Gesamtsituation nach Kriegsende ein.

Menschen zu Tode gefoltert 

Zudem erwähnen die Neonazis in ihrem Schreiben mit keinem Wort, dass unweit dieses Lagers die Gestapo zwischen 1943 und 1945 das "Ausländergefängnis Langenzenn" betrieben und dort Menschen zu Tode gefoltert hatte. Auf einem heute noch existierenden Bauplan des KZ-ähnlichen Lagers trägt ein Raum die Aufschrift "Vorgesehene Blausäurekammer".

Die bayerische Staatsregierung und das Landesamt für Verfassungsschutz haben die Flugblattaktion in Langenzenn auf ihrer gemeinsamen Internetseite umgehend als "einseitige Geschichtsaufbereitung im Sinne einer geschichtsrevisionistischen Darstellung" gebrandmarkt. Mit dieser "neuen Vorgehensweise" versuche "Der III.Weg" offensichtlich, Jugendliche gezielt anzusprechen und für die Mitarbeit zu motivieren. Eine ähnliche Strategie habe vor Jahren die NPD mit ihrer Schulhof-CD verfolgt.

Rechtsextreme Propaganda am Schulhof 

Für den SPD-Landtagsabgeordneten und Experten für rechtsradikale Bewegungen, Christoph Rabenstein (Bayreuth), hat die rechtsextreme Partei "wieder eine rote Linie überschritten": Denn rechtsextreme Propaganda "hat an unseren Schulhöfen keinen Platz". Rabenstein spricht von "massiver Geschichtsklitterung". Die Soldaten der Wehrmacht dürfe man heute nicht als Helden verehren. "Der III. Weg" betreibe die Verherrlichung des Dritten Reiches und stehe nicht auf dem Boden des Grundgesetzes.

Rabenstein stellt sich hinter die schon zum Jahreswechsel gestellten Anträge zum Parteiverbot der Fürther CSU-Landtagsabgeordneten Petra Guttenberger und der Grünen-Vorsitzenden Katharina Schultze. Er fordert Innenminister Joachim Herrmann in einem offenen Brief auf, gegen die Verantwortlichen der Kampagne "vorzugehen, damit das unsägliche Gedankengut der Rechtsextremisten keinen Platz in den Köpfen unserer Schüler und Schülerinnen bekommt".

Wer steckt hinter der Partei?

Innenminister Herrmann hat sich bislang noch nicht zu den Vorgängen geäußert. Längst weiß der Verfassungsschutz, welche Köpfe hinter der Partei stecken: Seit vergangenem Herbst wohnt der Neonazi-Führungskader Kai Andres Zimmermann im Stadtgebiet Langenzenn. Zimmermann (31) ist nicht nur Leiter des "Gebietsverbands Süd" von "Der III. Weg", sondern auch ein enger Gefolgsmann von Matthias Fischer, viele Jahre einer der bedeutendsten Aktivisten der bayerischen Neonazi-Szene, der auch Kontakte zu NSU-Unterstützern unterhielt.

Zimmermann bestätigte unserer Redaktion, dass er die Flugblätter vor dem Gymnasium mit verteilt habe. Sie seien "Teil unserer Info-Kampagne", um das Kriegsgefangenenlager "wieder ins Bewusstsein zu rücken". Schließlich habe er selbst mit Zeitzeugen gesprochen. Er habe keinerlei Wahlwerbung für seine Partei betrieben und sich auch nicht auf dem Schulgelände aufgehalten.

Bürger sollen sich melden

Die Schulleiterin des Wolfgang-Borchert-Gymnasiums, Angelika Wist, sagte auf Anfrage, man habe im Unterricht sowohl das Flugblatt als auch die "historische Wahrheit" thematisiert und über das ehemalige Kriegsgefangenenlager gesprochen, das sich in etwa am Standort des heutigen Schulgebäudes befand. Wist betonte, dass Demokratie-Erziehung großen Stellenwert genieße. Bereits ab der achten Klasse finde "ständige Aufklärung" über die historischen Ereignisse statt. Pädagogen nähmen regelmäßig an Fortbildungen zur NS-Zeit im regionalen Raum teil.

Langenzenns Bürgermeister Jürgen Habel (CSU) forderte in einer Stellungnahme die Bürger auf, sich gegen jede Form von Extremismus zu stellen und der Stadtverwaltung sofort neuerliche Aktionen der Rechtsradikalen zu melden. Man setze sich für Vielfalt und Menschenrechte ein.

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