Der Main-Donau-Kanal: eine Glaubenssache

27.9.2012, 11:19 Uhr
Der Main-Donau-Kanal: eine Glaubenssache

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Der lange Kampf ist längst vorbei, die großen Schlachten sind geschlagen. Leicht resigniert berichtete Hubert Weiger kürzlich im oberpfälzischen Dietfurt von seinen jahrzehntelangen Bemühungen, den Bau des Main-Donau-Kanals irgendwie zu verhindern. Anfang der 1980er Jahre hatte sich eine Protestbewegung gebildet, die die Wasserstraße bekämpfte. Aber am Ende wurde das Infrastrukturprojekt dann doch verwirklicht; seit 1992 fließt das Wasser von der Donau in den Main. Gestern vor 20 Jahren wurde der Kanal fertiggestellt.

Zum ersten Mal hatte Karl der Große im Jahr 793 nach Christus die Idee, Rhein und Donau zu verbinden. Doch seine „Fossa Carolina“ scheiterte im sumpfigen Gelände. Dann versuchte sich König Ludwig daran und schuf bis 1846 Bayerns längstes Denkmal mit dem 140 Kilometer langen Ludwig-Donau-Main-Kanal. Doch die Technik überholte die Möglichkeiten der Wasserstraße schnell. Er war bald zu schmal für die neuen Frachtschiffe. Schon 1921 wurde an einem Main-Donau-Kanal geplant, die Arbeiten begannen schließlich 1960 und dauerten bis 1992. Die Baukosten betrugen 4,7 Milliarden D-Mark (rund 2,4 Milliarden Euro).

"Erwartungen haben sich erfüllt"

Während Hubert Weiger als Vorsitzender des Umweltverbandes BUND kein gutes Haar an der Wasserstraße lässt, sie als „verheerend“ für die Natur bezeichnet und kritisiert, dass die auf dem Kanal bewegten Gütermengen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben seien, zieht die Wasser– und Schifffahrtsverwaltung eine positive Bilanz. Zu Beginn seien jährlich rund 5,5 Millionen Tonnen transportierter Güter prognostiziert worden, sagt Guido Zander, Leiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Nürnberg. „Jetzt sind es im Schnitt 6,7 Millionen Tonnen geworden. Das Projekt hat sich also gelohnt. Die Erwartungen haben sich erfüllt.“

Auch betriebswirtschaftlich rechne sich das Milliardenprojekt. Zwar decken die Einnahmen durch die Gebühren nur rund 20 Prozent der Kosten für den Betrieb. 15 Millionen Euro verschlingt die Wasserstraße nach Angaben des Schifffahrtsamts jedes Jahr, nur rund drei Millionen Euro werden durch die Gebühren wieder eingespielt. Die Differenz wird aus dem Etat des Bundesverkehrsministeriums beglichen.

Allerdings müssten die wirtschaftlichen Vorteile für die wasserarme Region im Norden des Freistaates beachtet werden, meint Zander. Die bringt beispielsweise der Landrat des Landkreises Roth, Herbert Eckstein, auf den Punkt. „Ohne den Kanal könnte der Rothsee nicht mit Wasser versorgt werden“, sagt der SPD-Politiker. Der See habe einen hohen Erholungswert und steigere die Wirtschaftskraft des Kreises. „Ich hätte auch nie gedacht, dass Roth einmal Hafenstadt wird.“ Gemeint ist das System der Wasserüberleitung, durch die das Fränkische Seenland als Rückhaltebecken des Kanals erst entstand.

Rund 125 Millionen Kubikmeter Wasser werden jährlich aus dem Donaugebiet nach Franken gepumpt. Ursprünglich sollten damit auch neue Atomkraftwerke und der Ausbau des bestehenden Werkes in Grafenrheinfeld möglich werden. Die Flüsse Regnitz und Pegnitz würden nämlich ohne die Wasserüberleitung von der Donau nicht genug Wasser führen.

Mittlerweile werden laut Klaus Hohberger von der Bayernhafen-Gruppe rund 30 Millionen Tonnen Güter pro Jahr in den Häfen Aschaffenburg, Bamberg, Nürnberg, Roth, Regensburg und Passau verladen. Zehn Prozent davon würden mit dem Schiff weiter transportiert. Das sei ein enormer Wirtschaftsfaktor.

Neben Rhein und Mosel haben sich inzwischen auch Main und Donau zu wichtigen Kabinenschifffahrts-Routen in Deutschland entwickelt. Allein den Main-Donau-Kanal passierten 2011 auf dem Weg nach Passau oder Budapest 688 Kreuzfahrtschiffe – 22 Prozent mehr als 2010. Sie hatten 110000 Passagiere an Bord. Ob man für oder gegen den Kanal ist, ist für Hohberger deshalb auch ein bisschen Glaubenssache. Das sei wie mit der Wahl zwischen „Leberkäs-Semmel oder einem Veganer-Essen“.

Große Erwartungen beim Gütertransport haben die Betreiber des Kanals auch wegen des geplanten Ausbaus der Donau zwischen Straubing und Vilshofen. Hier soll spätestens im kommenden Jahr eine Entscheidung fallen. „Dann könnten es in Zukunft bis zu 12 Millionen Tonnen werden“, sagt Detlef Aster, der Präsident der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd.

Für Aster ist auch die Öko-Bilanz des Kanals positiv. „Sie ist weitaus besser ausgefallen, als viele gedacht haben.“ Auf der Südstrecke, in den sensiblen Bereichen etwa des Altmühltals seien rund 20 Prozent der dortigen Baukosten für den Kanal in ökologische Ausgleichsflächen investiert worden. Neben der Wasserstraße seien großflächige Feuchtgebiete, Altwässer und Nebenarme entstanden, die heute wertvolle Rückzugsgebiete für geschützte Tier- und Pflanzenarten bieten. Die ökologischen Kontrollbilanzen der Haltungen Kelheim und Riedenburg wiesen einen Zielerfüllungsgrad von 97 sowie 97,5 Prozent auf. Die Artenvielfalt habe sich erhöht. Mehr als ein Drittel aller dort vorgefundenen Arten sei nach der Roten Liste bedroht.

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