Die Leergutflüsterer: Coburger Unternehmen sortiert Flaschen

25.10.2017, 05:55 Uhr
Zwei bis drei Monate dauert es, bis ein neuer Mitarbeiter die Flaschen gut und richtig sortieren kann.

© Martin Müller Zwei bis drei Monate dauert es, bis ein neuer Mitarbeiter die Flaschen gut und richtig sortieren kann.

Fast jede Brauerei scheint ihre individuelle Flaschenform haben zu wollen. Das Problem dabei: Die Brauer bekommen immer mehr fremde Flaschen vom Handel zurück. Ein großes Verlustgeschäft — wäre da nicht ein Coburger Unternehmen, dass die Flaschen für die Brauereien sortiert. 

10.000 Bierflaschen nimmt jeder Mitarbeiter des Coburger Sortierzentrum pro Schicht in die Hand, 1250 pro Stunde schaut er genau an, überprüft Form, Größe und Zustand und bringt sie an den richtigen Bestimmungsort. Leicht ist das nicht, denn hier kommen rund 200 verschiedene Flaschenformen von 200 Brauereien an. Ob das „Grünerla“ in der 0,25-Liter-Flasche, das "Paulaner Zwickl" in der 0,4-Liter-Pulle oder das 0,75-Liter-Ungetüm von "Maisel & Friends": Die Hersteller lassen sich ständig etwas Neues einfallen, um sich von den Konkurrenten zu unterscheiden.

Hunderttausende Kästen auf dem Hof

"Zwei bis drei Monate braucht man schon, bis man die Flaschen gut und richtig sortieren kann", meint Joachim Vasold, Leiter des Sortierzentrums. 250.000 Bierflaschen am Tag bringen die Mitarbeiter des Coburger Sortierzentrums in den richtigen Kästen unter. 400.000 Kästen stehen derzeit am Hof, für genug Arbeit ist in nächster Zeit also gesorgt.

Der Getränkehandel schafft es noch, relativ gut sortierte Kästen an die Brauereien zurückzuschicken, bei den großen Supermärkten nehmen die fremden Flaschen aber Überhand. "Da steht halt der Azubi an einem Band voller Einzelflaschen und räumt alles in die Kästen, was irgendwie reinpasst", verdeutlicht Vasold.

Flaschenform als Alleinstellungsmerkmal

Diese Flaschen einfach wegzuschmeißen und neues Glas zu kaufen, wäre aber viel zu teuer für die Brauereien. Deshalb bezahlen sie lieber das Coburger Sortierzentrum dafür, ihnen korrekte Flaschen zu liefern.

"Vor 20 Jahren war alles noch einfach. Da gab es die dicke, gedrungene Euro-Flasche, die schlankere, höhere NRW-Flasche und die Longneck-Flasche mit einem dünnen Hals", sagt Vasold. Doch dann wollten sich große Brauereien wie Veltins und Radeberger sichtbar von der Konkurrenz unterscheiden und führten eine individualisierte Flaschenform ein.

Der Markt für Flaschentauscher

Später zogen viele nach, auch aus anderen Gründen. Denn die einheitlichen Flaschen landeten alle in einem großen Pool, für den sich niemand so wirklich zuständig fühlte. Die Folge: Die Qualität des Leerguts wurde immer schlechter, manche Hersteller befürchteten einen Imageschaden. Außerdem taten sich die Brauereien schwer, zu Spitzenzeiten genug Flaschen zur Verfügung zu haben. 

Durch die vielen Flaschentypen auf dem Markt bildet sich langsam eine neue Branche: die der Flaschentauscher. Diesen Bedarf erkannte auch Peter Sagasser, Chef einer großen Kette von Getränkemärkten in Nordbayern und Südthüringen, und siedelte auf seinem Firmengelände in Coburg das heutige Sortierzentrum an.

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