Diese fränkische Firma ist größter Geschenkpapier-Hersteller Europas

15.12.2020, 20:23 Uhr
Jährlich werden bei Zoewie in Neustadt bei Coburg circa 240 Millionen Meter Geschenkpapier produziert

© Michael Kasperowitsch Jährlich werden bei Zoewie in Neustadt bei Coburg circa 240 Millionen Meter Geschenkpapier produziert

Es sind schon klangvolle Namen. Booble, Noble Stars oder Purpel Hearts heißen sie. Es handelt sich keineswegs um Rockbands oder Rapper. Es geht um Geschenkpapiere. Wer glaubt, man habe es dabei mit einem ziemlich flüchtigen Einwickelmaterial zu tun, der war noch nicht in Neustadt bei Coburg. Hier steht Europas größter Hersteller für das bunte Accessoire, das vor allem in der Weihnachtszeit unentbehrlich ist. Wer legt Socken, Bücher oder Schmuck schon unverpackt unter den Baum.

Europas größter Geschenkpapier-Hersteller

Popp leitet alles andere als eine saisonale Glitzerpapier-Klitsche. Das weitläufige Firmengelände im Industriegebiet von Neustadt verlassen Jahr für Jahr etwa 240 Millionen laufende Meter Geschenkpapier. Damit ließe sich die Erde etliche Male einwickeln. 160 Mitarbeiter hat der Betrieb. Zwischen August und November steigt deren Zahl noch einmal um etwa ein Drittel. Da läuft das jeweilige Weihnachtsgeschäft auf Hochtouren. Die Ware muss rechtzeitig raus.

Man muss schon ein unverbesserlicher Geschenkpapier-Muffel sein, um nicht irgendwann einem der Produkt aus Neustadt wenigstens zu begegnen, wenn man es schon nicht selbst in die Hand nimmt. Praktisch der gesamte stationäre Handel wird beliefert. Es gibt wohl keine Drogeriekette, die nicht zu den Kunden gehört. Hinzu kommt der Fachhandel Papier, europaweit und darüber hinaus.

Zoewie heißt der Familienbetrieb in dritter Generation. Namensgeber ist Franz Zöllner-Wiethoff. Er hat das Unternehmen 1943, mitten im Krieg, in Oberlauter bei Coburg gegründet. Übliche Haushaltspapiere wurden dort produziert. Auch Toilettenpapier gehörte dazu. „Wären wir nur dabei geblieben“, scherzt Ute Popp mit Hinweis auf diese völlig zeitlos nachgefragte Ware und die Hamsterkäufe in Coronazeiten. Geschenkpapier steht seit 1959 auf dem Produktionsplan.

Top-modern - Vom Muster des Papiers bis zur Technik

Den Wandel der Geschmäcker und Ansprüche in diesem eher wenig beachteten Wirtschaftszweig hat Ute Popp seit vielen Jahren miterlebt, wenn sie ihn nicht zusammen mit ihren Kolleginnen und Kollegen sogar mitgeprägt hat. Sie gewährt dem Besucher einen Blick in das Zoewie-Kreativzentrum, ein größeres Büro, in dem Frauen an Geschenkpapier-Innovationen tüfteln. Fotografieren ist dort verboten. Top secret.

Für jedes neue Muster müssten, so die Firmenchefin, erst einmal 4000 bis 5000 Euro Entwicklungskosten investiert werden. Zoewie verfügt über rund 300 Druckvorlagen. Für eine neue Druckmaschine hat der Betrieb knapp vier Millionen Euro ausgegeben. Es gibt ein modernes, computergesteuertes Hochlager, in dem sich gewaltige Geschenkpapierrollen in Regalen über 30 Meter stapeln. Die vollautomatischen Verpackungsmaschinen sind für den Laien ein Wunder der Mechanik. Kartons werden aufgefaltet, mit Geschenkpapierröllchen in handelsüblicher Größe befüllt und dann versandfertig eingewickelt, ohne dass eine Menschenhand daran rührt.

Das ist allerdings nur die Technik, die ohne neue Ideen und professionelles Gespür für den Markt ziemlich unnütz wäre. „Man muss da ständig am Ball bleiben“, sagt Ute Popp. Ihre ganze Leidenschaft gehört diesem Betriebszweig. Das spürt man im Gespräch mit ihr. Jemand, der Geschenkpapier bisher für ein verzichtbares Produkt gehalten hat, verlässt ihr Büro mit neuen Erkenntnissen. Sie kann einen vom Geschenkpapier-Saulus zum - Paulus bekehren. In Neustadt kann man in dieser Hinsicht durchaus sein Damaskuserlebnis haben.

Ein echtes Kulturgut verlasse da die Hallen ihres Betriebs, philosophiert Popp gelassen. Das passende Geschenkpapier sei Ausdruck der Wertschätzung des Beschenkten, Ausdruck einer individuellen Note. „Das Bedürfnis für solche Gesten ist gewachsen.“

Um dem jedes Jahr neu gerecht zu werden, beschäftige man sich in Workshops mit den Lifestyle-Trends. Welche Farben sind gefragt? Wie lässt sich das aktuelle Lebensgefühl ansprechen? Ja, das sind Fragen, die auch einen Geschenkpapierhersteller nicht nur am Rand interessieren. Ungebremst sei der Trend des Cocoonings, des vermehrten Rückzugs in das Privatleben in eine Wohlfühlatmosphäre.

Wenn man wissen will, wie sich solche Überlegungen für Zoewie ganz praktisch auswirken, kann man einen Blick auf die ausgearbeiteten Muster für die Vorweihnachts-Geschenkpapierzeit 2021 werfen. Die sind in Ute Popps Büro gerade aufgereiht.

Da geht es zum Beispiel um das Modell „Cozy Feeling“, das in Geschenkpapier umgesetzt werden soll. Die dazugehörigen „Keywords“ sind: weiße, warme Winterwelt; sauber und frisch; Natürlichkeit. Bei „Christmas Boho“ - Boho-Chic oder Ibiza-Style ist ein Begriff aus der Modewelt, der auf Einflüssen von Hippies oder der Bohème basiert - wiederum zählen: feminin; opulent; emotional; dekorativ. So geht das weiter.

Graspapier, Bio-Glitzer und Solarenergie

Da steckt nachvollziehbar viel Kreativkraft drin, so viel, dass man sich vor Ehrfurcht kaum traut, die Frage nach dem Umweltgedanken zu stellen. Denn auch für soviel aufwändig gestaltete Kunstwerke aus Papier, die am Ende, nach dem Auspacken der Geschenke bedauerlicherweise meist im Altpapier landet, müssen doch wohl jede Menge Bäume ihr Leben lassen.

Diese schüchtern vorgetragene Anmerkung kommt Ute Popp gerade recht. Wenn sie bei dem Thema loslegt, erscheint die 17-jährige Aktivistin Greta Thunberg geradezu als Umwelt-Oma. Zunächst: Zoewie erzeuge jede Menge Solareneregie und verfüge über eine eigene Kläranlage, die das Abwasser tiefenreinige.

Biologisch abbaubare Folien werden verwendet, es kommen Farben auf wasserverdünnter Basis zum Einsatz, selbstverständlich liegt eine Reihe von Öko-Zertifizierungenen vor: Blauer Engel, PEFC und FSC für die Förderung nachhaltiger Waldwirtschaft. Und Zoewie nennt sich Vorreiter beim Einsatz von Recyclingpapier. Gerade läuft man mit Ute Popp im Betrieb an einer großen Rolle vorbei. „Die ist aus Graspapier“, merkt sie beiläufig an. Dafür musste kein einziger Baum neu gefällt werden.

Und damit ist nicht Schluss. Zusammen mit Partnern wird an der Entwicklung von Bio-Glitzer gearbeitet, das Papier oder Tüten einmal umweltverträglich verzieren soll statt des mehr oder weniger schädlichen Flitters, der bisher zum Einsatz kommt.

An nachhaltig hergestelltem Geschenkpapier will sich Zoewie in Zukunft in Europa von keinem was vormachen lassen. Die Chancen, das Ziel zu erreichen stehen wohl nicht schlecht.

5 Kommentare