"Dorfwirtschaften braucht das Land"

9.3.2020, 14:21 Uhr

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Die Gastronomie mit ihren Dorfwirtshäusern sei nicht nur die zweitwichtigste Leitökonomie nach der Industrie, sie böte mit ihren „öffentlichen Wohnzimmern“ auch Plattformen zur Kommunikation und nicht selten sogar „psychologische Hilfestellung“. Sie zählten somit „zu den wichtigsten sozialen Institutionen einer Ortsgemeinschaft“. Mit 447.000 Erwerbstätigen sei jeder 17. Arbeitsplatz in der Gastronomie angesiedelt. Es gebe derzeit 111 Berufsbilder und 10.000 Auszubildende zu „Dienstleistungsprofis“, nannte Dr. Geppert beeindruckende Zahlen. Hotellerie und Gastronomie seien Hauptleistungsträger des stark wachsenden Tourismus auch in Franken und damit regionale Wirtschaftsmotoren.

Auch die Kommunen könnten mit entsprechendem Verwaltungshandeln und vielfältigen Maßnahmen zur Unterstützung der örtlichen Gastronomie beitragen, damit das Ausbluten mancher Innenorte verhindern und ihren eigenen Standort stärken. Profitieren würde der örtliche Handel, das Handwerk und viele weitere Dienstleister. Personalintensive und zumeist familiengeführte Individualgastronomie ist für Dr. Geppert eine Grundvoraussetzung für flächendeckenden Tourismus besonders im ländlichen Raum. Flexible Sperrzeitenregelungen und weniger Auflagen für die Außengastronomie wie auch für Um- und Ausbauten zählte er zur insgesamt „genehmigungsfreundlichen Handhabung“.

Fairer Wettbewerb und Flexibilisierungen

Beim Abbau übertriebener Vorgaben seien aber alle politischen Ebenen gefragt. Vor allem die Bundesregierung müsse für „mehr Netto vom Brutto“ sorgen, und zwar in allen Bereichen für die Unternehmen wie die Mitarbeiter. Dr. Geppert forderte faire Wettbewerbsbedingungen und eine deutliche Flexibilisierung des Arbeitsmarktes nicht nur für die Gastronomie sondern den Mittelstand insgesamt. Erstaunlich sei, dass gerade die „Grünen“, die ansonsten für mehr Regionalität eintreten würden, „mit immer neuen Forderungen dafür sorgen, dass eben diese Regionalität kaputt gemacht wird“. Aber die Gesellschaft als Ganzes müsse die Dienstleistungen „von Mensch zu Mensch“ wieder mehr wertschätzen.

Der Landtagsabgeordnete und CSU-Kreisvorsitzende Hans Herold war sich mit Landrat Helmut Weiß darin einig, dass die Dorfwirtshäuser nicht nur „reale Kulturstätten“ seien, sondern auch einen wesentlichen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung und qualifizierte Arbeitsplätze im ländlichen Raum darstellen.

Wie wichtig das Thema sei, zeige, dass das bayerische Gaststätten-Modernisierungsprogramm der Staatsregierung in wenigen Minuten vergriffen war. Herold versprach, sich für eine Neuauflage in 2021 einzusetzen.

Die touristischen Highlights des Landkreises Neustadt/Aisch–Bad Windsheim seien gemeinsam mit der örtlichen Gastronomie entwickelt worden, so Landrat Weiß. Die erfolgreiche „Mittelfränkische Bocksbeutelstraße“ und die „Bierstraße“ würden ergänzt durch einen ansässigen großen Brunnenbetrieb, die „Aischgründer Karpfenschmeckerwochen“ und die „Wildbretwochen“.

Sieben Prozent Umsatzsteuer für Essen

Im Beisein von Hans Schneider, Vorsitzender des DEHOGA-Berufsbildungsausschusses in Bayern und Gastronom aus Neuhof/ Zenn sowie Kreisvorsitzendem Herbert Krönert entwickelte sich eine rege Diskussion. Auch die anwesenden Verbraucher zeigten sich verständnislos angesichts unterschiedlicher Umsatzbesteuerung bei Lebensmitteln zum Mitnehmen und örtlichem Verzehr. Dr. Thomas Geppert verwies auf die Aktion seines Verbandes unter dem Motto „Reduzierung der Umsatzsteuer für Essen auf einheitlich sieben Prozent, egal, wo und wie“.

Gastronomen prangerten besonders die „völlig überzogene Bürokratie“ und den „Kontrollwahn“ an, wo selbst vor verdeckten Ermittlungen nicht zurückgeschreckt werde. Eine ganze Branche werde einem „Generalverdacht“ ausgesetzt, es entwickle sich allmählich ein staatliches Misstrauen gegen die Bürger und vor allem diejenigen, die etwas unternehmen. Die zahlreich anwesenden Kommunalpolitiker erklärten sich an der Seite der Gastwirte. Landrat Helmut Weiß forderte von der „Politik mehr Mut haben, nicht allen Strömungen hinterherzulaufen“ und Landtagsabgeordneter Hans Herold ergänzte: „Der Abbau der Bürokratie muss von ganz oben beginnen“.

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