Druck und Angst: Immer mehr Frauen in Nürnberg drogensüchtig

14.11.2019, 06:00 Uhr
Druck und Angst: Immer mehr Frauen in Nürnberg drogensüchtig

© Pixabay

So kommt eine repräsentative Studie des Rheingold-Instituts zu dem Schluss, dass sich berufstätige Mütter in Deutschland stark unter Druck setzen, damit in Job, Erziehung und Partnerschaft alles perfekt läuft. Mehr als zwei Drittel der befragten Frauen geben an, immer 120 Prozent zu geben.

Das weiß auch Daniela Dahm. Sie ist Geschäftsführerin der Drogenberatungsstelle Lilith für Frauen. Denn es sind inzwischen nicht mehr nur Frauen aus der offenen Szene, mit niedrigem Bildungsabschluss, Langzeitarbeitslose oder mit psychischen Erkrankungen, die hier Hilfe suchen. "Zu uns kommen heute auch Frauen, die beruflich wie privat voll integriert sind", wie sie es formuliert. "Sie sind zum Teil top ausgebildet, haben gute Jobs und sind völlig unauffällig", so Daniela Dahm. Frauen, bei denen man nie auf die Idee käme, sie würden zu illegalen Drogen greifen, um zu funktionieren.

Doch illegale Substanzen sind inzwischen in allen gesellschaftlichen Schichten angekommen. Seit etwa vier Jahren verzeichnet Lilith einen Anstieg bei diesen Frauen in der Beratungsstelle. Vor allem Frauen zwischen 28 und 38 Jahren wenden sich an das Lilith-Team. "In einer Lebensphase, in der man in der Regel beruflich und privat durchstartet", so Daniela Dahm."

Druck, Angst und Stress

Druck, Stress, Angst vor Jobverlust – eine fordernde Arbeitswelt können den Missbrauch von Alkohol und anderen Drogen befördern, wie aus dem "Fehlzeiten-Report" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hervorgeht. Viele greifen zu leistungssteigernden Substanzen.
Aus einem Forschungsbericht der Universität Tübingen geht zudem hervor, dass bei Frauen "die Mehrfachbelastung durch Erwerbsarbeit, Haus- und Familienarbeit, Rollenvorstellungen des Umfelds und die Auseinandersetzung mit Erwartungen der Partner eng mit dem Crystal-Konsum verbunden ist."


Drogentote: Nürnberg ist bundesweit trauriger Spitzenreiter


Auch Daniela Dahm spricht davon, dass der Leistungsdruck, das Ringen um Vereinbarkeit, aber auch der Drang schön und perfekt zu sein, manche Frauen aus gesicherten und guten Verhältnissen in den Konsum treibt - häufig von Crystal Meth. "Der allgemeine Konsum davon nimmt zwar ab, aber unter Frauen nimmt er zu", wie sie sagt. Aber auch andere aufputschende Substanzen spielen eine große Rolle. Nicht selten wird auch gemischt konsumiert, etwa Amphetamine, um tagsüber hochtourig fahren zu können, am Abend soll dann Cannabis den Schlaf bringen. Gerade bei diesen Frauen ist es eine stille Sucht. "Verheimlichen spielt hier eine große Rolle, denn diese Frauen wissen ja, wie sehr sie stigmatisiert wären, wenn das jemand mitbekommen würde", beschreibt Daniala Dahm das Dilemma dieser Gruppe zwischen Hilfsbedürftigkeit und tiefer Scham und Schuldgefühlen - vor allem, wenn Kinder im Spiel seien.


Über Arbeit einen Weg in ein suchtfreies Leben zu finden, funktioniert bei dieser Gruppe als stabilisierendes Element nicht. Diese Frauen stehen im Leben. Daher setzt Lilith weiter auf die Beratung. "Auch diese Frauen brauchen das Gefühl, dass sie nicht alles mit sich alleine ausmachen müssen. Wir hören zu und bewerten nichts", sagt Daniela Dahm. Und man informiere über die gesundheitlichen Auswirkungen, biete auch ambulante Therapien an.
Da gerade bei diesen Frauen zunächst der Wunsch nach Anonymität groß ist, setzt Lilith seit wenigen Wochen auch auf eine Online-Beratung. "Wir hoffen dadurch, auch diese Frauen noch besser erreichen zu können." Auch eine Gruppe, in der sich diese austauschen könnten, wäre in der Zukunft denkbar. Doch die Hemmschwelle, sich zu outen bleibt groß. Wer gibt schon gerne zu, das zu hohe Pensum nicht mehr anders bewältigen zu können, als sich aufzuputschen. Dabei ist gerade das Eingeständnis immer der erste Schritt.

13 Kommentare