Heftiger Schlagabtausch

Energiewende in Bayern: Aiwanger nimmt sich die Grünen vor - und die feuern zurück

Roland Englisch

Nürnberger Nachrichten

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31.5.2022, 17:05 Uhr
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger verteidigt den Kurs der Staatsregierung.

© Karl-Josef Hildenbrand/dpa Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger verteidigt den Kurs der Staatsregierung.

Mit Zahlen und Fakten hält Hubert Aiwanger (FW) sich nicht auf in seiner Regierungserklärung zur Energiewende. Nur so viel sagt er: Die Windkraft im Freistaat müsse sich "vermehrfachen", der Strom aus Photovoltaikanlagen vervielfachen. Wie das gehen soll, behält der Wirtschafts- und Energieminister für sich.

Ideologische Blockaden

Stattdessen zeigt er auf die Grünen, bevorzugt in Berlin, ein paar Mal auch in München. Ihnen wirft er eine falsche Energiepolitik vor, ideologische Blockaden, falsche Schwerpunkte. Die Grünen, sagt er, blockierten Forschung und Förderung beim Wasserstoff, aus ideologischen Gründen. Stattdessen bauten sie LNG-Terminals für Flüssiggas aus den USA, "für Frackinggas. Da hätten sie sich früher an die Straße geklebt", spottet er in Richtung Öko-Partei.

Eine Dreiviertelstunde redet Aiwanger. Er fordert umfassende Steuersenkungen oder gleich ihre Streichung bei Energie für so ziemlich jeden Bereich, vom Taxifahrer bis zum Großunternehmen. Er nennt die CO2-Abgabe, die kalte Progression, den Verlustrücktrag, die Mineralölsteuer, die Stromsteuer. Er verlangt, dass Berlin die Atomkraftwerke am Netz lassen müsse. Er nennt das Bundeskartellamt einen "zahnlosen Tiger", weil es gegen die Mineralölkonzerne nicht vorgehe, die die Preise nach oben setzten. Er warnt, der Bund würge in Bayern die Wasserkraft ab.

Im Angriffsmodus

Der Chef der Freien Wähler ist im Angriffsmodus. Bayern, sagt er, habe die meisten Photovoltaikanlagen. "Wir sind hier mit Abstand die Nummer eins." Bei Wasserkraft sei das nicht anders. Und beim grünen Wasserstoff gehe das Land voran. "Wir lassen uns diese Erfolge nicht schlecht reden", ruft Aiwanger. Jetzt, kündigt Bayerns Wirtschaftsminister an, werde Bayern auch "zur Nummer Eins bei den Erneuerbaren".

Zum Wie äußert er sich nur vage. "Eine Vielzahl von Ausnahmen bei der 10H-Regel" werde die Windkraft "auf großer Breite" voranbringen. Bei der Sonnenkraft setze er auch auf "Agri-PV", auf Solarfelder, die Äcker überspannen, den Ackerbau aber ermöglichen. Und bei Biogas gehe deutlich mehr. "Aber nein, die Grünen stellen denen ein Bein, statt den Weg frei zu machen", etwa über das Verbot, auf stillgelegten Feldern jene Pflanzen anzubauen, die sich zu Biogas oder Biosprit verarbeiten lassen.

"Erbärmlich"

Kein Wunder, dass die Opposition zurück feuert. Ludwig Hartmann von den Grünen nennt "erbärmlich", dass er von Aiwanger "keinen einzigen Vorschlag" gehört habe, wie Bayern die Energiewende voranbringen wolle. "Stattdessen 45 Minuten Vorwürfe an Berlin" - da müsse er schon klarstellen, dass die neue Bundesregierung energiepolitisch "eine Rumpelkammer" übernommen habe. Die Union habe wesentliche Bausteine für die Energiewende über die Jahre gestrichen oder geschrumpft.

SPD-Fraktionschef Florian von Brunn stimmt zu. Dass ausgerechnet Aiwanger jetzt einen schnellen Ausbau der Stromtrassen aus dem Norden fordere, könne er nicht ernst nehmen. Schließlich seien es die Freien Wähler und Aiwanger gewesen, die massiv dagegen gekämpft haben. "Dieses Hü und Hott der letzten Jahre sorgt nicht für Schwung", kritisiert auch Albert Duin, energiepolitischer Sprecher der FDP.

Zu kompliziert

Dass Aiwanger sich nun für die "Vielzahl von Ausnahmen" bei 10H feiert, stößt allen Oppositionspolitikern auf. "Unendlich kompliziert", nennt SPD-Mann von Brunn das Regelwerk, "das kein Mensch mehr versteht". Es sei kein Antreiber, sondern ein Mühlstein für die Windkraft. Und Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann zählt auf, was Söder in Sachen Windkraft in den vergangenen Jahren versprochen habe. "Erst hundert Windräder im Staatswald, dann 300 Windräder, 500 und jetzt 800. Aber in all der Zeit ist nicht eines gebaut oder auch nur geplant worden." Warum die CSU "mehr Angst vor der Windkraft als vor Diktatoren" habe, verstehe er nicht.

Bei der Solarkraft sei das kaum anders. Obwohl von Söder anders angekündigt, sei erst auf vier Prozent der 11.000 staatlichen Liegenschaften eine zumeist auch noch kleine Solaranlage installiert. Und selbst bei den Neubauten liege die Quote nur bei 15 Prozent. Söder "kündigt nur an, er liefert nichts", sagt Hartmann.

"Breites Konzept"

Klar nehmen die Redner von CSU und Freien Wähler die bayerische Energiepolitik und den Wirtschaftsminister in Schutz. Sie loben seine Rede, die Ziele, die er beschrieben hat, das "breite Konzept", von Ministerpräsident Markus Söder vor einigen Tagen vorgelegt mit Zielen, für die nach Ansicht der Opposition bislang der Fahrplan fehlt. Selbst die Wirtschaft, sonst CSU und Freien Wählern gewogen, hält sich nach der Regierungserklärung zurück. Ihr geht die Energiewende weiter viel zu langsam, auch weil Bayern zu wenig aktiv sei und Hemmnisse wie die 10H-Regel nicht aufhebe.

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